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Country Reports

Oppositionsproteste und gewalttätige Ausschreitungen begleiten Fujimoris Start in die dritte Amtszeit

Perus Staatspräsident Alberto Fujimori hat unter heftigen Protesten der Opposition am 28. Juli, dem peruanischen Nationalfeiertag, seine dritte Amtszeit angetreten. In seiner mit Spannung erwarteten Rede an die Nation ging Fujimori vor allem auf Reformen in der Landwirtschaft, die Steigerung des Exports und auf Projekte im Bildungswesen ein.

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Nur am Rande erwähnte er in der 42-minütigen Rede die zentralen Themen Redemokratisierung und (Re-)Institutionalisierung, die von der Opposition und der internationalen Gemeinschaft - vor allem von der Organisation Amerikanischer Staaten/OAS - spätestens seit der zweifelhaften Durchführung des Wahlprozesses vehement gefordert worden sind und die für einige Geberstaaten als Grundbedingungen für die Fortsetzung der Entwicklungszusammenarbeit gelten.

An der Zeremonie in Gegenwart der 120 Mitglieder des neuen Kongresses nahmen als einzige ausländische Staatsoberhäupter die Präsidenten von Bolivien und Ecuador, Bánzer und Noboa, teil. Neben dem US-amerikanischen Botschafter in Peru, John Hamilton, waren als weitere offizielle ausländische Gäste vor allem Repräsentanten des diplomatischen Corps in Lima anwesend. Während der Rede Fujimoris verließen verschiedene Abgeordnete der Opposition aus Protest den Kongreß.

Die Zeremonie, von Fujimori offensichtlich als persönlicher Triumph nach den zwei kräftezehrenden und mit dem Vorwurf des Wahlbetruges verbundenen Wahlgängen gefeiert, wurde überschattet von gewalttätigen Ausschreitungen. Bereits tags zuvor fand ein vom ehemaligen Präsidentschaftskandidaten Alejandro Toledo über Wochen hinweg geplanter und angekündigter Protestmarsch der Opposition statt.

Dieser insgesamt friedlichen Veranstaltung folgte am 28. Juli die von allen Peruanern prophezeite und erwartete Eskalation der Gewalt. Was als kritisches Signal gegen den "Fujimorismo" geplant war und die für Toledo nur enttäuschend geringe Zahl von etwa 100.000 Demonstranten in Lima mobilisiert hatte, endete mit einer blutigen Bilanz: Jugendliche Randalierer, die laut Beobachtern mehrheitlich dem linksradikalen Parteienspektrum zuzurechnen sind, begannen, Feuer an öffentlichen Gebäuden im Stadtzentrum von Lima zu legen.

Erst nachdem der Justizpalast, die "Banco de la Nacíon", die Nationale Wahlbehörde und das ehemalige Erziehungsminsterium brannten, schritt die Polizei mit Tränengas und Wasserwerfern ein. Sechs Menschen wurden Opfer der Flammen, über achtzig wurden zum Teil schwer verletzt, da die Feuerwehr massiv durch die Randalierer an der Bekämpfung der Brände gehindert wurde. Die vielfach diskutierte Frage, wie es zu dieser Eskalation kommen konnte und wer die Verantwortung hierfür trägt, kann letztendlich nicht eindeutig beantwortet werden.

Diese Geschehnisse diskreditieren nicht nur die ohnehin angeschlagene internationale Reputation Perus. Vielmehr dürfte Alejandro Toledo nach diesen Geschehnissen kaum noch politische Perspektiven als Oppositionsführer haben, denn er wird als ethisch und politisch verantwortliche Instanz für den "Marcha de los cuatro suyos" genannten Protestmarsch betracht, der der offenen Gewalt voranging.

Auch wenn sich Toledo sofort von den Ereignissen distanzierte und im Vorfeld die öffentlichkeitswirksame Unterstützung des ehemaligen argentinischen Staatspräsidenten Alfonsíns erhalten hatte, ist seine Aussicht, tatsächlich sein geplantes "Schattenkabinett" als demokratischen Gegenentwurf zu Fujimoris Kabinett aufstellen zu können, jetzt erst recht marginal.

Überraschungscoup Salas: Integration der "moderaten Opposition"

Die politische Chancen- und Ideenlosigkeit Toledos und mit ihm der gesamten peruanischen Opposition demonstrierte Fujimori schon am 26. Juli mit einem strategischen Überraschungscoup par excellence. Ihm war gelungen, was politische Gegner stets für utopisch gehalten hatten: Im Rahmen einer Pressekonferenz präsentierte Fujimori der erstaunten Öffentlichkeit seinen ehemaligen scharfen Herausforderer um die Präsidentschaft, den Bürgermeister der Andenstadt Huancavelica, Federico Salas, als neuen Vorsitzenden des Ministerrates und Erziehungsminister.

Fujimori erklärte: "Wir wollen eine Regierung in der Periode 2000-2005, die weniger auf Cliquenwirtschaft ("menos partidario") basiert" und bezeichnete seinen Schachzug "als die Integration der moderaten, nicht-radikalen Opposition in die Regierung".

