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Historischer Rundgang: Station 7

Cadenabbia als Ort der Begegnungen und der Diplomatie

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Überhaupt war die Villa von einigem Getier bewohnt. Sie war das Domizil der Fledermäuse, die im Dämmern unter den Bäumen des Parkes herumflatterten. In den ersten Tagen unserer Anwesenheit beherrschte ein beißender Geruch alle Räume. Nachts tanzten Siebenschläfer auf dem Speicher und verliefen sich auch ab und zu in die Bade- und auch Schlafzimmer. Aber sie seien harmlos, erklärte der Bundeskanzler bei dem Versuch, seiner verschreckten Damenbegleitung die Angst zu nehmen. Weniger harmlos waren Skorpione. Man hatte vor unserer Ankunft bereits drei, allerdings junge Tiere, wie man beteuerte, getötet. Wo aber waren die Eltern? Ein Antiserum gegen ihre giftigen Bisse befand sich im Haus, dazu die Telefonnummer zum nächsten Arzt und zum Apotheker, der auch spritzen durfte und konnte.

Anneliese Poppinga, Adenauers Mitarbeiterin

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Inhaltsverzeichnis

Willy Brandt zu Besuch in Cadenabbia

Golo Mann zu Gast am Comer See

 


 

 

Während seines Urlaubs empfing Adenauer häufig Gäste aus Politik, Diplomatie, Journalismus und Kultur. In erstere Kategorie fielen vor allem Persönlichkeiten mit CDU-Parteiämtern und Regierungsmitglieder; besonders häufig waren etwa der langjährige CDU/CSU-Fraktionsvorsitzende Heinrich Krone, Außenminister Heinrich von Brentano und Staatssekretär Hans Globke in Cadenabbia zu Gast, aber auch auf internationaler Ebene Dirk Stikker, hoher niederländischer Diplomat und 1961 bis 1964 Generalsekretär der NATO, der im nahe gelegenen Menaggio ein eigenes Ferienhaus besaß. Selbst hoher Besuch aus Asien wurde in Person des früheren japanischen Ministerpräsidenten Shigeru Yoshida empfangen.

 

Keizo Kimura, Shigeru Yoshida und Konrad Adenauer im Garten der Villa La Collina.
Keizo Kimura, Shigeru Yoshida und Konrad Adenauer im Garten der Villa La Collina.

Willy Brandt zu Besuch in Cadenabbia

Besuche von Ministerpräsidenten aus den Bundesländern gab es kaum, mit Ausnahme des Nordrhein-Westfälischen Ministerpräsidenten und früheren Wahlkampfmanagers der 1957er-Wahl, Franz Meyers. Ganz überwiegend handelte es sich um „Parteifreunde“ des Kanzlers, eine Ausnahme stellte am 21. September 1962 der Besuch des damaligen Regierenden Bürgermeisters von Berlin Willy Brandt dar – nach dem insbesondere von Seiten Adenauers auch mit persönlichen Anwürfen gegen Brandt verbundenen, hart geführten Bundestagswahlkampf des Jahres 1961 sicherlich eine Geste mit Symbolcharakter.

Konrad Adenauer und Willy Brandt vor dem Panorama des Comer See.
Konrad Adenauer und Willy Brandt vor dem Panorama des Comer See.

Bei den Journalisten war der für seine biographischen Skizzen von Bonner Politikern bekannte Walter Henkels häufiger zu Gast. Seit den Jahren 1962/63 und dem (nahenden) Ende der Kanzlerschaft traten zudem verstärkt Persönlichkeiten des kulturellen Lebens hinzu, so etwa die Maler Graham Sutherland und Oskar Kokoschka, die jeweils bedeutende Porträts und Skizzen Adenauers anfertigten, und der Fotograf Will McBride.

