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Guang Niu, Reuters.

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In den Fängen der Diktatoren?

Warum wir wirtschaftliche Abhängigkeiten reduzieren, aber Abschottungstendenzen widerstehen müssen

Die aktuelle Debatte um die Auswirkungen wirtschaftlicher Verflechtungen mit dem Ausland, bestimmt durch die fatale Abhängigkeit von russischen Energielieferungen, konzen­triert sich vor allem auf politische Risiken – und kaum auf Chancen. Dabei sind Letztere beträchtlich. So erkannte der Ökonom David Ricardo schon vor 200 Jahren in seiner Theorie des komparativen Kostenvorteils: Wenn Unternehmen aus unterschiedlichen Staaten miteinander Handel betreiben, können sie sich auf die Produktion der Güter konzen­trieren, mit welchen sie am konkurrenzfähigsten sind. So werden in beiden Ländern Ressourcen effektiver genutzt, der Wohlstand steigt, beide profitieren.

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Abhängigkeiten von Lieferanten sind zudem in vielen Fällen gut durch langfristige Lieferverträge und einen funktionierenden Rechtsstaat beherrschbar. Es ist zudem möglich, vielen Risiken vorzubeugen, indem Unternehmen bei mehreren Lieferanten einkaufen und so den Ausfall eines Lieferanten verkraften können.

Schwieriger wird es, wenn es nur wenige Lieferanten gibt und diese ihren Sitz im Ausland haben. Denn hier gibt es für den deutschen Staat im Konfliktfall kaum Möglichkeiten, die Einhaltung der Verträge zu erzwingen. Sofern eine langfristige Rechtssicherheit besteht, wie etwa in EU-Staaten, muss man sich keine allzu großen Sorgen machen. In autoritären Staaten hingegen sind die Voraussetzungen in Sachen Rechtssicherheit ungünstiger. Daher ist es nicht überraschend, dass gerade in solchen Staaten die größten Risiken bestehen. Das kann, wenn die Abhängigkeiten konzentriert auftreten, das ganze deutsche Wirtschaftssystem beeinträchtigen – wie das Beispiel des russischen Gases deutlich macht.

Es lohnt sich, das Ausmaß und die Struktur der wirtschaftlichen Verflechtung mit autoritären Staaten zu betrachten. Diese können in drei unterschiedliche Dimensionen unterteilt werden:

 

  • mit Blick auf Absatzmärkte;
  • mit Blick auf Importe von Zulieferteilen;
  • mit Blick auf den Import von Roh- und Grundstoffen.

 

Unter den 100 wichtigsten Exportdestinationen Deutschlands finden sich 22 Staaten, die in der Bewertung der Nichtregierungsorganisation Freedom House als „nicht frei“ eingestuft werden. Zusammen machen sie knapp 13 Prozent des Werts der Exporte in die 100 wichtigsten Länder aus. Wirklich bedeutend war hier neben China nur die Russische Föderation, die 2021 auf Platz 14 stand. Ohne China beträgt der Anteil der autoritären Staaten an den Exporten in die 100 wichtigsten Länder nur fünf Prozent. Eine bedeutende Abhängigkeit scheint sich hieraus nicht zu ergeben.

Nun sagt die Gesamtschau nicht alles. Einzelne große Unternehmen sind stark vom chinesischen Markt abhängig. Auch wenn also die Gesamtwirtschaft nur zu einem moderaten Maße vom chinesischen Absatzmarkt abhängt, gibt es dennoch Hinweise darauf, dass sich einzelne Unternehmen, nicht zuletzt im Bereich der Automobilindustrie, deutlich stärker „in den Fängen“ der Kommunistischen Partei Chinas befinden.

Die Frage nach den Importabhängigkeiten ist deutlich komplexer. Auf der einen Seite wird die Abhängigkeit von Zulieferteilen aus China regelmäßig überschätzt. Auf der anderen Seite fällt die Antwort auf die Frage nach Importabhängigkeiten von Rohstoffen beunruhigend aus. Dass Deutschland fast alle fossilen Brennstoffe aus dem Ausland – bisher zu einem bedeutenden Anteil aus Russland und zukünftig verstärkt aus anderen Autokratien wie den Golfstaaten – einführt, ist allgemein bekannt. Jedoch besteht beim Bezug von wichtigen Industriemetallen eine noch größere Konzentration auf wenige Lieferländer, vor allem auf China, das in manchen Fällen mehr als 80 oder sogar mehr als 90 Prozent der Mengen liefert.