Diese Begründung für die Ernennung Salas` entzweite sogar die eloquenten Protagonisten der Opposition in ihren Reaktionen auf Salas Kooperation mit dem "Oficialismo": Während der Kopf der christdemokratischen PPC, Flores-Aráoz, von einem Versuch der Regierung sprach, "Oppositionspolitiker mit Machtposten zu ködern", wertete Humberto Martínez Morosini, Repräsentant von Salas politischer Gruppierung "Avancemos"("Vorwärts"), diesen Schritt als mögliche "Öffnung im Blick auf eine andere Form der Regierung in den nächsten Jahren."

Salas, kluger und engagierter Kämpfer für die benachteiligten Andenregionen, (die Provinz Huancavelica gilt als eine der ärmsten Regionen Perus überhaupt), erklärte, daß er sich für den Kampf gegen die Armut und für verstärkte Dezentralisierungsanstrengungen einsetzen wolle. Inwieweit Salas hierbei auf die Unterstützung aus dem Kreis seiner Ministerkollegen rechnen kann, bleibt dahingestellt. Die Tatsache jedoch, daß so gut wie alle neu ernannten Minister treue Gefolgsleute Fujimoris sind, dürfte die Position Salas´ als konstruktiv-kritischen Impulsgeber nicht erleichtern.

Stimmenmehrheit für die Regierungsbewegung "Perú 2000" durch Überlaufer provoziert Tumulte bei der Einsetzung des neuen Parlaments

Fujimoris Vereidigung, den Gewaltszenen vom 28. Juli und der Ernennung Salas waren turbulente Tage im Kongreß vorausgegangen. Denn bis zum 24. Juli, dem Tag der Vereidigung der Parlamentarier, bestand Unklarheit über die tatsächlichen Machtverhältnisse im Kongreß und damit über die Wahl des Kongreßpräsidenten.

Am Morgen des 24. Juli zählte das Fujimori-Regierungsbündnis "Perú 2000" bereits 58 Abgeordnete (obwohl es in den Wahlen vom 9 April nur 52 Sitze erhalten hatte!), die Opposition 56 und die neue Gruppierung Unabhängigen sechs, ein Stimmenverhältnis, bei dem weder Regierung noch Opposition die absolute Mehrheit hätte erreichen können.

Diese Situation änderte sich, als die Gruppe der Unabhängigen unter ihrem Führer Fernando Olivera signalisierte, daß sie keinen Kandidaten für das Amt des Kongreßpräsidenten benennen würden. Damit waren den Spekulationen über die Kongreßmehrheit Tür und Tor vollends geöffnet.

Die politische Anspannung kulminierte, als am 24. Juli die Parlamentarier anläßlich ihrer Vereidigung "Farbe" bekennen mußten und zur Empörung der Opposition die Zahl der offenen politischen Überläufer so groß war, daß die Regierungsbewegung 64 Sitze erhielt (zwölf Überläufer, die einem Plus für "Perú 2000" um zehn Prozent von ursprünglich 43,3 Prozent der Wählerstimmen auf 53,3 Prozent der Abgeordnetensitze entsprechen). Die Oppositionspolitiker äußerten ihren Unmut über die "käuflichen" Parlamentarier, indem sie diese mit Geldmünzen und Papierkugeln bewarfen und sie bei der Ableistung ihres Amtseides verbal attackierten.

Die Wahlen zur Kongreßpräsidentschaft hinterließen dann eine vollends schockierte und desillusionierte Opposition: Die alte und neue Präsidentin des Kongresses, Dr. Martha Hildebrandt, erhielt zusammen mit ihren drei Stellvertreterinnen 70 Stimmen, für den Oppositionsvorschlag stimmten 40 Abgeordnete. Dieses Stimmenverhältnis zwischen Regierung und Opposition stellte zwar den Ausgang der Kongreßwahlen vom 9. April und damit den Wählerwillen endgültig auf den Kopf, überraschte aber niemanden ernsthaft in Peru.

Es bleibt nun abzuwarten, wie ernst es der Regierung wirklich mit den versprochenen demokratischen Reformen ist. Fest steht, daß die OAS Mitte August ein eigenes "Demokratisierungssekretariat" in Lima eröffnen will. Leiter dieser "Hohen Mission der OAS" wird der ehemalige Außenminister der Dominikanischen Republik, Eduardo Latorre, sein, der bereits Mitte Juli zu einem Sondierungsbesuch nach Lima gereist war.

Die OAS erarbeitete einen umfangreichen Demokratisierungskatalog, der Maßnahmen von der Reform der Administration über die Verbesserung der Menschenrechtslage, der demokratischen Kontrolle von Militär und Geheimdienst bis hin zu konkreten Vorschlägen zur Förderung der demokratoischen Institutionen umfaßt.

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Sebastian Grundberger

Sebastian Grundberger

Head of the Regional Programme Party Support and Democracy in Latin America and the Uruguay Office

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