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Länderberichte

Meinungsumfrage unter Israelis und Palästinensern zu Lösungsansätzen für das Flüchtlingsproblem

von Henning Niederhoff
Bemerkenswerte Ergebnisse erbrachte eine 1999 durchgeführte Meinungsbefragungunter vier verschiedenen Bevölkerungsgruppen in Israel und den Palässtinensichen Gebieten zu Lösungsmöglichkeiten für das seit dem Krieg von 1948 bestehende Flüchtlichngsproblem. Mindestens ebenso bedeutsam ist die Tatsache, daß die Umfrage als palästinensisch-israelisches joint venture durchgeführt wurde.

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Im Oktober 1999 führte das palästinensische Jerusalem Media & Communications Center eine vergleichende Untersuchung der öffentlichen Meinung zum Thema palästinensische Flüchtlinge durch. Das Ergebnis enthält ungewöhnlich aussagekräftige Informationen, denn die befragten Personen umfassen erstmals vier verschiedene Bevölkerungsgruppen: Es werden die Meinungen berücksichtigt von Palästinensern in der West Bank, Palästinensern in Gaza, von jüdischen Israelis sowie von arabischen Israelis.

Um solch einen breitgefächerten Bevölkerungsquerschnitt zu befragen, kooperierte das Media & Communications Center mit dem Tami Steinmetz Center for Peace Research an der Universität Tel Aviv für den Part der jüdischen Israelis und mit zwei Fachleuten für den Part der arabischen Israelis.

Insgesamt wurden 1200 Palästinenser aus allen Bevölkerungsschichten in der West Bank und Gaza interviewt sowie jeweils 500 jüdische und arabische Israelis. Unter den Testpersonen befanden sich auch Bewohner von palästinensischen Flüchtlingslagern, israelische Siedler, Kibbutznikim und innerisraelische arabische Flüchtlinge.

Der Großteil der Palästinenser beurteilt das Flüchtlingsproblem als das drängendste nach der Jerusalemfrage. Die jüdischen Israelis halten es für weniger wichtig und sehen die zu findende Lösung als Bestandteil der Endstatus-Gespräche. Dennoch gewinnt die Flüchtlingsfrage gerade im Zusammenhang der Friedensverhandlungen mit Syrien stärkere Aktualität. Syrien bezieht in der Klausel "andere Sicherheitsmaßnahmen" die Frage der palästinensischen Flüchtlinge in die Vertragsentwürfe ein und fordert eine "gerechte Lösung" des Problems.

- 80% der West Bank - und Gaza-Palästinenser halten das in der UN-Resolution 194 festgelegte Recht zur Rückkehr der Flüchtlinge und die Kompensation ihrer Verluste für eine faire Lösung; dieser Meinung sind nur 4,5% der jüdischen Israelis. Auch Ministerpräsident Barak sieht keine moralische Verpflichtung Israels den palästinensischen Flüchtlingen gegenüber. Das Recht auf Rückkehr war ein dringendes Anliegen der Palästinenser in der ersten Runde der Endstatus-Gespräche, das für 3,7 Mio Flüchtlinge und ihren Nachkommen geltend gemacht wird. Damit wurde das Thema erstmalig im Rahmen der Endstatus-Verhandlungen angesprochen.

In der Rangliste der bedeutendsten und schwierigsten politischen Probleme rangiert bei allen vier befragten Bevölkerungsgruppen die Jerusalemfrage an erster Stelle. Den zweiten Platz belegt bei den jüdischen Israelis die Siedlungsfrage, die für die Bewohner der West Bank und des Gaza-Streifens an dritter Stelle steht. Gerade im Zusammenhang mit der Flüchtlingsproblematik gewinnt die Siedlungsfrage an Brisanz.

Aus der Sicht der Palästinenser, deren Familien seit unerdenklicher Zeit dasselbe Grundstück in Khan Yunis, Tulkarim, Yericho, Salfit oder anderswo bewohnen, ist es schwer zu akzeptieren, daß israelische Bürger, unter denen viele neue Einwanderer und Bewohner der benachbarten israelischen Siedlungen Neve Dekalim und Ariel sind, darüber entscheiden, wieviel bzw. wie wenig von dem von Israel 1967 besetzten palästinensischen Land den Palästinensern zurückgegeben werden sollte. An vierter Stelle der Prioritätenliste steht für die Bewohner der West Bank und des Gaza-Streifens die Ausrufung des palästinensischen Staates.