 

Golo Mann zu Gast am Comer See

Im April 1966 besuchte der Historiker und Publizist Golo Mann, Sohn Thomas Manns, Konrad Adenauer in Cadenabbia. Seine 1958 erschienene “Deutsche Geschichte im XIX. und XX. Jahrhundert” war ein Bestseller geworden und zeugte von seiner besonderen Fähigkeit, historische Fakten mit einem ansprechenden literarischen Stil zu verbinden. Mann hatte den ersten Band von Adenauers “Erinnerungen” in der “Zeit” besprochen, so kam der Kontakt zustande. Zunächst stand der prominente Besucher jedoch – im wahrsten Sinne des Wortes wie bestellt und nicht abgeholt – am Bahnhof von Lugano. Sein Brief, in dem er sein genaues Kommen angekündigt und die Bitte um Abholung am Bahnhof formuliert hatte, sollte wegen eines Streiks bei der italienischen Post schließlich erst am Folgetag bei Adenauer eintreffen. Schließlich nahm Mann sich ein Taxi nach Cadenabbia, wegen eines Autounfalls stand er unterwegs noch längere Zeit im Stau. So war es schon später Nachmittag, als er in der “Villa La Collina” eintraf. Es folgte ein mehrstündiges Gespräch zwischen ihm und Adenauer beim Tee, dem in Teilen auch die Sekretärin und Beraterin Anneliese Poppinga beiwohnte. Seinen physischen Eindruck Adenauers schilderte der Gast rückblickend folgendermaßen: “Eine ganz leichte Ähnlichkeit mit der letzten Fotografie Metternichs; das Porzellanen-Zarte des höchsten Alters, der ferne Blick. Das Lachen oder Lächeln sehr liebenswürdig, verschmitzt, das Gesicht in wohlige Falten zerknitternd”.

Im Anschluss wollte Mann zurück nach Lugano fahren, doch Adenauer lud ihn spontan zum Abendessen ein und überredete ihn schließlich dazu, im Gästezimmer der “Villa La Collina” zu übernachten. Es musste improvisiert werden, denn Mann war auf einen längeren Aufenthalt nicht eingestellt. So bot ihm der Altkanzler etwa einen Rasierapparat an. Vor dem Essen zeigte er seinem Gast bei einem Spaziergang den Park des Anwesens. Später präsentierte Adenauer seinem Gast den Entwurf für das Inhaltsverzeichnis des zweiten Bandes seiner Memoiren und diskutierte einige kniffelige Stellen mit ihm. Außerdem unterhielten sie sich über die gemeinsame Vorliebe für Gedichte und Adenauer beklagte sich, dass der Jugend das Auswendiglernen heute völlig abhandenkommen sei, weil ihr die notwendige Konzentration dazu fehle.

In einem Bericht schildert Mann die Verhältnisse vor Ort: “Die Nacht verlief leidlich; das Bett war unbequem, das Zimmer karg und stilecht eingerichtet, mit Kamin und Blick auf den See.” Nach dem Frühstück reiste er ab, der Altkanzler stellte ihm für die Fahrt nach Lugano seinen bekannten Dienst-Mercedes samt Chauffeur zur Verfügung. Nach dem Erscheinen des zweiten Memoiren-Bandes im Herbst 1966 besprach Mann auch diesen in der “Zeit”, woraufhin Adenauer sich schriftlich bei ihm bedankte. Man vereinbarte ein erneutes Zusammentreffen in Cadenabbia für den Mai 1967, zu dem es infolge des Todes Adenauers am 19. April 1967 jedoch nicht mehr kommen sollte.

Der in der Schweiz lebende deutsche Historiker und Schriftsteller Golo Mann, aufgenommen am 31.07.1970
Der in der Schweiz lebende deutsche Historiker und Schriftsteller Golo Mann, aufgenommen am 31.07.1970
Hätten Sie's gewusst?
Zu Adenauers Zeiten war das Innere der „Villa La Collina“ kein wirklich gemütliches Urlaubsdomizil. Nicht nur lebten auf dem Dachboden Fledermäuse und Siebenschläfer, die nachts aktiv waren, und mangelte es an warmem Wasser zum Duschen – das Wohnzimmer war kühl und aufgrund der dicken schweren Vorhänge und der Vorbauten der Terrassen drang kaum ein Sonnenstrahl hinein. Adenauers Reisebegleiter bezeichneten dieses Zimmer daher auch als „die Gruft“.

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