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Reportage sui paesi

Italien im Vorfeld der Parlamentswahlen

di Stefan von Kempis, Dr. Beatrice Gorawantschy

Aktuelle politische Entwicklungen

Am 9. April 2006 sind ca. 50 Millionen Wahlberechtigte aufgerufen, Vertreter für das italienische Abgeordnetenhaus und den Senat zu bestimmen. Für das Amt des Ministerpräsidenten („presidente del consiglio“) stehen die gleichen Kandidaten zur Wahl wie beim Urnengang vor genau zehn Jahren: Ministerpräsident Berlusconi und Oppositionsführer Prodi. In diesen zehn Jahren ist zwar in der Welt viel passiert (es gab 1996 noch keinen Euro, in New York stand noch das „World Trade Center“, und “Globalisierung” war noch kaum jemandem ein Begriff), aber die italienische Politik, die Anfang der neunziger Jahre noch so dynamisch erschienen war, wirkt mittlerweile wie eingefroren

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Berlusconi wie Prodi sind älter geworden, der Reiz neuer Gesichter und neuer Programme ist verloren, sie wirken entzaubert – so dass manche Leitartikler schon nach einem Generationswechsel rufen und von einem “Merkel-Effekt” träumen.

Lange sah es so aus, als sei Prodis linkem Parteienbündnis “Unione” der Sieg so gut wie sicher. Doch im Wahlkampf ist es dem Polit-Zauberer Berlusconi doch wieder gelungen, zumindest die Stimmung zu drehen und einen Sieg der regierenden “Casa delle Libertà” (CdL, Haus der Freiheiten) denkbar scheinen zu lassen. Obwohl die „Unione“ derzeit in den Umfragen ca. 4 % Vorsprung hat, will sich eine Wechselstimmung nicht einstellen. Beide Seiten bemühen sich, so viele Kleingruppen wie möglich ins eigene Boot zu holen; der Streit um Extremisten und “impresentabili” (nicht salonfähige Kandidaten) hat bislang einen großen Teil des Wahlkampfs bestimmt.

Die beiden Lager

Auf der einen Seite die Opposition: Romano Prodi, genannt “Professore”, früherer Premier und früherer Präsident der EU-Kommission, führt das oppositionelle Parteienbündnis der “Unione”. Trotz eines überraschend deutlichen Erfolgs bei Vorwahlen im letzten Oktober, bei denen ihn ca. vier Millionen Mitglieder der Mitte-Links-Parteien zum Spitzenkandidaten kürten, hat er Mühe, alle Flügel zusammenzuhalten und sich durchzusetzen; die von ihm anvisierte Gründung einer Einheitspartei nach dem Modell der US-Demokraten wird von seinen politischen Partnern im Bündnis hintertrieben. Nur für die Wahlen zum Abgeordnetenhaus konnten sich Fassinos „DS“, Rutellis liberal-katholische “Margherita” und die neuen “Repubblicani Europei” auf ein gemeinsames Symbol einigen, nämlich einen Ölzweig; im Senat dagegen treten die drei Parteien jeweils mit ihren eigenen Logos an – ein Hinweis darauf, ihre Eigenständigkeit zu erhalten.

Zum Linksbündnis gehören außer den genannten noch dreizehn (!) kleinere Parteien bzw. Bewegungen, die dem neuen Wahlrecht entsprechend das Wahlprogramm unterschrieben sowie einen gemeinsamen Koalitionsführer (Prodi) benannt haben und die einige Kandidaten auf der Liste des gemeinsamen Wahlbündnisses stellen. Es sind Bertinottis “Rifondazione Comunista” (mit einem starken trotzkistischen Flügel, dessen Anführer kürzlich irakische Kamikaze-Anschläge auf US-Soldaten als „legitimen Widerstand“ bezeichnete) sowie eine kleinere kommunistische Bewegung; dann die Grünen (“Verdi”), die pro-europäische “Udeur” und die “Lista di Pietro” (benannt nach und geführt von dem Mailänder Staatsanwalt, der mit seinen Korruptionsprozessen zu Beginn der 90er Jahre den Zusammenbruch der “Democrazia Cristiana” herbeiführte); außerdem ein Rentnerbund, eine Verbraucherbewegung sowie drei kleine sozialistische Gruppen; und schließlich Regionalparteien aus der Lombardei, Venetien und Südtirol. Vor allem der Zersplitterung der “Democrazia Cristiana” in den 90er Jahren ist es zuzuschreiben, dass fast jede Partei oder Bewegung ein Pendant auf der anderen Seite des Parteienspektrums hat: Grüne, Sozialisten, Republikaner, Lombarden- oder Rentnerparteien gibt es links ebenso wie rechts.

