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„Die Nacht des Nationalismus“

kohta Michael Däumer

Unklare Mehrheitsverhältnisse nach den Regionalwahlen in Katalonien am 16. November 2003

Überraschend hat am 16. November 2003 die Partei des seit 1980 regierenden Jordi Pujol (CiU) die Wahlen in Katalonien zum siebten Mal in Folge gewonnen. Allerdings ist dies ein Sieg in die politische Ungewissheit. Denn die Katalanen haben sich gegen klare Mehrheiten entschieden.

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Auch wenn die Linksparteien mit 74 (von insgesamt 135) Sitzen über eine deutliche Mehrheit verfügen, so spielt in Katalonien über die traditionelle politische Aufteilung zwischen Links und Rechts hinaus der nationalistische Faktor eine entscheidende Rolle. Die links-nationalistische Esquerra Republícana (ERC) „hält den Schlüssel in der Hand“, kommentierten durchweg alle spanischen Tageszeitungen den Ausgang der Wahlen in Katalonien. Denn ohne die ERC kann keine stabile Regierung gebildet werden. Als stärkste Fraktion hat nun die CiU, der katalanischen Verfassung zufolge, das Vorrecht auf die Aufnahme von Koalitionsverhandlungen. Es wird mit schwierigen Verhandlungen gerechnet werden, an deren Schluss die Zukunft zahlreicher politischer Karrieren entschieden sein wird.

Ende des „Pujolismus“

Der Nationalismus in Katalonien hat mit dem Ableben Francos im Jahre 1975 neuen Auftrieb erhalten. Ausdruck des katalanischen Nationalismus war jahrzehntelang Jordi Pujol, dessen moderater Nationalismus („Pujolismus“) den Katalanen das Recht auf ihre eigene Sprache und Kultur wiederbrachte. Seine Popularität und sein Charisma verschaffte dem deutschsprachigen Pujol über viele Jahre hinweg absolute Mehrheiten im Regionalparlament. 23 Jahre lang konnte er die Geschicke Kataloniens weitgehend bestimmen und hat seine Region auch über die spanischen Grenzen bekannt und beliebt gemacht. Der gemäßigte Pujol, der stets eine Radikalisierung des Nationalismus abgelehnt hat, konnte jedoch in den vergangenen Jahren das Eindringen radikal-nationalistischer Tendenzen nicht verhindern. Letztlich führten diese Tendenzen zu einer Polarisierung auch innerhalb der katalanischen Gesellschaft.

Die Convergencia i Unió (CiU), ein Parteienbündnis der liberal orientierten Bewegung Convergencia und der katalanischen Christdemokraten (UDC), verlor stetig an Zustimmung und büßte 1995 seine absolute Mehrheit ein. Seitdem wurde sie von dem als „lange Hand Madrids“ angesehenen Partido Popular (PP) im Regionalparlament geduldet. Der Verlust von 7 Prozentpunkten in der diesjährigen Wahl wird allgemein als Abstrafung für das „unnatürliche“ Bündnis zwischen der nationalistischen CiU und dem zentralistischen PP gedeutet. Langjährige CiU-Wähler wechselten zu der links-nationalistischen ERC über. Die CiU konnte daher nur noch 30,93 Prozent der Stimmen und damit 46 Sitze (1999: 56) im neuen Regionalparlament in Barcelona erringen.

Dennoch fühlte sich die CiU als der große Sieger am Wahlabend. Allen Umfragen zum Trotz konnte sie überraschend mehr Sitze im Regionalparlament gewinnen als die Sozialisten (PSC). In der Euphorie der Wahlnacht verkündete der scheidende Jordi Pujol, er könne „jetzt beruhigt in die Rente gehen“, denn sein Nachfolger, der 47-jährige Artur Mas, habe diese schwierige Wahl bestanden und all jene Lügen gestraft, die Mas als „dummen Jungen“ bezeichnet hätten.

