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LiquidFriesland – ein gescheitertes Experiment

arasında Dr. Stephan Eisel

Bürgerbeteiligung von den Bürgern abgelehnt

Wer die Chancen des Internets für Bürgerbeteiligung sinnvoll nutzen will, muss die Grenzen des Netzes ebenso kennen wie seine Möglichkeiten. Nur eine sachliche und nüchterne Betrachtung verhindert Irrwege im Cyberspace. Die Faszination über die technischen Möglichkeiten des Internets entbindet nicht von der Frage nach den Chancen und Gefahren für die Demokratie. Zur Technikfaszination muss Medienkompetenz kommen und in einer freiheitlichen Gesellschaft zur Medienkompetenz zwingend die Demokratiekompetenz.

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Umso problematischer ist es, dass sich bei Online-Beteiligungsprojekten ein merkwürdiges Ritual der Wahrnehmung und Berichterstattung etabliert hat: Beim Startschuss werden sie enthusiastisch gefeiert, ihr Verlauf bleibt weitgehend unbeachtet und ihre Ende wird ignoriert. Ob Online-Bürgerhaushalte, die Internet-Euphorie der Piratenpartei oder das adhocracy-Projekt des Deutschen Bundestages – dieser Verlauf unterscheidet sich kaum. Zudem sind unabhängige Evaluierungen bei solchen Online-Projekten gänzlich unüblich.

In diese Reihe gehört jetzt auch das Internet-Projekt „LiquidFriesland“, das am 11. Juli 2012 auf Vorschlag des Landrats Sven Ambrosy (SPD) einstimmig vom Kreistag des Landkreises Friesland beschlossen wurde. Man feierte sich „als erste Kommune weltweit“, die die open-Source-Software LiquidFeedback zur Bürgerbeteiligung einsetzt. Zwei Jahre später ist es mehr als ruhig geworden um die damals von der Presse vielfältig gefeierte „Weltpremiere für mehr Bürgerbeteiligung.“

Das Experiment LiquidFriesland ist schlichtweg gescheitert, weil es von den Bürgern nicht angenommen, sondern abgelehnt wurde. Von den 82.967 bei Kommunalwahlen 2011 stimmberechtigten Bürgern über 16 Jahre haben sich lediglich 552 Bürger überhaupt registriert. Selbst wenn man nur die ca. 43.000 Wähler der letzten Kommunalwahlen zum Vergleichsmaßstab heranzieht, bleibt diese Zahl verschwindet gering.

In den acht Gemeinden des Landkreises gibt es 202 ehrenamtliche Ratsmitglieder, aber nur 367 Bürger haben sich bei LiquidFriesland im ersten Jahr nach der Eröffnung des Portals am 11. November 2012 wenigstens einmal an einem dort diskutierten Thema beteiligt oder einer Abstimmung teilgenommen. Seit Anfang 2014 standen überhaupt nur noch sechs Themen zur Abstimmung, bei denen als höchste Beteiligung 32 Stimmen registriert wurden. Seit Mitte April 2014 ist auf der Plattform überhaupt keine Aktivität mehr festzustellen.

Diese vernichtende Bilanz reiht sich ein in die Ernüchterung über Online-Beteiligungsverfahren insgesamt, die vor Jahren noch als Eintritt in ein neues demokratisches Zeitalter gefeiert wurden. Bei den meisten dieser Verfahren – wie z. B. bei Online-Bürgerhaushalten – liegen die angegebenen Beteiligungszahlen mit meist 1-2 Prozent der Wahlberechtigten schon extrem niedrig. Die tatsächlichen Beteiligungszahlen sind noch geringer, weil bei der Registrierung lediglich nach einer einer E-Mail Adresse gefragt wird und so der Manipulation durch Mehrfachregistrierungen und die Teilnahme von Ortsfremden Tür und Tor geöffnet ist.

