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Länderberichte

Indonesiens Wirtschaft: Fehlendes Vertrauen und schleppende Reformen

von Wolfgang Hruschka †
Immer wieder aufflammende soziale Unruhen in verschiedenen Landesteilen Indonesiens, eine stete Rechtsunsicherheit, aber vor allem auch die zögerliche Reformpolitik des heterogenen Kabinetts von Präsident A. Wahid konnte bisher das Vertrauen der Investoren nicht wiederherstellen. Die Rupiah fiel im Mai auf ihren Tiefststand und die indonesische Wirtschaft hinkt nach wie vor hinter der der Nachbarländer hinterher.

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Trotz der Realisierung erster demokratischer Reformen hat sich Indonesien noch immer nicht gänzlich stabilisiert. So flammen in verschiedenen Landesteilen immer wieder inter-religiöse und inter-ethnische Konflikte auf, die ihre Ursache aber zumeist in wachsenden Einkommensdisparitäten oder in den über die Jahre hin aufgestauten Frustrationen haben, die im autoritären Soeharto-Regime einfach mit Gewalt erstickt wurden.

So kam es just am 13.5., dem zweiten Jahrestag der Mai-Unruhen von 1998 - damals verloren 1.200 Menschen ihr Leben, 5.000 Gebäude und 1.100 PKWs wurden zerstört, Präsident Soeharto mußte zurücktreten - erneut zu kleineren Auseinandersetzungen in Jakartas Chinesenviertel Glodok. Ausgelöst wurden diese Ausschreitungen von einer Polizeirazzia auf Straßenhändler, die Raubkopien von Video-CDs verkauft hatten. Scheiben wurden eingeschlagen, Restaurants zerstört und mehrere Geschäfte geplündert.

Zwar hatten diese Zwischenfälle keine unmittelbaren politischen Ursachen und waren auch schnell beigelegt, aber sie weckten schlimme Erinnerungen und offenbarten eine soziale Unzufriedenheit und eine Unzuverlässigkeit der Sicherheitskräfte, die potentielle Investoren abschrecken muß.

Auch in der nördlichen Unruheprovinz Aceh gab es, noch nach Abschluß des in der Schweiz am 12. Mai unterzeichneten Waffenstillstandabkommens zwischen der indonesischen Regierung und der Unabhängigkeitsorganisation GAM, weitere Schußwechsel - und allein in der vergangenen Woche 27 Tote! Religionsunruhen eskalierten ebenfalls auf den Molukken, in Ambon und auf Halmahera. Am 29. Mai wurden dort mindestens 50 Menschen getötet und mehr als einhundert verletzt, als Moslems auf der Insel Halmahera zwei von Christen bewohnte Dörfer überfielen. In den vergangenen 18 Monaten verloren auf den Molukken mehr als 2000 Menschen ihr Leben. Zudem explodierten in Nord-Sumatra, in Medan, Indonesiens viertgrößter Stadt, am 28. und 29. Mai in einer Kirche und einem Restaurant zwei Bomben. Von den Tätern fehlt bislang jede Spur.

Der Markt reagierte sofort auf diese Gewaltausbrüche und auf die insgesamt als sehr un-berechenbar empfundene innenpolitische Lage. So fiel am 29. Mai, als Reaktion auf die Ereignisse in Medan und den Molukken, die Rupiah auf ein Wechselkurstief von 8.700 Rp. zum Dollar. Dagegen hatte sich der Kurs in den vorausgegangenen Wochen auf etwa 7.500 stabilisiert. Der Aktienindex an der Börse von Jakarta JSX fiel um 4,3%.

Der wirtschaftliche Aufschwung des Landes verläuft deshalb äußerst langsam. Die Ursache liegt aber nicht nur in den aufflammenden Unruhen, sondern auch in einer schwerfälligen Wirtschaftspolitik. Indonesien hinkt mit Abstand hinter den anderen ASEAN-Ländern hinterher, die ja alle gleichsam von der schweren Wirtschaftskrise Mitte 1997 betroffen wurden. Nur wurden dort die notwendigen Reformen entschiedener, schneller und mit der notwendigen Härte durchgeführt.

