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Reportage sui paesi

UDC möchte deutsches Wahlsystem in Italien einführen

di Markus Goller

Parteikongress der italienischen Christdemokraten in Chianciano

Die christdemokratische Partei „Unione di Centro“ (UDC – Einheit des Zentrums) hat vom 10. bis 12. September auf einem dreitätigen Parteikongress in Chianciano die Diskussion um eine inhaltliche Neuausrichtung der Partei fortgesetzt. Die Christdemokraten sprachen dabei in einem offenen Dialog mit Vertretern anderer Parteien, der Zivilgesellschaft und der Universitäten über die Herausforderungen, denen sich Italien heute gegenübersieht und über Lösungskonzepte zu deren Überwindung.

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Schulung von politischem Nachwuchs

Die UDC hat am 9. September, einen Tag vor Beginn des Parteikongresses, ihre neue Schule zur Ausbildung von jungen Parteifunktionären vorgestellt. Ziel dieses Projektes sei – so Anna Paola Sabatini, Verantwortliche für die Parteischule – einen Beitrag für die Veränderung der politischen Kultur des Landes zu leisten. Diese müsse sich wieder stärker an Themen und weniger an Personen orientieren. Gleichzeitig sollten die jungen UDC-Funktionäre in wichtigen Themenbereichen wie Integration, Bioethik, Familienpolitik und Reform des Schulsystems inhaltlich geschult werden. Aber auch praktische Kenntnisse, wie etwa effektive Medienarbeit, sollten durch die neue Schule vermittelt werden. Der Schulungstag in Chianciano bilde den Auftakt für eine Reihe von Bildungsseminaren im gesamten Land.

Rocco Buttiglione und Pier Ferdinando Casini hoben in ihren Grußworten an die Jugendlichen die Bedeutung einer festen Wertebasis für junge Politiker hervor und betonten, dass die UDC mit einer neuen Parteischule gezielt in den politischen Nachwuchs des Landes investieren möchte. Casini unterstrich, dass die Parteischule der UDC auch der Intensivierung des Dialogs zwischen der Jugendorganisation und den politischen Mandataren dienen sollte.

Im Anschluss wurden teilweise parallel sechs runde Tische zu den Themen Politische Kommunikation, Familienpolitik in den Kommunen, Bioethik, Reform des Wahlsystems, Föderalismus und Selektion von politischem Nachwuchs durchgeführt. Die Moderation übernahm dabei jeweils ein Parlamentarier der UDC, die übrigen Teilnehmer waren Vertreter der Zivilgesellschaft (Ärzte, Unternehmer, Anwälte, Journalisten) und Politiker anderer Parteien. Die jungen Zuhö-rer der Diskussionsrunden – insgesamt waren rund 350 junge UDC-Funktionäre anwesend – hatten auch die Möglichkeit, den Referenten Fragen zu stellen und ihre persönlichen Ansichten einzubringen. Am Ende des Tages wurden den jungen Funktionären die Diplome für die Teilnahme überreicht.