73,6% der arabischen Israelis halten allein Israel verantwortlich für das Flüchtlingsproblem von 1948/49. Anders sehen es die Palästinenser in der West Bank und im Gaza-Streifen: lediglich 51,4% dieser Gruppe hält Israel für allein verantwortlich. 42,6% verteilen die Verantwortung paritätisch auf Israel und die arabischen Länder.

Von den jüdischen Israelis wird die Frage der Verantwortung anders beantwortet: 31% machen die israelische Armee verantwortlich für die Vertreibung der Palästinenser. Ein hoher Anteil der befragten Personen gibt andere Gründe an: 29,9% sind der Meinung, die Palästinenser hätten 1948/9 freiwillig ihre Dörfer und Städte im heutigen Israel verlassen. 17,3% glauben, die Flucht sei von arabischen Staatsoberhäuptern angeordnet worden, während 23,3% keine Gründe nannten.

80% der Palästinenser in und außerhalb Israels fordern, daß die Flüchtlinge zurückkehren dürfen, dagegen tun dies nur 11,5% der jüdischen Israelis. 43% der jüdischen Israelis sprechen sich strikt gegen eine Rückkehrerlaubnis aus, während 32,6% immerhin für die Erlaubnis plädieren, eine limitierte, festzulegende Anzahl von Personen in das heutige Israel zurückkehren zu lassen. Neben dem grundsätzlichen Rückkehrrecht geht es insbesondere um die Frage, wo die möglichen Rückkehrer in Zukunft wohnen und arbeiten sollten. 57,2% der jüdischen Israelis sprechen sich für deren Verbleib an den derzeitigen Aufenthaltorten in der West Bank und anderen arabischen Staaten aus.

Ein Drittel der befragten jüdischen Israelis plädiert für den palästinensischen Staat als künftigen Wohnort der Flüchtlinge, und immerhin 5,3% befürworten die Rückkehr der Palästinenser in ihre alten Dörfer und Städte in Israel. Die Mehrheit der Palästinenser plädiert dagegen für ein grundsätzliches Rückkehrrecht aller Flüchtlinge in ihre alten Siedlungsbereiche oder für eine Kombination aus Rückkehr nach Israel und in den neuen palästinensischen Staat.

In Gesprächen, die der heutige israelische Justizminister Yossi Beihin 1996 mit dem stellvertretenden PA-Vorsitzenden Mahmoud Abbas führte, wurde die Möglichkeit ins Auge gefaßt, daß Israel die Anzahl der Rückkehrer in die von der Palestinian Authority kontrollierten Gebiete nicht einschränken werde, aber kein Flüchtling nach Israel zurückkehren dürfte.

70% der arabischen Israelis fordern eine Entschädigung der Flüchtlinge durch Israel. - 46% der West Bank-Bewohner fordern zumindest eine Beteiligung Israels an den Kompensationszahlungen.

18% der jüdischen Israelis teilen diese Meinung, während 41% von ihnen internationale Körperschaften wie die UN als mögliche Quelle für Kompensationszahlungen vorschlagen. 29% der jüdischen Israelis empfehlen Zahlungen durch die arabischen Regierungen, 11% durch die USA, während 17% sich rigoros gegen jegliche Entschädigung aussprechen.

Zur Frage, ob die Flüchtlinge denn ein Recht zur Rückkehr - wenn es verbindlich definiert ist - auch in Anspruch nehmen würden, äußerten sich die Palästinenser in der West Bank so: 17% halten die Rückkehr aller Flüchtlinge für wahrscheinlich 30% vermuten, daß weniger als 500.000 Personen zurückkehren werden.

Ein ähnliches Bild zeigt sich auf israelischer Seite: 58% der jüdischen Israelis vermuten, daß weniger als 1 Mio Menschen zurückkehren würden, hingegen prognostizieren 15,6% der arabischen Israelis die Rückkehr von über 4 Mio Menschen.

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Dr. Alexander Brakel

Alexander.Brakel@kas.de

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