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„Kabale und Liebe“ im ärmsten Bundesstaat Brasiliens

kohta Dr. Klaus Hermanns
Politisches Machtgerangel angereichert durch persönliche Animositäten zwischen dem Gouverneur José Reinaldo Tavares sowie seiner Ehefrau Alexandra Tavares einerseits und der einflussreichen Familie des ehemaligen Präsidenten Sarney lähmt derzeit die Politik in Maranhão, dem ärmsten Bundesstaat Brasiliens.

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Der Anlass

Der Bundesstaat Maranhão im Nordosten Brasiliens bietet derzeit eine interessante politische Bühne, auf der ein heftiger Streit zwischen dem amtierenden Gouverneur José Reinaldo Tavares und seiner Ehefrau Alexandra Tavares einerseits und der politisch einflussreichen Familie Sarney mit der Ex-Gouverneurin Roseana Sarney an ihrer Spitze anderseits ausgetragen wird. Die Auseinandersetzung wirft auch ein Schlaglicht auf die Instrumentalisierung der Medien im Nordosten Brasiliens. Vor vier Monaten stellte der Gouverneur die Werbung der Landesregierung in den Medien ein, die sich im Besitz der Familie Sarney befinden. Das spartenübergreifende Medienkonglomerat, das auch in der Auseinandersetzung schlicht „das System“ genannt wird, umfasst den Fernsehsender TV Mirante, der mit dem brasilianischen Medienriesen Rede Globo verbunden ist, die Tageszeitung O Estado do Maranhão sowie 18 Radiostationen vorwiegend im Landesinnern. Die Wochenzeitschrift ÉPOCA rechnet in einem Bericht vom 9. August 2004 hierdurch mit einem empfindlichen Verlust von Werbeeinnahmen in der Höhe von 400 bis 700 Millionen Reais (aktuell zirka 110 bis 190 Millionen Euro), was einen Anteil von 20 Prozent der Gesamteinnahmen des Systems Mirante ausmachen soll. Die Aussetzung der Werbeaktivitäten, die in die Zeit einer der größten Finanzkrisen des Bundesstaates fällt, löste in der Medienberichterstattung der Familie Sarney unmittelbare Reaktionen aus. Tagespolitische Nachrichten über den Gouverneur werden kaum noch veröffentlicht. Während in anderen Tageszeitungen der Landeshauptstadt São Luís auf der Titelseite das Bild des Gouverneurs José Reinaldo erscheint, wenn dieser sich zu wichtigen Unterredungen mit Bundesministern in Brasília befindet, wird er vom O Estado do Maranhão ausgeblendet. Der O Estado do Maranhão als ein Sprachrohr der Familie Sarney übt sich in seiner Berichterstattung der letzten Monate in heftiger Kritik an der Finanzmisere, dem angeblichen Versagen der aktuellen Landesregierung und seit kurzem an der Firstlady Alexandra Tavares.

Die Akteure

José Sarney (74 Jahre), ehemaliger Gouverneur und Senator des Bundesstaates Maranhão sowie ehemaliger brasilianischer Präsident (1985-1990), aktuell Senator für den benachbarten Bundesstaat Amapá und Präsident des Senats in Brasília, ist Chef des Familienklans. Er spielt in der Partei Partido do Movimento Democrático Brasileiro (PMDB) eine wichtige Rolle, die 2003 auf Bundesebene in die Koalition mit der Arbeiterpartei (PT) des amtierenden Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva eintrat. Seit rund 40 Jahren bestimmt der Sarney-Klan die politischen Geschicke Maranhãos.

Die Tochter Roseana Sarney (51 Jahre) war die Vorgängerin im Gouverneursamt von José Reinaldo Tavares und Anfang 2002 aussichtsreiche Kandidatin für das brasilianische Präsidentenamt, bis sie aufgrund einer Finanzaffäre in der gemeinsamen Firma mit ihrem Ehemann Jorge Murad die Kandiatur aufgeben musste. Für Maranhão ist sie zur Zeit Senatorin und in der konservativen Partei Partido Frente Liberal (PFL) engagiert.