Lorenzo Cesa: Überwindung des Bipolarismus als Ziel

Der erste Tag des Parteikongresses stand unter dem Motto „Italien von der Ersten Republik zum Bipolarismus: Radiografie einer Krise“. Lorenzo Cesa, Generalsekretär der UDC, ging in seinem Eröffnungsreferat auf die Haltung der UDC zu den beiden Großparteien PDL und PD ein. Dabei betonte er, dass die UDC aktuell mit keiner der beiden großen Parteien zusammenarbeiten werde. Die PDL von Ministerpräsident Silvio Berlusconi mache sich derzeit von der Lega Nord und die PD des Oppositionsführers Pier Luigi Bersani von der Bewegung „Italia dei Valori“ abhängig. Mit den Äußerungen dieser extremistischen Parteien habe die Politik der UDC und deren Ziele nichts zu tun. Die UDC stehe für eine gemäßigte Politik, die am Gemeinwohl interessiert sei und auf christlichen Werten aufbaue. Somit sei es das Ziel der UDC das bipolare Parteiensystem, welches Italien nicht die nötigen Reformen gebracht habe, zu überwinden. Die Christdemokraten möchten einen dritten Pol bilden, der sich das Gemeinwohl des Landes zum Ziel setze. Mit großem Interesse betrachte die UDC aus diesem Grund die Entscheidungen von Gianfranco Fini und Francesco Rutelli, welche die großen Parteien verlassen hätten, um ein neues politisches Projekt entstehen zu lassen. Im Übrigen bestehe – so Cesa – bereits ein dritter Pol, wenn man bedenke, dass bei den letzten Wahlen insgesamt 35 Prozent der Wähler nicht einer der beiden großen Parteien ihre Stimme gegeben hatten. Die aktuelle Krise sowohl des Mitte-Rechts- wie auch des Mitte-Links-Lagers zeige im Übrigen, dass die UDC mit ihrer Vorgehensweise und ihrer skeptischen Haltung gegenüber dem bipolaren Parteiensystem völlig richtig gelegen sei. Cesa un-terstrich in seinem Referat auch mehrmals, dass weder die UDC noch Teile der Partei über einen Eintritt in die Regierung nachdächten. Solange Ministerpräsident Berlusconi nicht ein neues politisches Konzept präsentiere, in dem sich die UDC wiederfinden könne, sei eine Regierungsbeteiligung völlig unmöglich.

Wie Cesa kritisierten auch Dario Franceschini (PD) und der ehemalige Ministerpräsident Ciriaco De Mita (UDC) die Situation des italienischen Parteiensystems. Seit sechzehn Jahren, so Franceschini, befinde sich Italien in einer Transitionsphase. Diese führe weg von der Ersten Republik, habe jedoch noch keinen Endpunkt gefunden. Stattdessen erlebe das Land eine Dauerkrise, welche ins-besondere der italienischen Wirtschaft und den Bürgern des Landes schade. De Mita ging gar noch weiter und erklärte, dass der Bipolarismus grausam sei und den demokratischen Prinzipien widerspreche.

Reform des Wahlgesetzes

Zahlreiche Redner übten heftige Kritik am italienischen Wahlsystem. Dieses habe – so etwa Ciriaco De Mita – ein bipolares Parteiensystem erzwungen, die Mitbestimmung der Bürger eingeschränkt und das politische System Italiens weiter destabilisiert. Das geltende Wahlgesetz müsse endlich reformiert werden, so der Grundtenor. Dabei sprachen sich hochrangige Vertreter der Partei, wie Pier Ferdinando Casini, Rocco Buttiglione oder Lorenzo Cesa, einhellig für die Einführung des deutschen Wahlsystems – der personalisierten Verhältniswahl – aus. Casini betonte, dass das deutsche Wahlsystem ein idealer Kompromiss zwischen den Prinzipien „politische Vertretung der Bevölkerung“ und „Regierbarkeit des Landes“ darstelle. Aus diesem Grund werde er einen Gesetzesentwurf zur Einführung dieses Systems im Parlament einbringen.

Francesco Rutelli, vormals Mitglied der PD und nun Vorsitzender der neuen politischen Bewegung „Alleanza per l’Italia“ (API – Allianz für Italien), unterstützte in seinem Vortrag den Vorschlag von Pier Ferdinando Casini. Ein neues Wahlgesetz sei unausweichlich für eine positive Wende in Italien. Das deutsche Wahlgesetz könnte zur Versöhnung des Landes mit sich selbst und zu mehr Stabilität beitragen.

