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Reportage sui paesi

Aufbrechende Gewalt im Kosovo

di Dr. Bernhard Lamers
Mit mehr als 30 Toten und mehreren hundert Verletzten sowie Brandanschlägen auf eine große Zahl von serbisch-orthodoxen Kirchen und Klöstern und Häusern der serbischen Minderheit sind im Kosovo unerwartet schwere Unruhen wider aufgebrochen. Als Gegenreaktion wurden in Serbien Moscheen in Brand gesetzt. Auch kam es zu Angriffen auf UNMIK und UN-Polizei sowie zu antiamerikanischen Demonstrationen.Ausgelöst wurden die Vorfälle, weil drei albanische Kinder angeblich von Serben in den Fluß Ibar getrieben wurden und dort ertranken. Der Fluß Ibar teilt die in einen serbischen und in einen albanischen Teil getrennte Stadt Mitrovica. Die Beteiligung von Serben an dem Unfall ist nicht bestätigt worden. Der gleichzeitige Übergriff auf viele Objekte im Kosovo läßt vermuten, daß es sich um einen willkommenen Anlaß für landesweit geplante Unruhen gehandelt hat.

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Die Unruhen kamen trotz ständiger Gewalt im Kosovo für die internationale Gemeinschaft, die mit KFOR und der UN-Police für die Sicherheit im Kosovo verantwortlich ist, in dieser massiven Form unerwartet. Im Gegenteil: in einer Vielzahl von Gesprächen, die in der Woche vor den Unruhen in Pristina geführt wurden, zeigten sich alle Gesprächspartner (Präsident Rugova, Parlamentspräsident Daci, KFOR-Sprecher Brigadegeneral von Wilcken, der Vertreter des deutschen Verbindungsbüros Rondorf, und der Leiter des EU-Pfeilers Graf Lambsdorff) relativ zufrieden, auch mit der Sicherheitslage im Kosovo. Die Kriminalitätsrate sei im Vergleich zu anderen Regionen nicht höher, Übergriffe seien zurückgegangen, viele serbisch-orthodoxen Kirchen müssten nicht mehr bewacht zu werden, die Übertragung der Sicherheitsaufgaben auf die Polizei verlaufe plangemäß. In den Straßen von Pristina und Gracanica war die KFOR- und Polizei-Präsenz sichtbar reduziert.

Die Ursachen für die aufflammende Gewalt im Kosovo sind ohne Betrachtung der allgemein-politischen Entwicklung nicht nachvollziehbar.