José Sarney Filho (47 Jahre), auch Zequinha Sarney genannt, ist seit 1983 ununterbrochen für Maranhão Abgeordneter im Bundesparlament in Brasília. Von 1999 bis März 2002 war er unter dem Präsidenten Fernando Henrique Cardoso Bundesumweltminister. Er ist Bundesvorsitzender der Partei Partido Verde (PV), der Grünen Brasiliens. Ihm wird Interesse an einer Kandidatur für die Gouverneurswahlen 2006 nachgesagt.

Ein weiterer Sohn, Fernando Sarney, tritt politisch kaum in Erscheinung. Er managt den Medienbesitz der Familie und ist seit dem Jahr 2003 Vizepräsident des brasilianischen Fußballbunds.

Ricardo Murad, Schwager von Roseana Sarney, wird vom Sarney-Klan als Kandidat für den Oberbürgermeisterposten in der Landeshauptstadt São Luís unterstützt. Im April dieses Jahres musste er zwei Monate früher als in der Wahlgesetzgebung vorgeschrieben sein Amt als Regierungspräsident der Metropolenregion von São Luís auf Druck des Gouverneurs José Reinaldo Tavares aufgeben. Ricardo Murad gehört der Partei Partido Socialista Brasileiro (PSB) an. Teresa Murad, Ehefrau von Ricardo Murad, ist für die PSB Abgeordnete im Landesparlament von Maranhão.

José Reinaldo Tavares (65 Jahre), aktuell Gouverneur des Bundesstaates Maranhão, war von 1986 bis 1990 unter Präsident José Sarney Bundesverkehrsminister, von 1990 bis 1994 für die Partei PFL Abgeordneter im Bundesparlament. Von 1994 bis 2002 bekleidete er das Amt des Vizegouverneurs von Maranhão. Seit 12 Jahren ist er in zweiter Ehe mit der 34 Jahre jüngeren Alexandra Tavares liiert. Sie stammt aus Brasília und war zu Beginn der Beziehung Stewardess. Später studierte sie Jura. Ihr Mann gab ihr im aktuellen Kabinett den Posten als außerplanmäßige Ministerin für Menschliche Solidarität.

Die Geschichte

Seit 36 Jahren war José Reinaldo treuer Gefährte des Sarney-Klans und bekleidete in dessen Gunst zahlreiche Vertrauensposten auf Landes- und Bundesebene. Nach der Übernahme eines schwierigen finanziellen Erbes von seiner Vorgängerin Roseana Sarney, kritisiert José Reinaldo Tavares nun massiv ihre Amtsführung. Rund 18 Prozent des Landeshaushalts werden voraussichtlich in diesem Jahr für die Schuldentilgung aufgewandt. Vor allem die Sanierung der Landesbank Banco do Estado do Maranhão (BEM) wird den Schuldenberg zukünftig noch erhöhen. Die Bank wurde Anfang August dieses Jahres für 78 Millionen Reais (aktuell rund 22 Millionen Euro) veräußert. Allerdings muss der Bundesstaat im Jahre 2008 626 Millionen Reais (aktuell rund 174 Millionen Euro) an die Bundesregierung für einen Sanierungskredit aus dem Jahre 1998 zurückzahlen. Da das Tafelsilber in Form von Landesbeteiligungen bereits für die bisherige Sanierung der Landesbank veräußert wurde, fehlt es an finanziellen Alternativen. Die Medien der Familie Sarney kontern vehement und machen die aktuelle Regierung unter José Reinaldo Tavares für die Finanzmisere verantwortlich.