Verantwortung für Italien

Am 11. September, dem zweiten Tag des Parteikongresses in Chianciano, stand das Thema „Al centro della responsabilità nazionale“ (Im Zentrum der nationalen Verantwortung) im Mittelpunkt. Der ehemalige Bürgermeister von Venedig, Massimo Cacciari (PD) betonte dabei, dass sich die politi-schen Verantwortungsträger weg von den politischen Grabenkämpfen und hin zu den notwendigen Reformen bewegen müssten. Die aktuelle Situation sei beispielhaft: Mit-ten in der Wirtschaftskrise leiste sich die Regierung einen internen Streit und eine Diskussion um Neuwahlen. Die wirtschaftlichen Reformen und die notwendigen Anreize für einen wirtschaftlichen Aufschwung würden nicht gesetzt. Das Industrieministerium stehe seit vier Monaten ohne Minister da. In Italien – so Cacciari weiter – regiere die Verantwortungslosigkeit. Aus diesem Grund erachte er den Prozess, mit welchem die UDC begonnen habe, für richtig, solange sie sich nicht in die endlosen destruktiven Auseinadersetzungen zwischen den beiden großen Blöcken hineinziehen lasse.

Auch Roberto Formigoni, Präsident der Region Lombardei (PDL), sprach sich gegen Neuwahlen aus. Die Lega Nord, welche diese fordere, sei keine verantwortungsbewusste Bewegung. Zur Frage, ob ein dritter Pol in der italienischen Parteienlandschaft Platz habe, äußerte sich Formigoni skeptisch. Dieser sei aktuell voller Gegensätze und werde nicht genügend Unterstützung bei den Wählern finden. Die katholischen Wähler fänden sich großteils – so Formigoni abschließend – im Mitte-Rechts-Lager wider.

Auch Italo Bocchino, Fraktionsvorsitzender der Bewegung „Futuro e Libertà“ (FLI – Freiheit und Zukunft) , sprach sich gegen eine Auflösung des bipolaren Parteiensystems aus. Die Wähler hätten dieses mittlerweile internalisiert. Seiner Bewegung gehe es um eine Reform des Mitte-Rechts-Blockes, nicht um eine Zerstörung des Bipolarismus. Daran könne sich die UDC gerne beteiligen. Seine Gruppierung werde aber nicht die Regierung stürzen – trotz des Streites mit Ministerpräsident Silvio Berlusconi.

Die Senatoren Giuseppe Pisanu (PDL), Präsident der Anti-Mafia-Kommission und Gianpiero D’Alia (UDC) gingen auf die Notwendigkeit einer effektiven Bekämpfung des organisierten Verbrechens in Italien ein. Die letzten Erkenntnisse der Anti-Mafia-Kommission zeigten, dass es zu Beginn der Neunziger Jahre Verhandlungen zwischen Staat und Mafia gegeben habe. Die Partei der Nation – so D’Alia – müsse immer auf der Seite der Bürger stehen und der Be-kämpfung der organisierten Kriminalität einen wichtigen Stellenwert in ihrem Programm und ihrer Arbeit einräumen.

Neue politische Allianzen

Höhepunkt des zweiten Kongresstages bildete die Rede von Senator Francesco Rutelli, Präsident der Bewegung API. Rutelli betonte, dass er bereit sei, gemeinsam mit der UDC am Aufbau eines dritten Pols zu arbeiten. Gemeinsam könne man – so Rutelli – zur Umsetzung einiger Projekte beitragen. Zu diesen gehörten die Reform des Wahlgesetzes bzw. die Einführung des deutschen Wahlsystems und die Investition in Zukunftsbereiche wie Bildung und Forschung. Ein weiterer wichtiger Punkt sei die Föderalisierung des Landes. Sowohl UDC wie auch API stünden für eine weitere Föderalisierung, allerdings müsste hierbei auf die Kosten geachtet werden. Eine Übertragung von Kompetenzen im Gesundheits- und Bildungsbereich dürfte nicht zu einem Anstieg der Kosten führen, wie dies bislang der Fall gewesen sei. Beim Thema Föderalismus könne man aber – wie beim Wahlgesetz – nach Deutschland blicken und vom dortigen System lernen. Ein weiteres wichtiges Projekt sei die Erarbeitung eines Konzeptes zum Schuldenabbau. Der neue dritte Pol – so Rutelli abschließend – werde als letzter starten, aber er werde als erster ankommen.