In einer ersten Reaktion liess Mas angesichts des Wahlsieges der ERC verlauten, er nehme diesen Sieg mit „Bescheidenheit“ an. Er sprach von einem Sieg für „ganz Katalonien“ und verband damit die Hoffnung, dass „aus diesen Resultaten eine solide nationalistische Mehrheit im Parlament hervorgeht, die ich zu leiten hoffe.“ Für die CiU bedeutet ein Bündnis mit den Linksnationalisten die einzige Möglichkeit zur Regierungsbildung. Die Euphorie der CiU in der Wahlnacht ist zwischenzeitlich der Ernüchterung gewichen. Bisher stieß das Angebot der CiU bei der ERC auf taube Ohren. Die CiU sieht schwierigen Verhandlungen entgegen, denn ob das verbindende Element, der Nationalismus, die Differenzen in den politischen Einstellungen überwinden kann, steht derzeit noch in den Sternen. Die ERC hingegen wird sich eher einer Taktik des Hinhaltens bedienen, um möglichst viel Profit bei den Verhandlungen herauszuschlagen.

Die Wende ohne Maragall?

Kurz nach Schließung der Wahllokale um 20 Uhr sah sich der sozialistische Spitzenkandidat und ehemalige Oberbürgermeister von Barcelona, Pasqual Maragall (PSC), als sicherer Sieger der Wahl. Nach ersten Hochrechnungen lagen die Sozialisten weit vor der CiU. Maragall verkündete daraufhin den Sieg der Linksparteien. Die Wende sei endlich vollzogen, sagte Maragall. Wenn auch die Mehrheit der Linksparteien bis zur endgültigen Auszählung bestehen blieb, so schmolzen jedoch stündlich die Zahlen für die PSC dahin. Zum Schluss hatte die PSC vier Sitze im Parlament weniger als die CiU. Insgesamt konnte die PSC mit 31,17 Prozent der Stimmen nur noch 42 Sitze (1999: 52) im Regionalparlament erringen. Die Enttäuschung Maragalls, die ihm deutlich anzusehen war, verstärkte sich im Laufe der Wahlnacht, als die ERC nicht auf sein Angebot einging, eine „Koalition der Linken“ zu bilden. Maragall betonte in allen Interviews am Abend, dass „das Volk eine klare Mehrheit gewählt hat, einen Mehrheitswechsel und einen Regierungswechsel.“ „Die Linken“, so Maragall, „haben 74 Sitze und die Rechten 61.“ Die Angebote Maragalls stießen die ganze Nacht über auf taube Ohren.

Maragall hat den großen Wahlsieg von vor vier Jahren, als seine Partei von 24,8 auf 37,8 Prozent sprang, nicht wiederholen können. Der Verlust von nahezu 7 Prozentpunkten ist zum einen eine Kurskorrektur, zum anderen auch ein Misserfolg Maragalls, der die Wählerinnen und Wähler nicht hinreichend davon überzeugen konnte, dass seine Partei den nationalistischen Ansprüchen der Katalanen gerecht wird. Als regionaler Arm des zentralistisch orientierten PSOE in Madrid leidet die PSC unter Glaubwürdigkeitsproblemen, die Maragall mit seiner Kampagne „Nach Pujol, Katalonien“ nicht ausgleichen konnte. Darüber hinaus sind auch Wähler zur CiU und zum PP übergewechselt, die von der positiven wirtschaftlichen Entwicklung der vergangenen Jahre profitiert haben. Traditionelle Wähler der Sozialisten kehren zunehmend der PSC den Rücken.

Die Wende zu den Linksparteien ist zwar erfolgt, aber ob diese Wende die eigentliche Wende darstellt, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt bezweifelt werden. Denn die nationalistischen Signale, die die Wählerinnen und Wähler in Katalonien ausgesetzt haben, sind nicht übersehbar. Für Maragall, der den Wechsel lautstark propagiert hat, könnte ein „Bündnis der Nationalisten“ das Ende seiner politischen Karriere werden. Er wäre damit sicherlich das Opfer seiner eigenen Propaganda.

Die „nationalistische Nacht“

Unter der Überschrift „Die nationalistische Nacht“ kommentierte die spanische Tageszeitung „El País“ das Ergebnis der Wahl. Die Wählerinnen und Wähler in Katalonien haben die links-nationalistische ERC und damit den katalanischen Nationalismus zum eigentlichen Wahlsieger auserkoren. Die Esquerra Republícana konnte ihr Wahlergebnis von 9,6 Prozent im Jahre 1999 auf 16,47 Prozent steigern und verfügt damit über 23 Sitze im Regionalparlament (1999: 12). Die Linksnationalisten haben einen klaren nationalistischen Wahlkampf geführt und damit die Katalanen davon überzeugt, dass sie – nach den Jahren des ungeliebten CiU-Bündnisses mit dem PP – die einzig wahre nationalistische Partei Kataloniens ist. In einer ersten Reaktion erklärte der Vorsitzende der ERC, Josep Lluís Carod, das „Zweiparteiensystem“ in Katalonien für tot.

