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Reuters / Gleb Garanich

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Kosovo: Politische und gesellschaftliche Auswirkungen ein Jahr nach Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine

kohta Daniel Braun, Granit J. Tërnava

Die kosovarische Regierung nutzt den geopolitischen Antagonismus im Interesse der eigenen Position gegenüber Serbien

Der Krieg Russlands gegen die Ukraine hat wirtschaftlich direkte Auswirkungen auf das Land, während die Entwicklungen in den Kosovarisch-Serbischen Beziehungen im Kontext des Krieges in der Ukraine gesehen werden. Kosovo ist ohne jeden Zweifel klar an der Seite des Westens und drückt seine Solidari-tät mit der Ukraine aus. Darüber hinaus besteht die Hoffnung, dass das ambivalent agierende Serbien in der Dialogfrage stärker vom Westen unter Druck gesetzt wird und damit eine endgültige Lösung zwi-schen beiden Ländern erreicht werden kann.

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Kosovo ist an der Seite des Westens[1]

Der Ausbruch des Krieges in der Ukraine hat für viele Kosovaren die Bilder Krieges im eigenen Land vor 24 Jahren wieder ins Bewusstsein geholt. Aus humanitären und politischen Gründen war Kosovo von Beginn an auf der Seite der Ukraine, obwohl diese bis heute die Unabhängigkeit Kosovos nicht anerkennt und historisch gute Beziehungen zu Serbien pflegt.

 

Bereits am 3. März 2022 verabschiedete das kosovarische Parlament eine Resolution, „in der die militärische Aggression und Invasion der Russischen Föderation gegen die Ukraine und ihr Volk verurteilt wird.“ Weiter heißt es: „Die Versammlung des Kosovo unterstützt die Verhängung wirtschaftlicher und politischer Sanktionen durch die Regierung der Republik Kosovo gegen die Russische Föderation im Einklang mit den von den Ländern der Europäischen Union, den Vereinigten Staaten von Amerika und allen demokratischen Staaten beschlossenen Maßnahmen.“

Darüber hinaus wurde die Bereitschaft zur Aufnahme von bis zu 5.000 Flüchtlingen aus der Ukraine erklärt.

 

Das Kosovo ist aufgrund der politischen Situation mit dem Nachbarn Serbien, welches man hier als Freund und Verbündeten Russlands betrachtet, in einer klaren Position gegenüber Russland, so dass es kaum denkbar ist, dass unter der albanischen Mehrheitsbevölkerung des Landes Sympathien für Russland und seine Politik geben könnte. Überdies verhindert insbesondere Russland in der UN die Anerkennung des Kosovos. Daher gibt es im Kosovo keine Zweifel an der klar westlichen Ausrichtung. Dennoch sollte nicht übersehen werden, dass die Ungeduld der Kosovaren im 15. Jahr der Unabhängigkeit steigt, endlich den Status eines international voll anerkannten Landes mit der selbstbestimmten Wahl der Mitgliedschaft in bevorzugt westlichen Bündnissen zu erreichen. Die nun für Beginn 2024 vereinbarte Visa-Liberalisierung wird von vielen Menschen eher als überfällig anstatt als große Geste der EU gesehen. Außerdem lässt sich in Umfragen tendenziell ein Vertrauensverlust gegenüber der EU und deren Repräsentanten feststellen. So war in einer im Auftrag der KAS durchgeführten Umfragen der türkische Präsident Erdogan nach US-Präsident Biden der zweitbeliebteste Politiker, während Bundeskanzler Scholz mit einigem Abstand nur an dritter Stelle genannt wurde.

 

Der Konflikt mit Serbien im Kontext des Ukraine-Krieges

Auch wenn insbesondere medial im vergangenem Jahr wiederholt sich zuspitzende Situationen im serbisch-kosovarischen Verhältnis im Zusammenhang des Krieges in der Ukraine dargestellt worden sind, so kann dieser These nur eingeschränkt zugestimmt werden. Zweifellos hat Russland ein Interesse an Destabilisierung in der Region, doch waren die Ursachen für die Zuspitzungen im vergangenem Jahr bereits vor Ausbruch des Krieges angelegt.

