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Globale Welt und soziale Gerechtigkeit

Themen und Herausforderungen der Zukunft

„Man kann auf neue Fragen keine alten Antworten geben“ – so eine Aufforderung an die katholische Soziallehre mit Blick auf die heutige Zeit. Denn die Globalisierung wirft Fragen auf. Und stellt tradierte Begriffe in einen veränderten Kontext: Was bedeuten Verantwortung und soziale Gerechtigkeit vor dem Hintergrund der neuen Situation?

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Die Teilnehmer des Gesprächkreises; rechts neben der Adenauer-Büste Dr. h.c. Josef Thesing

Unter dem Motto „Globale Welt und soziale Gerechtigkeit: Themen und Herausforderungen der Zukunft“ haben die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS), Ordo Socialis (OS) und die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (KSZ) hierauf Antworten gesucht. Am 8. Oktober 2010 trafen sich unter der Leitung von Dr. h.c. Josef Thesing, Stellv. Vorsitzender von Ordo Socialis, christliche Sozialethiker zu einem Gedankenaustausch über die Herausforderungen der Zukunft, die auf sozialethischer Ebene zu erwarten sind: Mit welchen Themen ist zu rechnen? Welche Antworten hält die christliche Soziallehre bereit? Welche Ansätze und Texte werden wichtig? Dabei wurde der Blick nicht nur auf die Zukunft Europas gelenkt, sondern auch darüber hinaus: In vielen Teilen der Welt ist die Frage sozialer Gerechtigkeit nicht zuletzt auch eine Frage der politischen Stabilität, eine Frage der Glaubwürdigkeit der Demokratie geworden.

Der Einladung waren gefolgt: Cornelius G. Fetsch, Vorstandsvorsitzender von Ordo Socialis und dessen Stellvertreter Helmut Linnenbrink mit Generalsekretärin Beate Kaltefleiter, seitens der KSZ deren Direktor, Msgr. Prof. Dr. Peter Schallenberg und dessen Stellvertreter Dr. Arnd Küppers, darüber hinaus der Geschäftsführer des Berliner Instituts für christliche Ethik und Politik (ICEP), Prof. Dr. Axel Bohmeyer sowie Markus Krienke, Professor für Christliche Sozialethik und Kirchliche Soziallehre an der Universität Lugano und Direktor des dortigen Lehrstuhls „Antonio Rosmini“. Die KAS war durch Dr. Karlies Abmeier, Koordinatorin für Religion und Wertorientierung und Dr. Angelika Klein für den entsprechenden internationalen Themenbereich vertreten.

Bei seiner Begrüßung und Einführung in die Thematik hob Dr. Thesing die ungebrochene Bedeutung und Leistungskraft der christlichen Soziallehre hervor, bei der zunehmenden weltweiten Desorientierung Hilfestellung zu leisten: selten habe es so signifikante Umbruchphasen gegeben wie die gegenwärtige. Dies habe Auswirkungen auch auf die Politik – sie tue sich schwer, mit der Wirklichkeit Schritt zu halten und agiere kaum noch, sondern „re-agiere“ zumeist nur. Vorab sei es jedoch wichtig, eine „Bestandsaufnahme“ einiger Grundfragen zu machen – und zwar unter dem Vorzeichen der Globalität. Die heutige Welt und Wirklichkeit sei nur noch als globale verständlich. Dies wiederum erfordere ein Nachdenken darüber, was unter christlicher Soziallehre unter den veränderten Bedingungen zu verstehen sei. Es böte aber auch die Chance, Grundgedanken der christlichen Soziallehre für andere kulturelle Kontexte fruchtbar zu machen. Ein Beispiel sei China, wo ein wachsendes Bedürfnis nach ethischer Fundierung festzustellen sei: ein Bedürfnis, das inzwischen über die eigene Tradition – etwa den Konfuzianismus – hinausginge und sich auch für Sinnangebote anderer Herkunft öffne. Dies zeige sich u.a. daran, dass es inzwischen möglich geworden sei, Höffners Gesellschaftslehre in chinesischer Sprache herauszubringen und an der Nachfrage, die diese dort erfahre.