Die größten Probleme in Indonesien bilden einmal der riesige Schuldenberg privater Unternehmen, mit etwa 70 Mrd. Dollar Auslandsschulden und umgerechnet 38 Mrd. Dollar inländischer Verpflichtungen, und die notwendigen Reformen im Justizwesen. Der private Schuldenberg verringert sich nicht, weil es für die beteiligten Schuldner keine für sie bedrohliche Strafverfolgung gibt.

So sieht auch Hubert Neiss, der ehemalige Asien-Direktor des IMF - jetzt "Deutsche Bank" - die Lücken im indonesischen Rechtssystem als größtes Hindernis für den Wiederaufschwung. "Solange es keine glaubhafte Bedrohung einer Strafverfolgung gibt, sehen sich Gläubiger und Schuldner nicht gezwungen, sich an einen Tisch zu setzen und zu einer Vereinbarung zu kommen. Dies wiederum hindert die Neuinvestition von Kapital und damit den vollen wirtschaftlichen Aufschwung."

Langsame Fortschritte macht dagegen die Restrukturierung des Bankensektors. Seit Mitte 1997 wurden 67 private Banken geschlossen, davon alleine 39 im vergangenen Jahr. Ebenfalls 1999 wurden vier staatliche Banken zur "Bank Mandiri" zusammengeschlossen, einen ähnlichen Merger gab es für neun kleinere private Banken unter "Bank Danamon". Die staatliche "Bank Mandiri" hat nun ihr Rekapitalisierungsprogramm abgeschlossen, die staatliche "BNI" soll damit im Juni folgen. Zur Zeit bedienen etwa 160 Geschäftsbanken den indonesischen Markt, aber ihr Kreditvolumen - von dem das Wirtschaftswachstum entscheidend beeinflußt wird - ist um etwa 50 % gesunken. Und erst seit etwa einem halben Jahr verdienen diese Banken wieder Geld: Es gibt einen positiven "Spread", d.h. die Kreditzinsen liegen vier Prozent über den Einlagezinsen.

Die Schwäche der Rupiah ist auch ein Ausdruck der Enttäuschung über die nur zögerliche Reformpolitik der Wahid-Administration. In der Mehrparteien-Regierung von Präsident Abdurrahman Wahid dauern notwendige Entscheidungsprozesse häufig einfach zu lange. So war der Präsident selbst mit dem eigenen "Wirtschaftsteam" unter Leitung des Koordinierenden Ministers für Wirtschaft und Finanzen, Kwik Kian Gie, nicht zufrieden. Ende April entließ er den Minister für Handel und Industrie, Yussuf Kalla, und den Minister für Investitionen und Entwicklung von Staatsunternehmen, Laksamana Sukardi. Gerade Sukardi galt als einer der ernsthaftesten Reformer in Wahids Kabinett, und noch dazu als ein international anerkannter Wirtschaftsexperte. Als Gründe für die Entlassungen nannte Wahid zunächst "Disharmonien im Kabinett", später warf er den entlassenen Ministern "Korruption" vor, ohne dies zu begründen! Er ersetzte sie mit seinen Gefolgsleuten Luhut Panjaitan und Rozy Munir. Beide sind keine Wirtschaftsexperten, aber Präsident Wahid konnte damit seine Machtbasis im heterogenen Kabinett ausweiten. Der Markt aber goutierte diese Entscheidung nicht: Die Rupiah fiel kurzfristig auf einen Kurs von 8.000 Rp. zum Dollar, während die Regierung einen Wechselkurs von 7.000 Rp. zum Dollar anstrebt.