 

Der kosovarische Premier Albin Kurti hatte bereits nach seiner Wahl im Jahr 2021 angekündigt, sogenannte „Reziprozitätsmaßnahmen“ anzuwenden, d.h. in Fällen, in denen Serbien aufgrund der Nichtanerkennung des Kosovo, das Land diskriminiert oder behindert (z.B. Ausweisdokumente, Autokennzeichen, etc.) wird Kosovo die gleichen Maßnahmen gegenüber Serbien ergreifen. Darüber hinaus sollte die kosovarische Autorität im Land in allen Landesteilen durchgesetzt werden, d.h. hoheitliche Staatsaufgaben, sollten nur von kosovarischen Behörden ausgeübt werden dürfen, was insbesondere den mehrheitlich von Serben bewohnten nördlichen Teil von Kosovo betrifft. Nach kosovarischer Perzeption ist dies das natürliche Recht eines souveränen Staates, wofür Albin Kurti die große Mehrheit aller Kosovaren über Parteigrenzen hinweg hinter sich weiß.

 

Die beschriebenen Maßnahmen wurden von Albin Kurtis Regierung über das Jahr 2022 in Kraft gesetzt und lösten immer wieder Spannungen aus, die dann von der internationalen Gemeinschaft teilweise gelöst werden konnten. Die aktuell insbesondere in Nord-Kosovo angespannte Situation resultiert aus dem Konflikt, dass die kosovarische Regierung keine in Serbien für das aus serbischer Sicht zu Kosovo gehöhrende zugelassenen Fahrzeuge gestatten wollte und andernfalls mit Strafen bis zur Konfiszierung der Fahrzeuge drohte, wenn keine Ummeldung auf kosovarische Zulassung erfolgt. Die Eskalationen mit Barrikaden und Grenzschließungen nahmen Ende des Jahres 2022 zu und sind momentan etwas beruhigt, allerdings ohne Garantie des nicht neuen Eskalierens.

 

Die serbische Regierung beharrt wiederum darauf, dass der im Brüsseler Abkommen 2013 von Serbien und Kosovo vereinbarte Gemeindezusammenschluss der mehrheitlich von Serben bewohnten Gebiete von der kosovarischen Regierung endlich umgesetzt wird. Ein Hemmschuh bei der Implementierung ist hierbei die Frage nach der Verfassungsmäßigkeit des Gemeindeverbunds. Hier ist es die aktuelle Aufgabe, einen Weg zu finden, kosovarische Verfassung und Ausgestaltung des Gemeindeverbunds übereinzubringen. Die Regierung Albin Kurtis möchte dies aus innenpolitischen Gründen weiterhin nicht angehen, wobei man auch hier konstatieren muss, dass der Premierminister eine sehr große Mehrheit der Kosovaren hinter sich hat. Die Befürchtung Kosovos ist, dass man mit der Gewährung von Autonomierechten an die Serben eine Art kleine Republika Srpska (RS) wie in Bosnien-Herzegowina schaffen würde. Die aktuell diskutierten Entwürfe allerdings geben dieser Befürchtung wenig faktische Basis. So wird in dieser kosovarischen Argumentation außer Acht gelassen, dass die Befugnisse der RS weit über die möglichen Kompetenzen eines Gemeindezusammenschlusses im Kosovo hinausgehen. Zudem gibt es auch den strukturellen Unterschied, dass die betreffenden mehrheitlich serbischen Gemeinden im Kosovo geographisch weit weniger kompakt verortet sind, als das Gebiet der RS in Bosnien und Herzegowina. Ein wie auch immer gearteter Gemeindeverbund wäre demnach juristisch und strukturell deutlich schwächer ausgestaltet als die RS.

 

Indes erhöhen die Sondergesandten von EU und USA Miroslav Lajčák und Gabriel Escobar den Druck auf die kosovarische Regierung, den Gemeindezusammenschluss endlich umzusetzen. Auch der Ende Januar vorgestellte Deutsch-Französische Plan zur Erlangung einer finalen Übereinkunft zu Normalisierung der Beziehungen beiden Länder enthält diese Forderung.