Die ERC ist in den vergangenen Jahren durch radikal nationalistische Parolen aufgefallen. Das Ziel der Unabhängigkeit vom spanischen Zentralstaat gehört zum programmatischen Bestandteil der Politik der ERC. Allerdings hat sie – im Gegensatz zu der nationalistischen Baskenpartei PNV – bisher keinen Plan für den Ausstieg aus dem spanischen Nationalstaat vorgelegt. Als Vorbild eines unabhängigen Kataloniens dient Luxemburg, verkündete Carod in einem Interview in „El Mundo“ am Tag nach der Wahl. Luxemburg sei wesentlich kleiner als Katalonien, habe jedoch seine eigene Staatlichkeit und sei gleichberechtigter Partner in der Europäischen Union, betonte Carod. Er sähe keinen Grund, warum dies nicht auch auf Katalonien, das eine eigene Sprache und Kultur und ein eigenes Volk besitze, zutreffen könne.

CiU und PSC buhlen gleichzeitig um die Gunst der ERC, die bisher nicht auf die Vorschläge der beiden Parteien eingegangen ist. Die ERC hat - sicherlich aus taktischen Gründen, um sich alle Optionen offen zu halten - ein Bündnis aller im Parlament vertretenen Fraktionen außer PP vorgeschlagen. Eine Regierung der „nationalen Konzentration“ gegen den Madrider Zentralismus und den PP soll sich laut Carod etablieren. Damit will die ERC nicht zuletzt erreichen, dass sich die rivalisierenden Parteien CiU und PSC in ihren politischen Zugeständnissen gegenseitig überbieten. Die Schlüsselrolle, die die ERC derzeit einnimmt, führte bereits dazu, dass die CiU der ERC den Posten des mächtigen Parlamentspräsidenten angeboten hat, der das verfassungsgemäße Recht hat, den Regionalpräsidenten vorzuschlagen.

Die „Populares“ profitieren vom neuen Wohlstand der „spanischen Einwanderer“

„Der Partido Popular hat seine Hausaufgaben gemacht und sich als politische Kraft der Stabilität, der Mitte und der Mäßigung (in Katalonien) etabliert“, kommentierte der Spitzenkandidat des PP, Josep Piqué, die Ergebnisse des PP. Mit 11,9 Prozent der Stimmen gewann der PP im Vergleich zu 1999 insgesamt 2,4 Prozent hinzu und konnte damit sein zweitbestes Ergebnis seit 1980 einfahren. Der PP wird künftig mit 15 Sitzen (1999: 12) im Regionalparlament vertreten sein.

Der gebürtige Katalane Piqué, der bis zu seiner Nominierung zum Spitzenkandidaten des PP in Katalonien Minister im Kabinett von Aznar war, zeigte sich nicht überrascht vom nationalistischen Votum der Wählerinnen und Wähler. Vielmehr wiederholte er seine Vorwürfe gegenüber der CiU und der PSC, die zwei Parteien hätten durch ihren Wahlkampf den nationalistischen Kräften Auftrieb gegeben. Sie seien schuld an der „Radikalisierung“ Kataloniens und hätten – wie die schlechten Wahlergebnisse zeigten - die Quittung hierfür erhalten.

Der bescheidene Wahlerfolg der „Populares“ hängt weniger mit der Person Piqués zusammen, als vielmehr mit den Rahmenbedingungen in Katalonien. Zum einen ist der Wahlkampf nationalistisch „angeheizt“ worden, der den PP als „Madrider Zentralpartei“ in den Mittelpunkt der Kritik rücken ließ. Vor der Wahl antworteten 60 Prozent auf die Frage, ob sie jemals dem PP ihre Stimme geben würden, mit einem vehementen „Nein“. Die polarisierte Stimmung innerhalb der katalanischen Gesellschaft führte unweigerlich dazu, dass sich die Wählerinnen und Wähler, die nicht aus Katalonien stammen – sogenannte „spanische Einwanderer“ -, nur noch vom PP vertreten fühlten.