„LiquidFriesland“ macht hier eine Ausnahme und verdient auch deshalb eine genauere Analyse. Zur Registrierung war nämlich die Angabe von Name, Ort und Geburtsdatum in einem Internet-Formular notwendig und nach Überprüfung der Daten wurde ein Zugangscode per Post zugeschickt. Trotz intensiver Öffentlichkeitsarbeit forderten mit 761 Bürgern weniger als ein Prozent der angesprochenen Bürger über 16 Jahre überhaupt einen Code an. Noch weniger – nämlich 552 – haben den Code auch aktiviert, nur 367 haben die Plattform dann auch tatsächlich genutzt.

In einer Befragung stellte sich heraus, dass darüber hinaus die Hälfte der Nutzer schon ein ehren- oder hauptamtliches Amt im Landkreis ausüben. Über drei Viertel der Nutzer sind auch in anderen Zusammenhängen politisch aktiv. LiquidFriesland hat also wie andere Online-Beteiligungsprojekte zwar bereits politisch Aktiven eine zusätzliche Plattform erschlossen, aber praktisch keine neuen Zielgruppen erschlossen.

Als Nutzer von LiquidFriesland kann man eigene Vorschläge zur Abstimmung im Internet stellen. Davon machten weniger als 20 Prozent der registrierten Nutzer Gebrauch. Es wurden seit Ende 2011 insgesamt überhaupt nur 74 Initiativen eingebracht, davon 23 von der Verwaltung. Nur 58 erreichten das erforderliche Quorum, um zur Abstimmung gestellt zu werden.

Dieses Quorum besteht darin, dass zehn Prozent der Nutzer, die für das jeweilige Thema Interesse angemeldet haben, diese Initiative unterstützen oder zumindest verfolgen. Bei den geringen Beteiligungszahlen bei Liquid Friesland genügten in der Regel fünf Unterstützer um eine Abstimmung zu einer Initiative herbeiführen. 16 Initiativen erreichten nicht einmal diesen Minimalgrad von Unterstützung.

Aber auch die Vorschläge, die zur Abstimmung gestellt wurden, blieben unter einer Beteiligung von zehn Prozent selbst der registrierten Nutzer. Sogar die „erfolgreichsten“ Abstim¬mungen haben nicht mehr als 50 Teilnehmer erreicht. Durchschnittlich haben von den 83.000 Bürgern über 16 Jahre im Landkreis Friesland nur 30 an Abstimmungen auf der Internet-Plattform LiquidFriesland teilgenommen.

Das gescheiterte Experiment LiquidFriesland bestätigt die allgemeine Erfahrung, dass Online-Verfahren bei den Bürgern auf kaum messbare Akzeptanz und Nutzung stoßen. Trotz niedrigster Zugangs¬schwellen durch einfache E-Mail-Registrierung haben sich z. B. an den sog. Online-Bürgerhaushalten meistens weniger als ein Prozent und nie mehr als fünf Prozent der dazu Berechtigten beteiligt. Beim Adhocracy-Angebot der Enquetekommission „Internet und digitale Gesellschaft“ des Deutschen Bundestages haben sich zwischen Januar 2011 bis zum Abschluss im Januar 2013 bundesweit (!) lediglich 12.579 Mitglieder registriert, obwohl auch hier zur Anmeldung lediglich eine E-Mail-Adresse genügte.

Selbst bei den Piraten, die sich über den Umgang mit dem Internet definieren und die kontinuierliche Meinungsbildung und Entscheidungsfindung im Netz als eine ihrer zentralen Forderungen propagieren, stößt die parteiinterne Abstimmungsplattform „Liquid Feedback“ nur auf sehr begrenztes Interesse. Von den 28.498 Mitgliedern der Piratenpartei sind (weil beitragszahlend) 7.853 stimmberechtigt, aber nur 909 bei LiquidFeedback aktiv, d.h. haben sich innerhalb der letzten sechs Monate wenigstens einmal eingeloggt. (Stand jeweils 22.Mai 2014).

Nur wer diese Fakten aus der Online-Welt ignoriert, kann bestreiten, dass es sich bei der „Bürgerbeteiligung im Internet“ um ein potemkinsches Dorf handelt, in dem privilegierte kleine Internet-Eliten auf Kosten der großen Mehrheit der Bürger agieren. Deshalb fehlt Abstimmungsergebnissen aus solchen von Online-Beteiligungsverfahren die demokratische Legitimität.

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