Die Vorstellung der Teilnehmer und ihrer Institutionen machte zahlreiche Desiderate und gemeinsame Anliegen deutlich. Im Vordergrund stand das Verlangen nach Öffnung der bisher vorwiegend nationalen Ausrichtung der deutschen sozialethischen Institutionen in Theorie und Praxis und deren Ausweitung auf den europäischen und internationalen Raum. Auch die Notwendigkeit einer besseren Vernetzung untereinander und der Aufhebung etwaigen Konkurrenzbestrebens und Abgrenzungstendenzen zugunsten gemeinsamer Interessen und Kooperation wurde zum Ausdruck gebracht, sowie das Bedürfnis nach besserer Vernetzung zwischen Kirche und Wirtschaft und deren Strahlkraft in die Gesellschaft hinein.

Zudem wurden die vielfältigen Erfahrungen deutlich, über die die beteiligten Institutionen bereits verfügen und die mit Blick auf die genannten Anliegen gebündelt und fruchtbar gemacht werden können. Die universitären Lehrstühle und Einrichtungen leisten wichtige Beiträge auf dem Gebiet der Forschung, während Ordo Socialis eine wertvolle Verankerung in der Wirtschaft und internationale Ausrichtung aufweisen kann: seit seiner Gründung hat die Organisation eine Internationalisierung angestrebt und dabei unter „Globalisierung“ nicht etwa nur Transportwege und Handel verstanden, sondern sein Augenmerk auch auf eine „Globalisierung der Werte“ gerichtet. Und nicht zuletzt kann auch die KAS als politische Stiftung vielfältige Erfahrungen aus der Projektpraxis ihrer internationalen Zusammenarbeit einbringen: zahlreiche Kongresse zu sozialethisch relevanten Fragestellungen und politischen Rahmenbedingungen, entsprechende Papiere und Publikationen, interkonfessionelle Expertise in Osteuropa, insbes. bezüglich der sozialethischen Ausrichtung der Orthodoxen Kirchen, politische Bildung künftiger Eliten und Multiplikatoren. Als herausragendes Beispiel nannte Dr. Thesing, der ehemalige Leiter des Internationalen Instituts der KAS, die Sommerakademie in Bad Honnef, deren 278 ehemalige Teilnehmer inzwischen zu 80 Prozent in leitender Funktion tätig seien – darunter fünfzehn Professoren und drei Bischöfe. Nach ihrem Vorbild wolle inzwischen das Mexikanische Institut für Christliche Sozialethik (IMDOSOC) Kurse vor Ort anbieten. Auch auf anderen Kontinenten könne die Sommerakademie als Modell dienen: der finanzielle Aufwand sei gering, der Multiplikationsfaktor hingegen sehr hoch. Es gelte, gezielt in allen Ländern die Zielgruppe der Studenten anzusprechen, die Priester werden wollen. Mit ihren mehreren tausend ausländischen Altstipendiaten erwiesen sich die Stipendien der KAS zudem als eine nachhaltige und langjährige Investition.

Problemfelder und Themen

Als erste Schwierigkeit wurde vorgebracht, dass die Kirche insgesamt zu unpolitisch sei: zwar verfügten die Bischöfe nach wie vor über eine enorme geistige Macht, die Bibel sei immer noch das meistgedruckte Buch der Welt – und doch mache man zu wenig Gebrauch davon. Gerade jetzt, wo im vorherrschenden Wertevakuum Orientierung fehle, werde das vorhandene Potential nicht genügend ausgeschöpft. Eine stärkere Beschäftigung mit globalen Themen – Demokratie, Gerechtigkeit, Sozialstaat und Politik – sei vonnöten.

Desweiteren wurde – entsprechend den o.g. Desideraten – für eine Europäisierung und Globalisierung auch der Werteapplikation plädiert: nicht nur die sozialethischen Prinzipien müssten in den erweiterten Kontext gestellt werden, sondern auch deren Vermittlung und Anwendung. Die neuen Herausforderungen infolge der Globalisierung gälten sowohl für die grundsätzliche Reflektion über den intellektuellen Gehalt sozialethischer Überzeugungen wie auch für deren praktische Anwendung. Die Ausbildung von Multiplikatoren sei dabei zentral. Als Beispiel wurde der „Sozialstaat“ genannt: dieser lasse sich nicht mehr „klassisch“ interpretieren, da das entsprechende Selbstverständnis dafür nicht mehr gegeben sei. Grundsätze erodierten, seien nicht mehr selbstverständlich und müssten somit neu definiert und angepasst werden.