Auf der anderen Seite haben zahlreiche PSC-Stammwähler ihrer Partei den Rücken gekehrt. Dies beweisen nicht zuletzt die Ergebnisse in Barcelona, wo der PP die drei hinzu gewonnenen Parlamentssitze erringen konnte. In den vergangenen Jahren ist insbesondere in Barcelona der Wohlstand eingezogen. Mit einer modernisierten Infrastruktur und einer „High-Tech“-Service-Industrie sind neue und gut bezahlte Arbeitsplätze geschaffen worden, die vielfach von „spanischen Einwanderern“ besetzt wurden. Barcelona gilt heute als moderne, fortschrittliche Universitätsstadt mit guten Ausbildungs- und Arbeitsmöglichkeiten. Mit der Zunahme des Wohlstands hat gleichzeitig die Identifikation mit den Sozialisten abgenommen.

Der Wahlerfolg des PP in Katalonien besitzt derzeit mehr symbolischen Wert als politische Kraft. Denn der PP verliert seine bisherige Rolle als Mehrheitsbeschaffer für den CiU. In den vergangenen acht Jahren hatte der PP diese Rolle gespielt, jedoch mit dem Verlust der CiU von 10 Sitzen im Regionalparlament ist eine weitere Zusammenarbeit zwischen CiU und PP, die zusammen nur noch über 57 Sitze verfügen, nicht mehr möglich. Darüber hinaus hatte der zwischen PP und CiU kontrovers geführte Wahlkampf bereits die Grundlage für eine weitere Zusammenarbeit zerstört. Eigentlicher Sieger der PP-Wahlergebnisse ist Mariano Rajoy, der für sich in Anspruch nehmen kann, seit seiner Nominierung zum Nachfolger von José Maria Aznar keine Regionalwahl verloren zu haben. Der Zugewinn für den PP in Katalonien um 30 Prozent kann Rajoy als Erfolg für sich auf dem Weg ins Ministerpräsidentenamt im März 2004 verbuchen.

Welche politischen Konstellationen sind denkbar?

  1. „Bündnis der Nationalisten“: Laut Umfragen bevorzugen 60 Prozent der ERC-Mitglieder ein "nationalistisches Bündnis" zwischen CiU und ERC. Dabei tritt die Linksorientierung der Partei eher in den Hintergrund. Diese Option scheint derzeit rein rechnerisch machbar, denn CiU und ERC verfügen zusammen über 69 Sitzen im Regionalparlament. Eine solche Koalition mit sich widersprechenden politischen Einstellungen birgt aber die Gefahr, dass im Laufe der Zeit Links- und Mitte-Rechts-Positionen aufeinander prallen. Ein Koalitionskrach wäre eine logische Folge.

    Ein weiteres Problem ist, dass die radikal-nationalistischen Töne der ERC an Gewicht gewinnen können, insbesondere was das Verhältnis zum PP und Madrid angeht. Die ERC hat schon angedeutet, dass sie im Falle einer Koalition mit der CiU Kontakte zwischen CiU und PP unterbinden will. Das wiederum bedeutet, dass bei der Nationalwahl im März 2004 die CiU, falls der PP die absolute Mehrheit verfehlt, nicht mehr als potentieller Koalitionspartner in Frage kommt.

    Einigen Spekulationen zufolge soll dem UDC-Vorsitzenden Josep Antoni Duran i Lleida ein Ministeramt unter Mariano Rajoy vom PP angetragen werden. Duran i Lleida, dem solche Ambitionen nachgesagt werden, gilt als UDC-Spitzenkandidat für die Nationalwahl im März. Auch hier könnte sich der Koalitionskrach recht früh einstellen. Ergo: Selbst wenn die Koalition gebildet wird, so kann sie nur von kurzer Dauer sein, denn die Unterschiede zwischen den beiden Parteien sind zu groß, und die Wahrscheinlichkeit, dass sich diese Regierung politisch und wirtschaftlich in Spanien isoliert, ist sehr hoch.

  2. Bildung eines Linksbündnisses: Rein rechnerisch ist auch dies eine Option, denn von den erforderlichen 68 Sitzen für die Parlamentsmehrheit hätten die Linksparteien PSC, ERC und ICV immerhin eine satte Mehrheit von 74 Sitzen. Maragall hat bereits vor der Wahl diese Lösung angestrebt, stand aber unter Druck seitens der Bundespartei PSOE unter José Luis Zapatero, der jegliche Zusammenarbeit mit der ERC ablehnte, da die Partei aus seiner Sicht eine Unabhängigkeit Kataloniens von Spanien anstrebt. Würden die katalanischen Sozialisten mit der nationalistischen Esquerra koalieren, so würden sich die Wahlaussichten für die PSOE im kommenden Jahr erheblich verschlechtern.

