Mit dem Schwerpunkt auf „christlich-demokratische Politik heute - Strategien für morgen“ fand die diesjährige Goslarer Rede in Goslar statt. Die Teilnehmer lauschten der Hauptrednerin Prof. Dr. Barbara Zehnpfennig, Professorin für Politische Theorie und Ideengeschichte an der Universität Passau. Unter den Teilnehmern waren unter anderem Frank Oesterhelweg, Landtagsvizepräsident, Ralph Bogisch, Ratsherr der Stadt Goslar und Otto Fricke, Zeitzeuge vom ersten Parteitag der Union.
Christoph Bors, Leiter des Politischen Bildungsforums in Niedersachsen, eröffnete Veranstaltung. Nach einer kurzen historischen Einführung stellte er das Programm vor und übergab das Wort an Ralph Bogisch. In einem kurzen Grußwort dankte er unter anderem der Konrad-Adenauer-Stiftung für die Kontinuität und Regelmäßigkeit mit der die Veranstaltung jährlich stattfindet. Anschließend trat Frank Oesterhelweg an das Rednerpult und führte in den Themenbereich des Abends ein. Zur Ausrichtung der christlich demokratischen Politik sagte er, Bewährtes solle man erhalten und Neues gestalten. „Wir brauchen den Mut anzuecken, um etwas anzustoßen“, sagte Oesterhelweg.
Es folgte die Hauptrednerin des Abends, Frau Prof. Dr. Zehnpfennig, die Ihre Ausführungen in Vier Teile aufteilte. Sie begann mit den Grundwerten, die für christdemokratische Politik konstitutiv gelten, das Soziale, das Liberale, das Konservative und das Christliche. Diese Werte, würden in der Gesellschaft auf unterschiedliche Resonanz stoßen. Während Sozialität und Liberalität Werte seien, die auch im Großteil der Bevölkerung Anklang fänden, sei der Begriff Konservatismus oft negativ konnotiert. Auch der Begriff des Christlichen, verliere in einer zunehmenden Säkularisierung in der Gesellschaft an Bedeutung.
"Das moderne Leben ist der Religion nicht förderlich. Es ist sehr Diesseits-orientiert und will das Glück, das meist ökonomisch definiert wird, im Hier und Jetzt genießen. Das allgemeine Lebenstempo fördert nicht gerade die Kontemplation, die Vereinzelung in unserer hyperindividualisierten Gesellschaft entfremdet von allen möglichen Gemeinschaftsformen, eben auch von der religiösen Gemeinschaft. Und die Ich-Bezogenheit, die aus einer problematischen Verabsolutierung des Individuums folgt, macht es Menschen zunehmend schwer, einen solchen Maßstab über sich anzuerkennen, wie es Gott nun einmal ist."
Im zweiten Teil ging Frau Zehnpfennig auf das Spannungsverhältnis zwischen diesen Grundwerten ein. Besonders die Werte Sozialität und Liberalität befänden sich nicht direkt in Harmonie, da Sozialität oft das überordnen der Gemeinschaft vor dem individuellen bedeute. Der Konservatismus werde in der Gesellschaft oft als Gegenpol zum Progressiven angesehen. „Fortschrittsgewinne sind meist mit Verlusten auf der anderen Seite erkauft“, sagte Zehnpfennig und wies so darauf hin, dass Fortschritt nicht immer Fortschritt ins Gute bedeute.
"Wie steht es nun mit unserem dritten Wert, dem Konservativen? Dieser scheint auf einer anderen Ebene zu liegen als die beiden erstgenannten Werte. Denn er bezeichnet keinen Inhalt, sondern eine Haltung gegenüber den verschiedenen Inhalten. „Conservare“ bedeutet bekanntlich „bewahren“ und meint das Bestreben, etwas so zu erhalten, wie es ist. Das Konservative scheint der Gegenpol zum Progressiven zu sein, das Bewahren der Gegenpol zum Voranschreiten."
Im dritten Teil befasste sich Frau Zehnpfennig damit, wie die Werte in die Politik umgesetzt werden könnten. Bei der Umsetzung sei die Auslegung der Werte von besonderer Bedeutung. Da die Grundwerte der CDU sehr Vielfältig sind, sei nach ihrer Einschätzung eine Hierarchisierung erforderlich. An erster Stelle solle das Christliche stehen, sodass das politische Handeln immer christlich sei. Das konservative solle als Haltung gelten und einen Ausgleich im Spannungsfeld zwischen Liberalität und Sozialität schaffen.
"Mir scheint da eine Definition zielführend, die dem französischen Moralisten Antoine de Riverol, der im 18. Jahrhundert lebte, zugeschrieben wird: „Konservativ zu sein, heißt nicht ein Hängen an dem, was gestern war, sondern ein Leben aus dem, was immer gilt.“ Hier ist sehr prägnant zusammengefasst, worum es gehen sollte. Bewahrt werden soll nicht einfach das, was ist, oder gar, das, was war, sondern dasjenige, das zu allen Zeiten Gültigkeit hatte und darin auch seinen Wert bekundet hat."
Im Fazit Ihrer Rede stellte Frau Zehnpfennig dar „Für das was man bewahren will muss man kämpfen“ und spielt dabei auch auf den Krieg in der Ukraine an, der die westlichen Werte bedrohe. Die Aufgabe der Politik sei es, dort Hilfe zu leisten, wo Selbsthilfe nicht funktioniere.
"Bei den anderen Krisen der Gegenwart (Inflation, Energieknappheit, Klima, Migration) wäre es m. E. eine konsistente christdemokratische Position, gemäß dem Subsidiaritätsprinzip dort für Unterstützung zu plädieren, wo Selbsthilfe nicht möglich ist, zugleich aber jedem Etatismus entgegenzutreten, jeder fortdauernden Ausdehnung der Staatsaufgaben und der damit einhergehenden Verschuldung. Auch Gerechtigkeit ist ein Prinzip, das es zu bewahren gilt, und Generationengerechtigkeit kann nicht darin bestehen, künftige Generationen mit einer riesigen Schuldenlast zu überfrachten, nachdem sie schon so viele Rentner zu versorgen haben werden."
Nach einem langen Applaus für die Hauptrednerin bedankte sich Ralph Bogisch bei ihr mit einem lokalen Präsent, welches auf das 1100 Jahre-Stadtjubiläum von Goslar anspielte.
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