Auch insgesamt wurde die zu starke Verengung auf den deutschen nationalstaatlichen Kontext als der noch blinde Fleck der deutschen Nationalökonomie empfunden. Dies zeige sich, so die Teilnehmer, auch in Eigentumsfragen: Nach wie vor stehe als Unternehmertypus der Leiter eines mittelständischen Betriebes vor Augen, der als Prototyp des Eigentümers und Patriarchen auch persönliches Verantwortungsgefühl für seinen Betrieb und dessen Mitarbeiter empfinde und tugendethisch ansprechbar sei. Dies habe sich jedoch grundlegend geändert. Der neue Managertypus in Großkonzernen, Banken und Börsen habe – anders als der Eigenunternehmer, auf den Fehlentscheidungen direkte Auswirkung hätten – einen eher abstrakten Bezug zu dem Wohlstand, den er verwalte. Diese beiden Modelle bzw. Konzeptionen von Unternehmertum seien voneinander zu unterscheiden – und die eigentliche Herausforderung sei es nun, auch die „Ackermanns und Middelhoffs“ auf die sozialethische Seite zu ziehen. Die Großunternehmer oder Börsianer hätten ein geringes Bewusstsein für eine auch persönliche Verantwortung ihres Tuns. Auch das Beispiel „Commerzbank“ habe gezeigt: Der Bankmanager wird weniger über moralische Appelle erreicht, während der Eigentumsunternehmer für sein Vorgehen hafte. Grundzüge einer Börsenmoral, eine Strategie für Konzerne und anonymisierte wie abstrahierte Wirtschaftsgeflechte stünden noch aus.

Eben diese Schwierigkeiten hätten auch im Vorfeld der Vorbereitung der Enzyklika eine Rolle gespielt: Die katholische Soziallehre trete individuumszentriert auf, was theologisch auch gerechtfertigt sei. Die akute Frage sei jedoch, wie moralische Erwartungen auf Institutionen und Organisationen übertragen werden könnten. Anders als über Personen sei dies schwer möglich – der Markt selbst habe bekanntlich keine Moral, nur die Personen, die dahinterstünden. Der neue Managertypus stelle dabei ein Problem dar, das berücksichtigt werden müsse.

Daher sprachen sich die Teilnehmer dafür aus, die Unternehmerfrage stärker in sozialethische Überlegungen einzubeziehen, den Großunternehmer als konkretes, handelndes Subjekt genauer in den Blick zu nehmen und die Personendimension primär anzusprechen. Die dringliche Frage sei, wie auf ordnungspolitischer Ebene Instrumente geschaffen werden können – um die Verantwortlichen zu „moralisieren“ sowie die individualethische und die unternehmerische Ebene miteinander zu verbinden.

Eben dies, so das Resümee, seien die typischen Herausforderungen der Fortentwicklung der Idee der Sozialen Marktwirtschaft unter globalen Rahmenbedingungen. Die Soziale Marktwirtschaft lasse sich dabei durchaus als „Exportschlager“ verkaufen – die Krise habe Bedarf aufgezeigt. Dabei ginge es jedoch nicht um einen schlichten „Export“ des deutschen Modells, sondern um die Übertragung seiner grundlegenden Ideen und deren Adaption an den jeweiligen kulturellen Kontext. So stelle sich etwa auch in China die soziale Frage (das Land habe 80 Millionen Arbeitslose aufzuweisen), wofür eine kontextgerechte Lösung gefunden werden müsse. Dabei könne man nicht missionarisch auftreten, sondern müsse in einen Dialog eintreten. Die christlichen Kirchen könnten dabei eine außerordentliche Rolle spielen.

