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Für eine wehrhafte demokratische Streitkultur

z Thomas Köhler

Einige Beobachtungen zum Wandel der Sprach- und Debattenkultur

Wie verändert sich der Sprach- und Argumentationsstil in der politischen Auseinandersetzung, sei es im Parlament, im persönlichen Gespräch oder in den Sozialen Medien? Gehen fundamentalere Unterschiede in den Positionen mit einer radikaleren Sprache einher? Und welche Folgen hat das für die Demokratie? In ersten empirischen Untersuchungen, Literaturstudien, Expertengesprächen und Diskussionsbeiträgen hat die Konrad-Adenauer-Stiftung begonnen, Fragen des Wandels der Sprach- und Debattenkultur auszuleuchten.

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Sorgen um die Streitkultur

Von verschiedener Seite wurde zuletzt eine Veränderung der politischen Debatte konstatiert, mit einem aggressiveren Grundton, gezielten Provokationen, verbalen Entgleisungen und schrittweise erfolgenden Verschiebungen der Grenze des „Sagbaren“. Zugleich wird schon seit längerem auf einen Rückgang gesellschaftsweiter Debatten verwiesen, oft im Zusammenhang mit einer Segregation politischer Informationsquellen und Debattenräume.

Ein durchgängiger und allumfassender Verfall der Sprach- und Debattenkultur lässt sich nach ersten Studien so nicht beobachten. Stattdessen erfordern die Entwicklungen in verschiedenen Öffentlichkeitsarenen (z.B. Parlamente, Online, klassische Massenmedien, Alltagsdiskussionen) ihre jeweils eigene Betrachtung (Köhler/Roose 2019). Dabei sind durchaus kritische Entwicklungen festzustellen:

  • In der Alltagskommunikation wurde schon immer politisch diskutiert, und zwar auch mit drastischen Worten. Insoweit ist zweifelhaft, ob die Onlinekommunikation wirklich weniger zivilisiert ist als die Gespräche am Stammtisch. Durch die Schriftform und die langfristige Verfügbarkeit von Onlinekommentaren erhalten solche Äußerungen jedoch einen anderen Charakter (Köhler/Roose 2019). Damit gehen erhebliche Änderungen einher. Äußerungen können so nachhaltiger wirken und größere Verbreitung finden.
  • Über die Onlinekommunikation auf Facebook berichtet zwar eine Mehrheit, viele verschiedene Meinungen zu finden; nur eine Minderheit ist jedoch über dort getätigte Äußerungen verärgert oder fühlt sich von ihnen provoziert. Die Anonymität mag enthemmen, aber nur eine kleine Minderheit sieht Facebook als die Arena, um sich anonym äußern zu können (Pokorny 2019). Andererseits ist während des Wahlkampfs auf den Facebookseiten der Parteien eine demokratische Streitkultur nicht zu entdecken (Neu 2019).
  • Bei Parlamentsdebatten zeigt eine Studie der Süddeutschen Zeitung, wie polarisiert die Reaktionen zwischen AfD und anderen Parteien sind, und zwar in beiderlei Richtung (Süddeutsche Zeitung: „Das gespaltene Parlament“, online). Hier steht allerdings eine vergleichende Betrachtung mit anderen Neueinzügen von Fraktionen ins Parlament noch aus, genauso wie Untersuchungen zur Polarisierung bei anderen Debattenarenen.

Herausforderung Meinungsbildung

Die politische Meinungsbildung steht vor neuen Herausforderungen (Bermes 2019). Journalistisch geprüfte Information steht bei Onlinequellen potenziell neben anderen Informationsangeboten ohne angemessene Prüfung. Zudem führen kritische, inzivile Kommentare neben den journalistischen Onlineangeboten zu weniger Vertrauen in die Nachricht. In der Onlineberichterstattung lassen sich Zweifel leicht streuen, während Vertrauen nur schwer zu erreichen ist (Kümpel/Rieger 2019).

Inzwischen gibt es Anzeichen dafür, dass sich die Rolle des Qualitätsjournalismus, politische Informationen zu filtern, einzuordnen und in einen Kontext zu stellen, in die veränderte Informationslandschaft übertragen lässt. Parallel mag auch der Nutzen politischer Repräsentation für das Aushandeln von Interessenunterschieden und für die fachliche Qualität politischer Entscheidungen wieder mehr Akzeptanz finden. Beides ist jedoch keinesfalls gesichert.

Wehrhafte demokratische Streitkultur entwickeln

Der Wandel der öffentlichen Debatten- und Streitkultur verändert die Anforderungen an das Verhalten innerhalb der Öffentlichkeit – für die Konsumenten, die Debattenteilnehmer und die Anbieter von Öffentlichkeitsarenen. Es braucht die gesellschaftliche Aushandlung einer demokratischen Streitkultur, die sich gegen inziviles Verhalten und das Unterhöhlen demokratischer Standards zur Wehr setzen kann, ohne die Freiheit der Meinungsäußerung einzugrenzen.

Es ist das Engagement aller Beteiligten gefragt, um die Regeln der demokratischen Debatte einzufordern, wo es nötig ist, und Provokationen zu ignorieren, wo es möglich ist. Denn natürlich lebt ein Teil der Provokation nur vom Genuss der Empörung auf der anderen Seite. Zugleich braucht es weiterhin ein gemeinsames Verständnis der Demokraten darüber, was Unsagbar ist.

In Bezug auf Onlinedebatten hat der Gesetzgeber mit dem Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) den rechtlichen Rahmen neu abgesteckt (Paal/Hennemann 2018). Diese rechtlichen Grenzen allein werden für eine demokratische Debattenkultur nicht reichen. Moderationstechniken können helfen, Debatten in zivilen Bahnen zu halten (Kümpel/Rieger 2019). Die Meinungsbildung steht vor neuen Anforderungen (Bermes 2019). Die Förderung von Medienkompetenz, nicht nur bei Jugendlichen, wird auf längere Zeit eine Aufgabe der politischen Bildungsarbeit bleiben.

Die Anpassung an neue Bedingungen der Kommunikation mit provozierenden Akteuren und technischen Veränderungen ist eine Herausforderung. Erst eine Kombination verschiedener Herangehensweisen von verschiedenen Akteuren kann zu einer wehrhaften demokratischen Streitkultur führen. Dafür ist noch einiges zu tun – und zu lernen. Für die Stabilität der Demokratie ist ein breit getragenes Verständnis einer demokratischen Streitkultur elementar. Die breite Debatte stimmt zuversichtlich, dass sich ein solches Verständnis entwickeln und den veränderten Bedingungen anpassen kann.

Literatur unter www.kas.de/Debattenkultur/

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Dr. Jochen Roose

Dr

Wahl- und Sozialforschung

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