    Die Argumente gegen ein Linksbündnis bestehen nac h wie vor. Dennoch hat Maragall, dessen Versagen bei den Regionalwahlen von den Sozialisten in Madrid hinter vorgehaltener Hand eingestanden wurde, trotz aller Bedenken die Bundespartei in einer fünf Tage nach der Wahl kurzfristig einberufenen Sitzung des Bundesausschusses dazu gewinnen können, ihm eine freie Hand zur Bildung einer „katalanischen und fortschrittlichen Regierung“ in Katalonien zu geben.

    Einige aus der sozialistischen Führungsebene haben ihre Einwände hervorgebracht, mussten jedoch der Mehrheit weichen, insbesondere nachdem Maragall einen „Treueschwur“ auf die Einheit Spaniens leisten musste. „Weder Spanien noch Katalonien“, konterte Maragall die Bemerkung von Carod, „sind Luxemburg“.

    Auch wenn die Bundespartei mehr oder weniger ein Linksbündnis unterstützt, so ist klar, dass wenn es Maragall nicht gelingt, ein solches Bündnis zu schmieden, sein politisches Schicksal damit endgültig besiegelt ist. Er könnte der wirkliche Verlierer der Wahl sein. Schafft er dennoch die Bildung eines Linksbündnisses, dann wird der Preis eines solchen Bündnisses sehr hoch sein und für die Bundespartei ein potentielles Risiko in den März-Wahlen von 2004.

  3. „Koalition der Konzentration“ aller nationalistischen Kräfte: Ein Bündnis aller Fraktionen außer PP hat die ERC am Wahlabend noch vorgeschlagen. Sie hat kaum eine Chance, zustande zu kommen, denn sowohl die CiU als auch die PSC lehnen gegenseitig eine Koalition miteinander ab, zumal die PSC mit dem Wahlmotto des Wechsels in den Wahlkampf gegangen ist. Es wäre auch das politische Ende von Maragall. Die ERC verfolgt mit diesem Vorschlag nur ein taktisches Manöver, zum einen, um seinen Wert in den bevorstehenden Koalitionsverhandlungen zu steigern, und zum anderen, um gegenüber Madrid zu demonstrieren, dass die PP-Regierung in Katalonien unerwünscht ist. Da weder CiU noch PSC an einem "Abbruch" der Beziehungen zur Madrider Zentralregierung interessiert sind und sein können, ist ein solches Bündnis von vornherein als gescheitert anzusehen.

  4. Eine letzte Möglichkeit, die realistisch wäre, ist eine Minderheitsregierung der CiU. Wie in der vergangenen Legislaturperiode wurde die CiU, die über keine absolute Mehrheit verfügte, von dem PP toleriert. Die Pujol-Regierung war zwar über die letzten Jahre durch die Stimmen des PP mehrheits- und handlungsfähig, aber die als "Koalition" angesehene Duldung durch den PP wurde seitens der Wähler abgestraft. Hieraus ergeben sich auch die teils herben Verluste der CiU insbesondere in den ländlichen Regionen um Barcelona (Girona, Lleida und Tarragona).

    Die CiU sieht aber nun eine Chance, dass die ERC eine CiU-Minderheitsregierung eventuell tolerieren würde. Dennoch würde die CiU stets unter dem politischen Druck der ERC stehen, denn sie kann nach Gutdünken ihre Stimmen im Parlament verweigern, insbesondere dann, wenn der PP auch die Regierung unterstützt. Stimmt der PP mit, so würde sich dann die ERC verweigern. Die ERC kann - im Gegensatz zum PP in der letzten Legislaturperiode - immer mit dem "Bruch" der Duldung drohen und für wechselnden Mehrheiten im Parlament sorgen. Diese Möglichkeit hatte der PP aufgrund seiner politischen Nähe zur CiU seinerzeit nicht.