Eine der Gründe für die Unzufriedenheit des Präsidenten mit seinem "Economic Team" lag auch im Aussetzen einer IMF-Kreditzahlung in Höhe von 400 Mio. Dollar Anfang April. Der IMF war mit dem Umfang der bis dahin eingeleiteten Wirtschaftsreformen der Regierung nicht zufrieden. Am 20.Januar 2000 hatte Präsident Abdurrahman Wahid mit dem IMF ein Kreditabkommen über drei Jahre in Höhe von 5 Mrd. Dollar abgeschlossen, gebunden an ein Paket von Reformen. Erst eine Anfang Mai durchgeführte Evaluierung der Reformmaßnahmen durch den IMF fiel positiv aus. Indonesien kann deshalb im Juni mit der verspäteten Kreditauszahlung rechnen. Eine wichtige Entscheidung: Denn die Auszahlung dieses IMF-Kredits ist Voraussetzung für die im April mit dem Pariser Club von 19 Gläubigerstaaten ausgehandelte Umschuldung von 5,8 Mrd. Dollar.

So sieht dann auch Weltbank-Präsident James Wolfensohn, der Jakarta im Februar besuchte, die größte Herausforderung für die Regierung Wahid in der Wiedergewinnung des Vertrauens der Investoren. Diese brauchen politische Stabilität, ein funktionierendes Rechts- und Bankensystem. Das Volumen der ausländischen Investitionen fiel 1999 um 22%, ein Trend, der sich verstärkt in den ersten Monaten dieses Jahres fortsetzte. Um dem entgegenzuwirken, bemühen sich Präsident Abdurrahman Wahid und sein Außenminister Alwi Shihab vor allem um Investoren aus dem arabischen Raum. Anfang Mai luden sie Wirtschafts- und Finanzminister, Unternehmer und Fund Manager aus acht arabischen Staaten, aber auch aus Singapur, Malaysia und Brunei, zu einer dreitägigen Konferenz nach Jakarta ein. Direkte Zusagen für Investitionen wurden aber nicht gegeben.

Aber es gibt auch positive Indikatoren in der indonesischen Wirtschaft: Die "Bank Indonesia" erwartet für dieses Jahr einen steigenden Exportüberschuss und ein Anwachsen des inländischen Konsums. Das Wachstum der Exporte liegt zum einen an den steigenden Weltmarktpreisen für Erdöl und Gas, zum anderen wuchsen aber auch die Nicht-Öl-Exporte Indonesiens (Textilien, Hölzer, Möbel und Plantagenprodukte) im ersten Quartal 2000 um 29,6 % gegenüber dem Vorjahr! Die Regierung versucht, diese Entwicklung durch die Bereitstellung weiterer Exportkredite zu unterstützen. Erst im vergangenen Jahr wurde hierfür die "Bank Expor Indonesia" gegründet.

Aus diesen Gründen wuchs auch das Bruttoinlandsprodukt im ersten Quartal 2000 um stattliche 3,2 %. Die Regierung rechnet in diesem Jahr mit einem Wachstum des Bruttoinlandproduktes von 3 bis 4% - nach einem Null-Wachstum im vergangenen Jahr und einer Kontraktion von 13,2% im Jahr 1998. Die zu erwartende Inflationsrate schätzt man auf 5 bis 6 %. Andere sehen dies nicht so optimistisch: Gerade revidierte das "Zentrale Büro für Statistik - BPS" seine Wachstumsprognose von anfangs 4% auf nur 1,5%. Die Gründe: Anhaltende politische Instabilität!

Der Druck auf die Regierung Abdurrahman Wahids verminderte sich aber nach Unterzeichnung eines "Letter of Intent" am 18. Mai zwischen Wirtschaftsminister Kwik Kian Gie und dem International Monetary Fund. Denn die Unterzeichnung dieses "Letter of Intent" ebnet den Weg für die Auszahlung eines neuen IMF-Kredits in Höhe von 400 Mio. Dollar Anfang Juni. Diese neue Vereinbarung sieht auch eine Weiterführung der Reformmaßnahmen auf fiskalischem Gebiet, der Bankenreform und der Umstrukturierung der Schulden des Privatsektors vor. Sofort stärkte diese Vertragsunterzeichnung mit dem IMF die indonesische Rupiah: Sie wurde gegenüber dem Vortag um 1,7% höher, auf 8.395 Rp. zum Dollar, bewertet.

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