Enrico Letta hat schwere Tage hinter sich. Das Direktorium seiner Partei hat ihm am Nachmittag des 13. Februar das „Misstrauen ausgesprochen“, wie man im politischen Rom euphemistisch sagt. Im Klartext: Die Führungsspitze der „Partito Democratico“ (PD, dt. „Demokratische Partei“) hat in einer offenen, im Internet übertragenen Sitzung erklärt, dass sie Enrico Letta nicht mehr zutraut, die Regierungskoalition erfolgreich bis zum Ende der Legislaturperiode zu führen. Stattdessen setzt die Partei auf Matteo Renzi, den 39-jährigen Parteivorsitzenden und Bürgermeister von Florenz. Enrico Letta ersparte sich die Teilnahme an dieser Sitzung, trat anschließend vor die Öffentlichkeit und kündigte seinen heutigen (14.02.2014) Rücktritt an.
Nachdem Enrico Letta im April 2013 in schwieriger politische Lage notgedrungen eine Koalition mit dem „Popolo della Libertà“ (PDL, dt. „Volk der Freiheit“) Silvio Berlusconis bildete, machte der Koalitionspartner dem Premierminister die Arbeit dann alles andere als einfach: Silvio Berlusconi wurde im Sommer rechtskräftig zu einer mehrjährigen Freiheitsstrafe verurteilt, was nach italienischem Gesetz den Ausschluss aus dem Parlament nach sich zieht. Silvio Berlusconi drohte jedoch, im Falle seines Ausschlusses die Regierungskoalition platzen zu lassen. Nach einer dramatischen Kampfabstimmung Ende November im Parlament, zerbrach dann jedoch Silvio Berlusconis PDL und Premierminister Enrico Letta sah wie ein Sieger aus. Allerdings musste sich jedoch nun das zerborstene Mitte-Rechts Lager über Wochen hinweg neu sortieren und konsolidieren. Dringend notwendige politische Reformvorhaben blieben liegen oder wurden in parteipolitischen Hin- und Her klein gerieben.
Parallel zur Krise des Koalitionspartners stand es auch um Enrico Lettas eigene Partei, die PD, nicht gut. Seit das Mitte-Links Bündnis um den Altkommunisten Pier Luigi Bersani Ende Februar 2013 zwar die italienischen Parlamentswahlen gewann, aber eine klare Regierungsmehrheit verfehlte, wochenlang keine Regierungskoalition zustande brachte, im April 2013 auch noch die Präsidentenwahl zu einem Debakel zu werden drohte und Pier Luigi Bersani in der Folge zurücktreten musste, befand sich die PD – um es milde auszudrücken - in einer schwierigen Lage. Langjährige Führungsfiguren und Spitzenpolitiker mussten ihren Hut nehmen, neue Kräfte brachten sich in Stellung. In der Folge geriet das komplizierte innerparteiliche Machtgefüge von christsozial-, sozialdemokratisch- und post-kommunisch geprägten Parteiflügeln durcheinander.
Knapp 3 Millionen Italiener bestimmten dann Anfang Dezember in offenen Urwahlen (it. „Primarie“) den Florentiner Bürgermeister Matteo Renzi mit klarer Mehrheit zum neuen Vorsitzenden (it. „Segretario“) der PD. Der 39-jährige Matteo Renzi stammt aus einer christlich demokratischen Politikerfamilie. Sein Vater war von 1985 bis 2002 Kommunalrat der „Partito Popolare Italiano“ (PPI, dt. „Italienische Volkspartei“) und auch Matteo Renzi startete seine politische Karriere bei der PPI, die später in der christlich demokratisch orientierten Partei „ La Margherita - Democrazia è Libertà“ (dt. „Margherita – Demokratie und Freiheit) aufging. Nach der Auflösung der Margherita trat er dann 2007 der neu gegründeten PD bei.