 

Die Annahme, dass der Krieg in der Ukraine den Konflikt im Kosovo direkt befeuert, ist daher so nicht direkt abzuleiten, da die Eskalationen unabhängig davon ihren Ursprung haben. Allerdings muss konstatiert werden, dass auf der kosovarischen Seite die Haltung und Annahme besteht, dass in der Zeit des Ukraine-Krieges das beste Zeitfenster für ein finales Abkommen mit Serbien sein kann. Weil Serbien die Sanktionen gegen Russland nicht mitträgt und weiterhin gute Beziehungen zu Russland hat, erhofft man sich im Kosovo eine bessere Verhandlungsposition, da man von mehr westlichem Druck und weniger Rücksichtnahme auf Serbien ausgeht. Darüber hinaus sieht man Analogien bei der russischen Negierung ukrainischer Staatlichkeit und der serbischen Haltung zum Kosovo. Überdies gibt Kosovo an, dass auch Angehörige der Wagner-Söldnergruppe im Nord-Mitrovica operieren würden, wofür jedoch klare Beweise fehlen. Von Beamten des russischen Außenministeriums wurde Solidarität mit den Kosovo-Serben verkündet, wobei man auch hier klar prüfen müsste, ob dies auch mit materieller Unterstützung einhergeht. Gleichwohl befeuert dies auf kosovarischer Seite die Argumentation, irgendwann eine Republika Srpska, Donbass oder Luhansk auf eigenem Territorium zu haben. Außerdem ist nicht auszuschließen, dass Russland durch Blockade in internationalen Gremien, den Konflikt weiter ungelöst lässt.

 

In diesem Zusammenhang muss auch eine Enttäuschung auf kosovarischer Seite festgestellt werden, dass der westliche Druck auf Serbien nicht wie gewünscht wirkt. Immerhin sieht man sich im kosovarischen Selbstverständnis als prowestliches, antirussisches und demokratisches Gegenbeispiel zu Serbien.

 

Ökonomische Auswirkungen

Die russische Aggression gegen die Ukraine hat auch im Kosovo für schwierige wirtschaftliche Bedingungen gesorgt. Das Kosovo, eines der ärmsten Länder Europas, hat eine dramatische Inflation erlebt. Der Durchschnittslohn liegt bei etwa 400 € in der Privatwirtschaft, im öffentlichen Dienst bei 550 € und in staatlichen Unternehmen bei 680 € netto. Die allgemeine Inflationsrate lag im Jahr 2022 bei 12 %, allerdings stiegen die Preise für Grundnahrungsmittel und Dinge des täglichen Bedarfs um 50%.

 

Im immer noch boomenden Pristina stiegen die Baupreise um 25 % und die Energiepreise befeuern Preissteigerungen in anderen Bereichen und werden überdies kaum Spielräume zur Modernisierung der maroden und umweltschädlichen Kohlekraftwerke lassen. Die kosovarische Regierung stellte 95 Mio. € zur Subventionierung der Energiepreise bereit. 75 Mio. erhielt Kosovo von der EU als Hilfszahlung.

 

Zweifellos sind nahezu alle Europäer von den Preissteigerungen betroffen, doch wird dies im Kosovo mit Hinblick auf die nun Anfang 2024 einsetzende EU-Visaliberalisierung erhebliche Auswirkungen haben: Laut einer Umfrage von Dezember 2022 können sich 55.7 % der Kosovaren vorstellen, für eine besser bezahlte Arbeit auszuwandern. Bei der Gruppe der 18-24-Jährigen sind es sogar 74.1 %. Dies sind keine guten langfristigen Aussichten für das Land.

 

Wichtigste Aufgabe muss sein, ein Abkommen zwischen Kosovo und Serbien zu erreichen, welches Kosovo ohne serbischen Wiederstand gestattet, auch Mitglied internationaler Organisationen zu werden, um als gleichberechtigtes Mitglied der Internationalen Gemeinschaft, die Entwicklung des Landes voranzutreiben.

 

[1] Am 27.02. gaben Kosovo und Serbien unter EU-Vermittlung eine Erklärung zur Normalisierung ab. Aus redaktionellen Gründen ist diese Entwicklung noch nicht Teil dieses Berichts.

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Daniel Braun

Daniel Braun

Leiter des Auslandsbüros Nordmazedonien und Kosovo

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