Die Teilnehmer erinnerten zudem daran, dass die Idee der Sozialen Marktwirtschaft anfänglich überall Hürden zu überwinden gehabt habe – in Lateinamerika etwa sei das Stichwort „economia social de mercado“ zunächst auf Widerstand gestoßen, da der Begriff „social“ Assoziationen mit „socialismo“ („Sozialismus“) geweckt habe. Dies habe sich grundlegend geändert, inzwischen sei er als feststehender Begriff eines bestimmtes Ordnungssystem anerkannt und gehöre ganz selbstverständlich dazu. Und selbst in Deutschland habe es Schwierigkeiten und Missverständnisse gegeben, die in der Nachkriegszeit aufgrund der vermeintlichen Gleichsetzung von „sozial“ mit „sozialistisch“ aufgekommen seien.

Überhaupt sei die soziale Marktwirtschaft weltweit lange nicht als Desiderat empfunden worden. Hingegen habe der Ökonomismus angelsächsischer Prägung als erfolgreiches und daher vorbildhaftes Modell gegolten, an dem sich u.a. auch in Osteuropa viele Länder orientiert hätten. Die Krise habe nun eine Zäsur bewirkt, die eine Neureflektion nicht nur nötig, sondern auch möglich mache. Mit ihr habe sich eine Chance eröffnet, die umgehend genutzt werden solle – gerate die Krise in Vergessenheit, sei diese Chance vertan.

Die Sozialethiker teilten die Beobachtung, dass der Neo-Liberalismus, der weltweit zunächst zu obsiegen schien, inzwischen in Verruf geraten sei. Mit Zusammenbruch des Kommunismus sei ein Blockdenken in beiden Extremen nun nicht mehr möglich. Somit finde man sich in der Mitte wieder und habe gute Aussichten, mit sozialethischen Ideen Anklang zu finden. Nicht zu vergessen sei die normative Kraft des Faktischen: die öffentliche Moral entwickle sich auch als Ergebnis von Erfahrungen – und die Erfahrung der Krise mache einen Bewusstseinswandel bereits spürbar. Dabei müsse die Kirche „Amtshilfe“ leisten und ihre moralische Prägekraft spürbarer in den Prozess mit einbringen.

Zu bedenken sei jedoch, dass die Soziale Marktwirtschaft nicht „zum Nulltarif“, sondern nur mit „metaphysischer Münze“ zu haben sei. Ohne den Begriff der „Person“, die Vorstellung der „Menschwerdung“, individueller Rechte und Freiheitsrechte – und letztlich ohne den entsprechenden Gottesbegriff – entbehre dieses Modell seiner Grundlage. Es setze bestimmte Überzeugungen und Grundprinzipien voraus, die in einer globalisierten Welt zunächst vermittelt werden müssten.

In diesem Kontext wurde das grundsätzliche Problem einer vorangehenden Begriffsbestimmung erörtert. Fragen, wie: Was genau ist mit „christlicher Gesellschaftslehre“ gemeint, was heißt eigentlich „Personalität, Solidarität und Subsidiarität“ und in welchem Verhältnis stehen sie zueinander? Nach welchen Kriterien sollten z.B. bestimmte Themen oder Texte berücksichtig werden? usw. müssten (neu) zu stellen sein. Das „christliche Menschenbild“ hierfür als Proprium anzusetzen reiche dabei nicht aus, da es als „Passepartoutformel“ vielfältig interpretierbar sei. Stattdessen, so die Überlegung, könne als mögliche – wenngleich nicht normative – Analysefigur die Vorstellung vom Menschen als einem „nicht nur homo oeconomicus“ erwogen werden. Dies vor dem Hintergrund einer schleichenden „Ent-Humanisierung“ der Ökonomie: der Gefahr, dass in der Volkswirtschaftslehre die „Mathematiker und Statistiker“ auf dem Vormarsch seien und der Mensch nicht mehr in den Mittelpunkt gestellt werde. Denn damit gerate die Grundtatsache, dass der Mensch innerhalb einer Gesellschaft lebe – und somit nicht nur ein homo oeconomicus, sondern auch socialis sei – aus dem Blick. Eine Ordnungslehre, die dem Rechnung trage, sei auch auf globaler Ebene notwendig. Als weitere Komponenten käme die Idee der Menschenwürde sowie des Weltgemeinwohls im Verhältnis zum Gemeinwohl hinzu – und das Bestreben, letzteres aus der nationalen Diskussion herauszulösen und zu ersterem ins Verhältnis zu setzen.