Auf der anderen Seite die Regierung: Das “Haus der Freiheiten” regiert seit 2001; ihm gehören Berlusconis “Forza Italia”, Finis “Alleanza Nazionale”, Casinis “UDC” und Bossis “Lega Nord” an. Auch sie haben, wie das neue Wahlrecht es verlangt, ein gemeinsames Programm, doch auf Berlusconi als unumstrittenen Anführer konnten sie sich nicht wirklich einigen – was dazu führt, dass sich auch Fini und Casini als Kandidaten für das Amt des Ministerpräsidenten bezeichnen.

Zu den vier Parteien, die die „CdL“ tragen, kommen im Wahlbündnis noch sechs Kleinparteien oder –bewegungen hinzu. Es sind die zwei Rechtsaussen-Parteien “Fiamma Tricolore” (deren Parteisekretär Romagnoli vor wenigen Tagen die Existenz von Gaskammern in Auschwitz in Zweifel zog) und “Alternativa Sociale” (unter Alessandra Mussolini, der “Duce”-Enkelin); außerdem eine “No Euro”-Partei, ein Rentnerbund und eine grüne Partei. Mit einem gemeinsamen Logo treten schliesslich innerhalb des rechten Wahlblocks die Neugründung “Democrazia Cristiana“ (politisch unbedeutend und nicht zu vergleichen mit der alten CD) und die kleine rechts-sozialistische Partei des früheren Außenministers de Michelis an.

Die Programme: Gleiche Prioritäten...

Im Februar haben beide Blöcke ihre Wahlprogramme vorgestellt. Dabei werden auf den ersten Blick ähnliche Prioritäten sichtbar.

Hier die wichtigsten Punkte im Direktvergleich:

  • Familie: Die „Unione“ verspricht jährliche Hilfen von 2.500 Euro für jedes Kind von 1 – 3 Jahren, Beihilfen zu Schul- und Ausbildungskosten bis zum Alter von 18 Jahren und 3.000 neue Kindertagesstätten im Lauf der nächsten Legislaturperiode. Die Regierung verspricht weiterhin eine einmalige Zahlung von 1.000 Euro für jedes neugeborene Kind, kostenloses Milchpulver bis zum Kindesalter von sechs Monaten für sozial schwächere Familien sowie kostenlose Schulbücher und steuerliche Vergünstigungen für Familien.
  • Wohnung: Erleichterung der Kreditaufnahme zum Kauf der Erstwohnung; Beihilfen zur Miete für sozial schwächere Familien; steuerliche Anreize zur Senkung der Mieten (Unione); Verkauf von 900.000 Sozialwohnungen innerhalb der nächsten Legislaturperiode zu günstigen Konditionen an die derzeitigen Mieter, neues Programm des sozialen Wohnungsbaus (Regierung).
  • Justiz: Schnellere Zivilprozesse, Reform des Strafrechts, verstärkter Kampf gegen Kriminalität (Unione); Reform des Jugendstrafrechts, Schaffung eines „Familiengerichts“, Bereitstellung von 10.000 Polizisten in Wohnvierteln (Regierung).
  • Süditalien/Arbeitslosigkeit: Ausbau der Infrastruktur, Anreize für Unternehmer, die im „Mezzogiorno“ investieren, Maßnahmen gegen „untypische Arbeitsverhältnisse“ ohne Verträge (Unione); Ausbau der Infrastruktur (wozu auch so genannte „Große Projekte“ wie der Bau einer Brücke über die Meerenge von Messina gehören), Gründung einer Art Mezzogiorno-Entwicklungsbank (Banca per il Sud) und 10-Jahres-Entwicklungsplan für Süditalien, Senkung der Arbeitslosenquote auf 4,5 %, 1,5 Mio. neue Arbeitsplätze im Laufe der Legislaturperiode (Regierung).
  • Steuern/Finanzen: Verschärfter Kampf gegen Steuerflucht, Senkung des Einkommenssteuersatzes um 5 % innerhalb der kommenden Legislaturperiode, Senkung der Auslandsschulden (Unione); Abschaffung der Gewerbesteuer, Absenkung der Steuerquote von 41,5 auf 38% des BIP, Bündnis für mehr Wachstum zwischen Rom und den Regionen, Kommunen, Investoren etc., Senkung der Auslandsschulden (Regierung).