Nach diesem Befund stellt sich die Frage nach den Handlungsmöglichkeiten. In Bezug auf die Absatzmärkte ließen sich etwa Anreize zu einer Diversifizierung schaffen, indem die Programme der Auslandshandelskammern zur Markterschließung nicht nur weiter ausgebaut, sondern auch unkomplizierter und stärker auf kleine und mittelgroße Unternehmen ausgerichtet würden. Eine solche Diversifizierung muss nicht darauf abzielen, neue Lieferbeziehungen nur mit Demokratien aufzubauen. Auch eine „unpolitische“ Diversifizierung, im Besonderen zulasten Chinas, senkt die Wahrscheinlichkeit, von einzelnen Autokratien abhängig zu sein. Auf der Importseite würden solche Abkommen ebenfalls helfen, denn sie erleichtern auch ausländischen Exporteuren das Geschäft in Deutschland.

Gleichwohl löst dies die Probleme der Importabhängigkeit von Roh- und Grundstoffen nur geringfügig, denn sie sind mit einer Konzentration von Produktionskapazitäten in wenigen Ländern verbunden. Hierbei erscheint das aktuelle Problem mit russischem Gas zumindest mittelfristig lösbar, da auch andere Lieferanten im Prinzip genug liefern können. Bei den Grundstoffen aus China sieht dies jedoch anders aus. Kurzfristig lässt sich das Problem mit gezielter und im Notfall staatlich unterstützter Lagerhaltung minimieren. Doch auf längere Sicht müssen Deutschland und die EU dazu beitragen, dass neue Kapazitäten außerhalb Chinas geschaffen werden.

Ein Aufbau alternativer Verarbeitungskapazitäten für strategisch bedeutsame Metalle löst aber nicht das Problem, dass die Vorkommen der Erze, als welche die Metalle ursprünglich aus der Erde geholt werden, in einigen Fällen auf wenige Länder konzentriert sind. Es verhält sich durchaus so, dass in vielen Fällen auch hier autoritäre Staaten die Hauptlieferanten von Rohstoffen sind. Hier helfen nur enge und idealerweise vertraglich fixierte Handelsbeziehungen, denn am Ende werden wir nicht am Handel mit unangenehmen Partnern vorbeikommen. Mit entsprechenden Abkommen – selbst wenn sie von undemokratischen Regimen nur zum Teil umgesetzt werden – befinden sich deutsche Unternehmen in autoritären Staaten wie China in einer deutlich stärkeren Position und können so zur Versorgungssicherheit in Deutschland beitragen.

Auf mittlere Sicht ist es in vielen Fällen durchaus möglich, unerwünschte Verflechtungen zu reduzieren. Das ist aber ein teures Unterfangen – gerade zu Zeiten hoher Inflation. Wir werden ertragen müssen, dass weiterhin Handel mit nichtdemokratischen Staaten betrieben wird. Es wird weiterhin Rohstoffe geben, bei denen es wenig Auswahl an Lieferanten gibt. Wichtig ist es, möglichst breit zu diversifizieren und eigene Kapazitäten in den Bereichen vorzuhalten, in denen es funktioniert und wirtschaftlich Sinn ergibt. Darüber hinaus muss gerade mit schwierigen Partnern an einer Formalisierung der Beziehungen gearbeitet werden. Dazu gehören ausdrücklich auch Instrumente, mit denen Deutschland und die EU robust auf Maßnahmen reagieren können, mit welchen andere Staaten sich unlautere Wettbewerbsvorteile verschaffen.

Wichtiger als Zwangsinstrumente sind aber Screening-Instrumente, mit denen klar geprüft werden kann, wo gegebenenfalls eine staatliche Intervention nötig ist – und vor allem: wo nicht. Denn wir sollten das erfolgreiche arbeitsteilige Modell der deutschen Wirtschaft nicht aus Angst vor Autokraten aufgeben.

 


 

Dr. Jan Cernicky ist Koordinator für internationalen Handel und Wirtschaft in der Hauptabteilung Analyse und Beratung der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

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