Trotz anfänglich versöhnlicher Botschaften an Premierminister Enrico Letta, wurde immer deutlicher, dass der Parteivorsitz dem ehrgeizigen Matteo Renzi nicht genug ist. Seit Anfang dieses Jahres griff Matteo Renzo den Premierminister fast täglich an, kritisierte dessen Regierungsführung und verwies auf fehlende Reformschritte. Enrico Letta fühlte sich verraten vom Parteivorsitzenden, der ihm eigentlich versprochen hatte, mitzuarbeiten. Stattdessen bekam der Premierminister folgendes zu hören: "Die Batterien der Regierung sind aufgebraucht. Nun müssen wir entscheiden, ob sie aufgeladen oder gewechselt werden", so Matteo Renzi noch am 11. Februar vor der Abgeordnetenversammlung der PD. "Das wäre so, als hätten wir ein Smartphone, das eine Batterieleistung von 19% anzeigt", sagte Renzi weiter. Aufladen oder direkt Austauschen - das seien die einzigen Optionen. Premierminister Enrico Letta setzte bis zuletzt auf die Option „Aufladen“ und war nicht bereit, kampflos sein Amt aufzugeben. Noch am Vortag seines Rücktrittes veröffentlichte Enrico Letta ein 58-seitiges Programm „Auftrag Italien“, das darlegt, wie nach seiner Ansicht die italienische Wirtschaft angeregt werden müsse. Er warb innerhalb der Partei und der Regierungskoalition um Unterstützung, fand diese jedoch nicht mehr.
Matteo Renzi hatte seit Dezember eine Mehrheit der PD-Abgeordneten hinter sich gebracht. Dazu nutzte er geschickt die innerparteilichen Flügelkämpfe und versprach, die PD-Linke in seinem Kabinett stärker einzubinden als Enrico Letta dies getan hatte. Seine Taktik ging auch deshalb auf, weil viele Italiener mit dem energiegeladenen, jungen Matteo Renzi, die Hoffnung auf den Durchbruch zu einem Politikwechsel in Italien verbinden. Matteo Renzi ist nach Staatspräsident Napolitano der populärste Politiker Italiens. Die PD-Politiker sind sich dessen bewusst und setzen nun offenbar darauf, dass der „Renzi-Faktor“ die ganze Partei mitzieht.
Heute (14.02.2014) wird Enrico Letta bei Präsident Napolitano sein Rücktrittsgesuch einreichen. Da der italienische Staatspräsident Neuwahlen verhindern will, um Italien politische Stabilität zu sichern, ist davon auszugehen, dass er dann Matteo Renzi den Auftrag für eine Regierungsbildung erteilen wird. Auch wenn die bisherigen Koalitionspartener „Nuovo Centro Destra“ (NCD, dt. „Neue Mitte-Rechts“) und „Scelta Civica“ (SC, dt. „Bürgerliche Wahl“) Matteo Renzi noch ein wenig unter Druck setzen werden, um ihre jeweiligen politischen Forderungen zu unterstreichen, steht zu erwarten, dass die bisherige Koalition fortgesetzt wird – wenn auch mit einem umgebildeten Kabinett.
Bleibt letztlich also alles beim Alten? Oberflächlich gesehen vielleicht. Zumindest zu Neuwahlen dürfte es nicht kommen. Es steht jedoch zu erwarten, dass sich der Politikstil Roms ändern wird. Nach den ruhigen Stimmen von Mario Monti und Enrico Letta, wird nun ein Politiker zum italienischen Premierminister, der eine rasantere Gangart einschlägt und durchaus auch harsche und brutale Töne im Repertoire hat. Matteo Renzi trägt den Titel „der Verschrotter“ zu Recht. Er ist dafür bekannt, eher durch die Wand zu gehen, als sich mit der mühseligen Suche nach den richtigen Schlüsseln für die Tür aufzuhalten. Es wird interessant werden zu beobachten, welche Ergebnisse Matteo Renzi mit dieser Methode als Premierminister erzielen wird.
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