... und Unterschiede im Stil

Wichtig sind aber vor allem die Unterschiede in den Programmen der beiden Wahlbündnisse. Die „Unione“ will das Quorum an Stimmen, die zu einer Änderung der Verfassung nötig sind, anheben; das soll die Mehrheitspartei zwingen, sich über Reformen und bei der Wahl eines Staatspräsidenten weitgehend mit der Opposition zu verständigen. Prodis Bündnis will sich also im Stil deutlich von Berlusconis Art, Gesetze durchzusetzen, abheben. Nicht das umstrittene neue Wahlrecht, aber Teile der heftig umstrittenen Schulreform, ein restriktives Gesetz zur Einwanderung, das auf Vizekanzler Fini (AN) und auf Bossi (Lega Nord) zurückgeht, sowie von Fini durchgesetzte neue Verschärfungen im Anti-Drogen-Gesetz will die Linke im Fall einer Regierungsübernahme explizit wieder rückgängig machen. Außerdem will sie – und das dürfte viele katholische Wähler verschrecken – Paaren ohne Trauschein, darunter auch gleichgeschlechtlichen Paaren, einen juristischen Status und bestimmte Rechte geben.

Weitere Punkte im „Unione“-Programm: ein Gesetz zur Religionsfreiheit, in der Außenpolitik das Bekenntnis zur EU, zum Multilateralismus und zum Rückzug der italienischen Truppen aus dem Irak im – so die Kompromissformel – „technisch dafür nötigen Zeitrahmen“.

Das „Haus der Freiheiten“ dagegen bekennt sich in seinem Programm ausführlich zu christlichen Werten, auf die sich Europa gründe. Italien müsse angesichts neuer Bedrohungen durch den internationalen Terrorismus seine Identität verteidigen und Völkern auch anderswo auf der Welt zur Freiheit verhelfen. Die Überlegungen gehen vor allem auf Senatspräsident Pera („Forza Italia“) zurück, der sich der Linie des neuen Papstes nahe fühlt.

Ansonsten verspricht das Programm eine Anhebung der Mindestrente auf 800 Euro für Italiener ab 65, freie Eintritte in Kinos, Museen etc. für über 70-Jährige, mehr Investitionen in die Forschung, steuerliche Erleichterungen für junge oder ältere Leute, die sich selbständig machen, sowie eine Abschaffung der Wartelisten vor Operationen. Nicht im Programm enthalten ist zur Überraschung vieler das Bekenntnis aller Mitte-Rechts-Partner zur (von ihnen einhellig beschlossenen) Föderalismusreform bei einem bevorstehenden Referendum – ein Punkt, auf den die „Lega Nord“ gedrungen hatte.