Das (graduelle) Streben nach einem Weltgemeinwohl sei schließlich, so die Teilnehmer, das Ziel, um das es gehe, und mit „Globalisierung“ der christlichen Soziallehre gemeint: nicht Missionierung, sondern der Weg zu einem Weltgemeinwohl sei die Herausforderung des Jahrhunderts. Zu erreichen sei dies nur über den Austausch von Meinungen, das Diskutieren von Ideen – kurzum: den Dialog. Die beteiligten Institutionen OS, KSZ und KAS verstünden sich zudem als Vermittler, diese Ideen zugänglich zu machen und sie vor dem Hintergrund einer pluralistischer Orientierungsmöglichkei ten in der globalen Welt zur Debatte zu stellen. Noch vor einer Begriffsbestimmung gehe es schlichtweg darum, überhaupt erst ein Bewusstsein für Ethik und Verantwortung zu schaffen.

Zunächst sei eine Untersuchung über die Frage, welche sozialen und wirtschaftlichen Belange in den nächsten zehn Jahren relevant sein könnten, anzustellen. Darüberhinaus wie man erreiche, diese in politische Gestaltungsmacht zu übersetzen und in die politische Agenda mit einfließen zu lassen. Dies auch in Abgrenzung zu medialen Bestrebungen, die immer mehr versuchten, die politische Tagesordnung mitzubestimmen, durch das Mehrangebot an (z.T. auch realitätsfernen) Informationen die Informationslage aber weder transparenter noch beeinflussbarer machten.

In diesem Zusammenhang wurde ein in der Sozialethik weitgehend vernachlässigter Bereich aufgezeigt: das politische Feld. Die Teilnehmer betonten, wie wichtig es sei, auch über die Voraussetzungen und Rahmenbedingungen einer Ordnungslehre nachzudenken (wie etwa den Rechtsbegriff). Dennoch gebe es kaum relevante sozialethische Schriften zu Demokratie oder genuin politischen Fragen. Doch würden diese Fragen immer dringlicher: So fordere etwa das Problemfeld um „Stuttgart 21“ dazu auf, Fragen der repräsentativen Demokratie weiterzudenken und auch neue Formen der Information, Beteiligung und Kommunikation zu erschließen. In Deutschland steckten neue Ansätze des „community organizing“ noch weitgehend in den Kinderschuhen, dabei ließen sich sozialethische Grundbegriffe wie „Personalität“, Solidarität und Subsidiarität eben hierfür fruchtbar machen, wie am Beispiel des Brooklyner Priesters Leo Penta zu zeigen sei.

Anders als in Europa sei die Zivildimension in den USA konstitutiv. Doch auch in Europa nehme die „kleine Einheit“ inzwischen an Bedeutung zu. So zeige etwa die neueste Shell-Studie einen Rückgang der „Politikverdrossenheit“ und stattdessen eine Zunahme des Interesses an Politik und gesellschaftlichem Engagement. Letztere gelte jedoch nicht den etablierten großen Volksparteien, Amtskirchen u.a., sondern ginge mit einer dramatischen Abkehr vom „Establishment“ einher und der Suche nach neuen Ausdrucksmöglichkeiten.

Diese Entwicklung, so die Teilnehmer, gelte es im Auge zu behalten. Ebenso auch deren Gefahren, von denen die „Gefahr der Straße“, den Rechtsstaat auszuhebeln, die größte sei. Auch sei bei den sogenannten „Bürgerbewegungen“ das Eigeninteresse vom Gemeinwohlinteresse zu unterscheiden: Nicht immer zeige sich tatsächliches politische Engagement, sondern oftmals auch ein eigennütziges Interesse, das dem Gemeinwohl entgegenstehe (so etwa, wenn es ausschließlich um die persönliche Ruhe im eigenen Wohnviertel ginge).