Roseana Sarney werden Ambitionen nachgesagt, im Jahre 2006 wieder für das Gouverneursamt zu kandidieren. In einem Interview mit der Zeitschrift ÉPOCA, das am 9. August 2004 veröffentlicht wurde, sprach sich José Reinaldo Tavares ungewöhnlich scharf gegen eine Kandidatur von Roseana aus und warf ihr vor, den Bruch mit ihm herbeigeführt zu haben. In demselben Interview favorisierte er pikanterweise José Sarney Filho als seinen Nachfolger im Jahre 2006. Bewusst sparte er José Sarney von seiner Kritik aus. In der Ausgabe vom 18. August 2004 berichtet die Wochenzeitschrift VEJA von ersten Anzeichen der Wiederannäherung zwischen den beiden alten Weggefährten. Eine Befriedung mit Roseana scheint derzeit allerdings sehr unwahrscheinlich. Es geht um ihren drohenden Verlust an politischem Einfluss bein Maranhão, nachdem zunehmend ihre Vertrauten aus der Landesregierung entfernt werden. Systematisch werden nun als Gegenreaktion bei der am 3. Oktober 2004 anstehenden Kommunalwahl Kandidaten von der Familie Sarney unterstützt, die nicht mit José Reinaldo sympathisieren. In der Landeshauptstadt hat der Klan Ricardo Murad, Schwager von Roseana, als Oberbürgermeisterkandidaten auf das Schild gehoben, um den sich wieder zur Wahl stellenden, amtierenden Oberbürgermeister Tadeu Palácio (Partido Democrático Trabalhista - PDT) abzulösen. Dieser ist Favorit des Gouverneurs.

Ausgiebig verbreiteten die Medien der Familie Sarney Anfang August die Anschuldigungen der Landtagsabgeordneten Teresa Murad (PSB), Ehefrau und Parteigenossin des Spitzenkandidaten für das Oberbürgermeisteramt von São Luís Ricardo Murad, gegenüber Alexandra Tavares. Sie führte im Parlament aus: „Wer für diese Krise, die die Regierung aktuell durchmacht, Verantwortung trägt, hat einen Namen und eine Adresse. Es ist der Palast der Löwen (Anmerkung: Amtssitz des Gouverneurs und der Firstlady in São Luís) und der Name ist Alexandra Tavares“. Weiterhin warf sie dem Gouverneur vor, in seinen Entscheidungen völlig unter dem Einfluss seiner Ehefrau zu stehen. Wenn man unter der Suchmaske der Internetseite des „O Estado do Maranhão“ nach dem Namen Alexandra Tavares sucht, taucht dieser zuletzt (Suchdatum 20.08.2004) am 4. August 2004 mit der Attacke von Teresa Murad auf. Der nächstfolgende Eintrag ist mit Datum vom 3. März dieses Jahres und handelt von der Vorstellung eines Fortbildungszentrums. Die Phase der Ausblendung scheint nun in eine aktive Angriffsphase überzugehen.

Trotz aller Bemühungen, den Ruf von Alexandra Tavares zu beschädigen, genießt diese vor allem in der ärmeren Bevölkerung der Außenbezirke von São Luís große Sympathie. Sie wird auch als „Alexandra die Große“ tituliert. Ihr Hang zu aufwendigen Festen im Gouverneurspalast, unkonventionelle Aktionen wie der Beteiligung an der ersten Gay-Parade im Bundesstaat am 11. Juli 2004 oder die offene Austragung ihrer Antipathie gegenüber Roseana Sarney machen sie nur noch populärer. Die persönliche Fehde mit Roseana Sarney reicht bis in die Amtszeit ihres Ehemanns als Vizegouverneur zurück, wo die damalige Gouverneurin verhinderte, dass Alexandra die Büroleiterin ihres Mannes wurde. Dies hinderte jedoch Roseana Sarney in ihrer Amtszeit nicht, ihren Ehemann Jorge Murad zum Planungsminister zu machen.