  • Die UN-Resolution 1244 unterwirft das Kosovo einer UN-Verwaltung, die staatsrechtliche Anbindung des Kosovo als Provinz Kosovo und Metohija besteht weiter. Kosovo steht für die territoriale Ebene, Metohija bezeichnet Kirchenbesitz und Klöster der serbisch-orthodoxen Kirche. Nach den Wahlen in Serbien wird verstärkt der Anspruch auf Kosovo und Metohija seitens der serbischen Regierung unterstrichen. Um den Schutz der serbischen Minderheit (ca. 10.000 von ca. 2 Millionen Einwohnern) sicherzustellen, wird vorgeschlagen, das Kosovo in Kantone aufzuteilen. Auch wird ständig die Entsendung von serbischem Militär in die serbischen Gebiete zum Schutz der serbischen Landsleute angeboten.
  • Die UNMIK-Verwaltung hat damit begonnen, Kompetenzen auf die kosovo-albanische Ebene zu übertragen und den Kosovaren allmählich die Selbstverwaltung anzuvertrauen. Dies geschieht jedoch halbherzig. Ein Budget-Recht wurde dem Parlament noch nicht zugestanden. Auch in vielen Einzelfragen muss von UNMIK die Zustimmung eingeholt werden.
  • Um von der ständig erhobenen Statusfrage wegzukommen, wurde durch den früheren UNMIK-Chef Steiner die Strategie „Standards vor Status“ entwickelt. Seit November vergangenen Jahres liegen die definierten Standards vor, für deren Überprüfung ein detaillierter etwa 100 Seiten starker Kriterienkatalog entwickelt ist. Mitte 2005 soll eine Überprüfung ergeben, ob die Standards eingehalten wurden. Dann könne man sich der Statusfrage zuwenden. Für die albanischen Kosovaren ist die Statusfrage gleichbedeutend mit Unabhängigkeit. Die internationale Gemeinschaft lässt die Festlegung auf die Art des Status öffentlich nicht zu, hinter vorgehaltener Hand wird jedoch immer wieder betont, dass es sich nur um die Frage der Unabhängigkeit handeln könne. Für die Serbien heißt die Lösung der Statusfrage Beibehaltung der staatlichen Einheit.
  • Aus vielen Gesprächen, die seit einem Jahr mit führenden Persönlichkeiten im Kosovo geführt wurden, ist der Eindruck entstanden, dass es innerhalb der EU keinen klaren Standpunkt zum Kosovo gibt, dass auch in den USA verschiedene Vorstellungen herrschen (Präsident Bush steht einer Unabhängigkeit angeblich restriktiver gegenüber als sein demokratischer Herausforderer Kerry). Erschwerend kommt hinzu, dass vor einer Statusänderung eine neue UN-Resolution verabschiedet werden muss. Ob die russische Regierung angesichts eigener Sezessionsprobleme in Russland einer völkerrechtlichen Abtrennung des Kosovo von Serbien zustimmt, darf mit einem großen Fragezeichen versehen werden.
  • Die Hinauszögerung einer Entscheidung in das Jahr 2005 hängt eng mit der Montenegro-Frage zusammen. Nach dem Belgrader Abkommen ist ein Referendum zur Auflösung der Staatengemeinschaft Serbien-Montenegro möglich. Allerdings gibt es zur Zeit Streit in der Frage, wann dieser Zeitpunkt gekommen ist, drei Jahre nach Paraphierung des Belgrader Abkommens, wie in Montenegro von einigen gefordert, das heißt Anfang 2005, oder nach Inkraftsetzung durch die Parlamente, das wäre im Frühjahr 2006. Hier ist offensichtlich von den verhandelnden Parteien eine eindeutige Definition unterlassen worden.
Schaut man sich die wesentlichen, oben nur knapp skizzierten Entwicklungsstränge an, so wird deutlich, in welch verfahrener Situation wir uns in der Kosovo-Frage befinden. Nur am Rande soll erwähnt werden, dass auch unter Effizienzgesichtspunkten die Beteiligung von mehr als 100 Nationen an einer Regierung und die große Zahl an unterschiedlichen Kontingenten bei KFOR und der UN-Police und in der Zusammensetzung der OSZE-Delegation hinterfragt werden muss. Die Kritik an der internationalen Präsenz und deren Agieren wird auf beiden Seiten lauter. Nicht zuletzt das Versagen der Schutzkräfte hat die Lage im Kosovo eskalieren lassen. Zur Aufrechterhaltung von Ruhe und Ordnung sind weitere Soldaten in das Kosovo verlegt worden.

Die Ereignisse der vergangenen Woche gehen auf das Konto von Extremisten. Es findet eine ethnische Säuberung gleichsam „von unten“ statt. Es muss befürchtet werden, dass die Extremisten nicht ruhen werden, bis alle Serben vertrieben sind. Die von allen Seiten immer wieder geforderten sicheren Rückkehrmöglichkeiten für Serben dürften sich nicht realisieren lassen. Die Vorstellungen einer multi-ethnischen Gesellschaft im Kosovo war von Anfang an eine Illusion und dürfte durch die vergangene Woche endgültig gescheitert sein. Erschreckend ist, dass sich so viele junge Menschen an den Übergriffen beteiligt haben. Wir ernst es den Extremisten ist, lässt auch ein Bombenangriff auf den Präsidenten Rugova erkennen, der offensichtlich eingeschüchtert werden sollte.

Der im vergangenen Jahr begonnene Dialog zwischen Belgrad und Pristina, der mit vier Arbeitsgruppen etwa zu Energiefragen und über das Schicksal von vermissten Personen mittlerweile konkrete Probleme aufgegriffen hat, kann hoffentlich fortgeführt werden. Daneben aber sollte die internationale Gemeinschaft von einer Strategie des Abwartens zu einer klaren, an Bedingungen geknüpfte und mit zeitlichen Vorgaben versehene Strategie der Perspektive finden, sonst werden weitere Unruhen und Gewaltübergriffe die Regel werden. Die serbische Seite muss an diesem Prozess beteiligt bleiben.

Am 23. Oktober werden im Kosovo Parlamentswahlen stattfinden. Von Politik und Initiativen der westlichen Gemeinschaft wird es auch abhängen, ob die gemäßigten Kräfte die Oberhand im Kosovo und in Serbien behalten. Unabhängig davon sollten sich EU und USA auf eine sehr lange Präsenz im Kosovo einstellen.

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Norbert Beckmann-Dierkes

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Leiter der Auslandsbüros Bulgarien Kommissarischer Leiter des Auslandsbüros Albanien

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