Der wichtigste Unterschied zwischen beiden Programmen ist allerdings ihre äußere Form. Die „Unione“ legte Anfang Februar fast 300 Seiten vor, so dass die römische Tageszeitung „Il Tempo“ schon über „die Gelben Seiten der Unione“ spottete; der Mitte-Rechts-Block dagegen präsentierte kurz darauf nur zwanzig Seiten. Allgemeiner Eindruck: Die Regierung weiss sich kurz und prägnant zu fassen, der „Professore“ Prodi hingegen verzettelt sich. Dazu kam, dass einige Partner Prodis schon einen Tag nach der Vorstellung des Programms begannen, von einzelnen Punkten (dabei ging es vor allem um eine sehr umstrittene Hochgeschwindigkeits-Bahnstrecke zwischen Lyon und Turin) abzurücken.

Allerdings hat sich auch Berlusconi mit seinem Wunsch, das „CdL“-Programm wie 2001 wieder als einen „Vertrag mit den Italienern“ abzufassen, nicht durchsetzen können. Er beteuerte aber, dass dieser – bei weitem noch nicht eingelöste – Vertrag, den er damals in einer TV-Talksendung unterzeichnet hatte, weiterhin gültig und das Programm nur eine ergänzende Fortschreibung sei. Der Hauptakzent des Programms, nämlich die Betonung der Werte, hat Schaden gelitten durch den Skandal um den mittlerweile zurückgetretenen „Lega-Nord“-Minister Calderoli, der sich im Fernsehen mit einem T-Shirt gebrüstet hatte, auf dem die dänischen Mohammed-Karikaturen abgebildet waren.

Die Medienöffentlichkeit hat auf beide Wahlprogramme außerordentlich skeptisch reagiert. Weder Prodi noch Berlusconi erklärten, wie sie ihre Versprechen eigentlich einlösen wollten – in einem Moment, in dem Italien laut neuesten Zahlen des nationalen Statistikamts „Istat“ ein Nullwachstum hat und die Arbeitslosigkeit zum ersten Mal seit über zehn Jahren angestiegen ist. „Versprechen auf der Titanic“, schreibt der „Corriere della Sera“ über die Wahlprogramme.

Turbulenter Wahlkampf

Im turbulenten italienischen Wahlkampf haben die Programme aber ohnehin kaum eine Rolle gespielt. Stattdessen ging es um eine Vielzahl anderer Themen: eine mögliche neue Anklage gegen Berlusconi („Mills-Skandal“); die Provokationen des „Lega“-Politikers Calderoli im Karikaturen-Streit; eine von Prodi geforderte, von der Kirche und der Rechten aber heftig bekämpfte Aufwertung nicht-ehelicher Partnerschaften („Pacs“); die Aufstellung extremistischer Kandidaten links wie rechts; ein Streit um Umfragen, den Berlusconi mit der Behauptung lostrat, dass ein US-Meinungsforschungsinstitut die „CdL“ knapp vor der „Unione“ sehe; der „Unipol-Skandal“, bei dem es um die Nähe linker Politiker zu Genossenschaftsbanken geht; die Auseinandersetzung mit Frankreich im Fall Enel-Suez... die Liste ließe sich beliebig fortsetzen.

Ausblick

Der Wahlausgang ist schwer vorherzusagen; es könnte zu einem Kopf-an-Kopf-Rennen kommen. Aber ganz gleich, wie knapp die Wahl ausgeht, so wird doch eines der beiden Lager anschließend aller Voraussicht nach eine handlungsfähige Regierung bilden können. Dafür wird die im neuen Wahlrecht vorgesehene „Mehrheitsprämie“ sorgen, die z.B. dem Wahlsieger in der Kammer automatisch mindestens 340 von insgesamt 630 Sitzen zuweist. Allerdings sind die Koalitionen rechts wie links so weit gespannt, dass auch eine künftige Regierung vor allem inneren Zerreißproben ausgesetzt sein wird.

Zu einer großen Koalition („governissimo“) wird es wegen der „Mehrheitsprämie“ wohl nicht kommen – es sei denn, in Abgeordnetenhaus und Senat siegt nicht ein und dasselbe Parteienbündnis, so dass die Länderkammer Regierungsvorhaben blockieren könnte. Sowohl Prodi wie Berlusconi haben einer großen Koalition eine Absage erteilt.

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