Die Zeitung Jornal Pequeno lancierte unlängst Gerüchte in der Landeshauptstadt, dass die „Sarneyisten“ im Landesparlament ein Absetzungsverfahren gegen den Gouverneur anstrengen wollen. Rechnerisch hätte die Gruppe mit 28 von 42 Abgeordneten die Mehrheit, allerdings fehle eine hinreichende Begründung, die ein Impeachment rechtfertige. Hypothetisch würde nach einer Amtsenthebung der derzeitige Vizegouverneur Jura Filho, engster Vertrauter der Sarneys, nachrücken. Durch die aktuelle Auseinandersetzung rückt wiederum ein seit fast zwei Jahren vor dem Wahlgericht von Maranhão anhängiges Verfahren in das öffentliche Interesse. Am 5. Oktober 2002, dem Wahltag zur letzten Gouverneurs- und Parlamentswahl in Maranhão, wurde Orlando Pantoja, Schwager des Kabinettchefs des damaligen Vizegouverneurs José Reinaldo Tavares in einem Kleinflugzeug am Flughafen von São Luís mit einer Geldsumme von 371.000 Reais in 50- und 100-Reaisscheinen von der Militärpolizei mit dem dringenden Verdacht des Stimmenkaufs festgenommen. Auf den Geldbehältern waren die Namen von Wahlhelfern aus dem Umfeld von José Reinaldo Tavares sowie Roseana und José Sarney gefunden worden. Über die Herkunft des Geldes ist nichts bekannt. Es bleibt allerdings die Frage, wem weitere Enthüllungen in dieser Sache wirklich schaden würden. Politische Kolateralschäden für die Sarneyfamilie wären dabei nicht auszuschließen.

José Sarney scheint derzeit vor allem um Schadensbegrenzung und Erhaltung seines Einflusses auf Bundesebene bemüht zu sein. Sicherlich wird sich das Interesse zukünftig verstärkt auf den Sarney-Klan selbst richten, da der Kampf um das politische Erbe José Sarneys in Maranhão anscheinend bereits begonnen hat. Die aktuelle Lähmung der Landespolitik trägt wenig dazu bei, die prekäre soziale Lage der meisten Menschen im Bundesstaat Maranhão zu verbessern. Der Vorhang der politisch folkloristischen Bühne in Maranhão wird leider für weitere Akte offen bleiben.

Informationen zum Bundesstaat Maranhão

Der Name Maranhão hat indianische Wurzeln und bedeutet „fließendes Meer“. Der Bundesstaat Maranhão befindet sich im Nordosten Brasiliens nahe dem Äquator und umfasst eine Fläche von 333.366 Quadratkilometern. Dies entspricht fast der Größe der Bundesrepublik Deutschland. Der westliche Teil des Bundesstaates wird verwaltungstechnisch noch zu Amazonien gerechnet (Amazônia Legal). In Maranhão leben rund 5,7 Millionen Einwohner, hiervon alleine zirka 870.000 in der Landeshauptstadt São Luís. Der Bundesstaat verfügt über 217 Kommunen. Rund 40 Prozent der Bevölkerung lebt in ländlichen Gemeinden. In der aktuellsten regionalen Erhebung des brasilianischen Bundesstatistikamtes IBGE wird für Maranhão mit 1.796 Reais (zirka 500 Euro bei aktuellem Währungskurs) das geringste Bruttoinlandsprodukt pro Kopf aller brasilianischen Bundesstaaten bescheinigt. Der Bundesstaat São Paulo weist in demselben Vergleichsjahr 2001 mit einem sechs Mal höheren Wert auf. Der von den Vereinten Nationen entwickelte Human Development Index (HDI), der Lebenserwartung, Einkommens- und Bildungsniveau der Bevölkerung wiedergibt, weist für Maranhão aufgrund der Datenbasis des Jahres 2000 mit 0,636 den schlechtesten Wert für Brasilien auf http://www.pnud.org.br. In der staatlichen Vergleichsstatistik würde dies der Länderposition 117/118 zwischen Gabun und Nicaragua entsprechen. Im Jahre 2000 befand sich Brasilien mit einem HDI von 0,757 auf Platz 73 des Länderrankings. Im Jahre 2002 lebten 61,6 Prozent der Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze (Monatseinkommen von 124 Reais) bzw. 30,1 Prozent in völliger Armut (Einkommen unter 62 Reais pro Monat).

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