    Mariano Rajoy, der PP-Spitzenkandidat für die nationalen Wahlen im März 2004, hat nun vorgeschlagen, dass eine von Artur Mas zu bildende Regierung von PSC und PP gleichsam unterstützt wird, um eine „radikale Koalition des Nationalismus“ zu verhindern. Ministerpräsident José Maria Aznar bezeichnete die Bildung einer CiU/ERC-Koalition als „politisches Abenteuer“ und betonte, dass die Verhandlungen zur Bildung einer neuen Regierung unter dem Vorzeichen der „Stabilität“ stehen müssten. Im Klartext heißt dies, dass aus der Sicht Aznars jegliche nationalistische Regierung Spanien politisch zu destabilisieren droht.

Fazit

Wie auch immer die katalanische Regierung gebildet wird, sie sieht schwierigen Zeiten entgegen. Den Bruch mit Madrid kann sie sich politisch und wirtschaftlich nicht leisten. Geht die CiU in die Opposition, so droht die Convergencia auseinanderzufallen. Zwar hat Pujol in weiser Voraussicht den Vorsitz über die Convergencia bis November 2004 behalten, ob er jedoch die Spaltungsversuche innerhalb der Bewegung Convergencia verhindern kann, sei gegenwärtig dahingestellt. Artur Mas wäre in der Opposition politisch tot und müsste wahrscheinlich abtreten. Pujol, der eigentlich "beruhigt in die Rente gehen" wollte, müsste abermals in die Pflicht genommen werden, um die Partei zusammenzuhalten und nach einem geeigneten Nachfolger suchen. Ob der UDC-Vorsitzende Duran i Lleida, der auch schon in die Jahre gekommen ist, der Richtige wäre, mag hier bezweifelt werden. Da er politisch moderat ist und über ein gewisses Charisma verfügt, könnte er diese Rolle übernehmen, jedoch nur als Übergangsvorsitzender. Eindeutig ist, dass die CiU, falls sie in die Opposition geht, neu aufgebaut werden muss, mit neuen Persönlichkeiten und neuen Programmen. Der "Pujolismus" jedenfalls geht zu Ende.

Ebenso muss Maragall, dessen politischer Traum, endlich Regionalpräsident in Katalonien zu werden, noch am Wahlabend in Erfüllung zu gehen schien, mit seinem politischen Ende rechnen. Selbst wenn es ihm gelingen sollte, ein Linksbündnis zu etablieren, würde er stets unter dem Druck der Bundespartei stehen, falls die ERC ihre nationalistischen Tendenzen weiter auszubauen versucht. PSOE-Vorsitzender Zapatero benötigt jetzt einen Erfolg. Die Ablösung der CiU-Regierung nach 23 Jahren könnte die Stimmung für die Sozialisten positiv beeinflussen. Dennoch: eine Koalition mit den Nationalisten in Katalonien birgt zahlreiche Risiken. Seine Chancen, bei den spanischen Nationalwahlen im März kommenden Jahres zu gewinnen, könnten damit zunichte gemacht werden.

Die nationalistische Esquerra hält derzeit noch alle Trümpfe in der Hand, denn zur Bildung einer Koalition steht einzig und allein nur sie zur Verfügung. Der ERC-Vorsitzende Carod will hoch pokern, läuft aber Gefahr, dass er am Ende alles verspielt. Eine von der PSC tolerierten Minderheitsregierung unter Artur Mas könnte den Nationalisten Carod zunächst ausschließen.

Bleibt die ERC Oppositionspartei, ist jedoch damit zu rechnen, dass sie über die kommenden Jahre weiterhin erstarkt und damit den radikalen Nationalismus zum Sieg in vier Jahren führt. Die Zentralregierung ist in der nächsten Legislaturperiode gefordert, die lang anstehenden Reformen des Föderalismus (u.a. auch die Stärkung des Senats) in Angriff zu nehmen, um radikalen Autonomieforderungen entgegenzutreten. Zögert die Madrider Zentralregierung weiter, kann es zu spät sein. Die nationalistischen Entwicklungen im Baskenland sowie in Katalonien sind deutliche Anzeichen dafür, dass die Regierung in Madrid handeln muss.

Die Aufnahme von Verhandlungen beginnt am 24. November 2003. Laut Verfassung muss sich das Parlament innerhalb von 20 Tagen nach der Wahl konstituieren. Spätestens 10 Tage danach muss der Kandidat für das Amt des Regionalpräsidenten feststehen.

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