Casini: Berlusconi soll zurücktreten

Am 12. September wurde der Parteikongress durch die Abschlussrede von Pier Ferdinando Casini, Vorsitzender der UDC-Fraktion in der Abgeordnetenkammer, beendet. Casini unterstrich, dass die UDC nicht die Regierung Berlusconi unterstützen werde. Berlusconi habe der UDC einige Ministerposten als Belohnung für einen Eintritt in die Regierung angeboten, aber kein neues politisches Konzept vorgestellt. Die UDC sei aber nicht käuflich. Im Gegenzug mache er aber den Vorschlag, sich an einer Regierung der gesamtstaatlichen Verantwortung beteiligen zu wollen. Ministerpräsident Berlusconi solle durch seinen Rücktritt den Weg für die Bildung einer Technikerregierung machen, welche die Reformen, die das Land nötig habe, in Angriff nehmen könne. Neuwahlen seien in der aktuellen Situation unmöglich, so Casini.

Casini forderte ein neues Konzept für den Süden des Landes. Diese Region sei Teil Italiens und dürfe auf keinen Fall vergessen werden. Die „Partei der Nation“ möchte für alle Bürger arbeiten, im Norden und im Süden des Landes. Vor allem wird sich die neue Partei um die Familien und die Benachteiligten in der Gesellschaft kümmern. Auch aus diesem Grund sei der gesamte Parteikongress in die Sprache der Taubstummen übersetzt worden.

Er sei – so Casini – sehr zuversichtlich, dass die neue Partei stark genug sei, um neue Akzente in Italien setzen zu können. In den letzten Wochen und Monaten seien auch etwas mehr als zehn Parlamentarier von anderen Parteien zur UDC übergetreten, was ein deutliches Zeichen dafür sei, dass sich die Partei auf dem richtigen Weg befinde. Aktuell werde an einem neuen Programm, Namen und Symbol für die Partei gearbeitet. Bis 30. November könnten dazu noch Vorschläge eingebracht werden, auch die Einschreibungen für eine Mitgliedschaft in der neuen Bewegung würden bis dahin laufen. Ab Januar 2011 werden auf kommunaler und regionaler Ebene vorbereitende Parteikongresse stattfinden. Im Frühjahr werde dann auf einem großen Gründungsparteitag die neue Partei aus der Taufe gehoben werden.

Fazit

Die UDC hat ihren internen Reformprozess in Chianciano fortgesetzt. Dabei wurden die Zielsetzung des Projektes der Parteineugründung und die nun folgenden Schritte näher definiert. Die neue Partei der Nation, zu welcher die UDC werden möchte, soll als moderate Kraft im Zentrum gemäßigte Wähler aus beiden Lagern anziehen und zu einer Reform des Parteiensystems beitragen. Die neue Partei wird sich weder mit dem Mitte-Links- noch mit dem Mitte-Rechts-Lager verbünden, der einzige Verbündete ist bislang die Bewegung API von Francesco Rutelli. Eine Zusammenarbeit mit der neuen Bewegung von Gianfranco Fini wird derzeit geprüft, allerdings gibt es hierbei noch einige programmatische Unterschiede. Inhaltlich wird sich die Partei insbesondere um eine Änderung des Wahlgesetzes, eine Reform des föderalen Aufbaus des Landes und eine neue Familienpolitik bemühen. Der Parteikongress von Chianciano kann insgesamt als Erfolg bewertet werden. Im Vergleich zum Kongress in Todi im Mai dieses Jahres wurde die Zielsetzung der Parteireform näher definiert, auch wurden in einigen teils parallel stattfindenden Exper-tenrunden über Zukunftsthemen gesprochen. Auch die Teilnehmerzahl, welche über alle drei Tage bei rund 1.500 lag, übertraf die Erwartungen der Organisatoren. Die nun folgenden Wochen und Monate sind entscheidend für die UDC, sie muss ein neues Programm und ein neues Konzept für ihr politisches Vorgehen entwickeln.

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