Zu vermissen sei auch ein echter Wertediskurs – im Gegensatz zu inflationär gebrauchten „Worthülsen“. Über Wertgrundlagen werde kaum noch ernsthaft gesprochen, was für die Menschen frustrierend sei. Die Frage nach Prinzipien, Werten und Moral berühre eine Dimension, die bei politischen Entscheidungen selten oder gar nicht erkennbar sei, so dass der Bürger und Wähler nicht mehr verstehe, wie Entscheidungen moralisch begründet würden. Es sei jedoch unverzichtbar deutlich zu machen, dass auch aus dieser Dimension heraus gehandelt werde und nicht nur aus bestimmten Interessen. Sobald das Vertrauen, das sich aus dieser Dimension speise, verspielt und verloren sei, bekomme die Demokratie ein Glaubwürdigkeitsproblem. Dies bilde einen Nährboden für Populismus und eben auch dafür, dass immer mehr Zivilbewegungen entstehen.

Auch dies könne, so die Überlegung, ein Anliegen der gestarteten Initiative sein – zu fragen, wie sich eine Plattform schaffen lasse, um den Wertediskurs zu befeuern und damit auch in die Politik hineinzuwirken. Zwar würden Entscheidungen immer komplexer, was ihr Verständnis zunehmend erschwere. Dennoch sei es wichtig, am Stichwort „Vertrauen“ festzuhalten, das in der Politik nicht noch genug zu schätzen sei. Autoritäten, denen man vertraue, vertraue man auch dann, wenn man sie nicht umfassend verstehe, wenn deren Entscheidungen in ihrer Komplexität nicht immer einsichtig seien. Primär gehe es darum, Komplexität auch als solche darzustellen, selbst wenn sie nicht erschöpfend zu erklären sei und sich mit-, statt gegeneinander auf die gemeinsame Suche nach Lösungen zu machen.

Wege und Möglichkeiten der Umsetzung

Dabei wurde festgehalten, sich vorerst auf Europa zu konzentrieren und Quellen der Neuorientierung und Zukunftsperspektiven von hier aus zu erschließen. In einer internationalen Konferenz in Rom oder auch Brüssel lasse sich das Erneuerungspotential des europäischen Wertediskurses zunächst am besten sondieren. Eine Kooperation von KAS, OS und KSZ mit BKU, COMECE u.a. sei dabei denkbar.

Für eine künftige Konferenz am Standort Rom ließen sich auch die dortigen katholischen Universitäten ansprechen und nach Möglichkeit Päpstliche Räte mit einbeziehen. Thematisch lasse sich bei der neuen Sozialenzyklika ansetzen und deren „blinde Flecken“ bedenken: mit Blick auf den Veranstaltungsort biete sich „Caritas in Veritate weiterdenken“ als Titel an. Hierbei wäre auch Centesimus Annus zu berücksichtigen. Die Globalisierung solle dabei als Herausforderung und Chance und nicht als Bedrohung betrachtet werden.

Bei einer Konferenz in Brüssel wurde als Thema erwogen, die unterschiedliche Ausprägung der Sozialen Marktwirtschaft unter den Bedingungen der Globalisierung zu untersuchen oder auch europäische Impulse und Erneuerungen von den „Rändern“ her zu denken. Eine der Fragen könnte dabei sein, wie unter dem Aspekt der demographischen Entwicklung und wirtschaftlicher Probleme die soziale Gerechtigkeit am Beispiel der kleineren Länder (etwa der Niederlanden oder auch Belgien) erhalten bleiben könne.

Neben der Option großer Kongresse sollten Erfolgsmöglichkeiten im kleineren Rahmen nicht unterschätzt werden – etwa durch Workshops und Hintergrundgespräche, durch direkte und persönliche Ansprache. Insgesamt sei es erforderlich, Kontakte zu knüpfen und zu vertiefen, Kooperationen zu bilden und das vorhandene Potential gezielt zu aktivieren. Auch sei es wichtig, einschlägiges Textmaterial zu prüfen und zu verbreiten (etwa durch Hinweise auf den Homepages der Institutionen oder deren Newsletter) sowie ggf. zu übersetzen. Eine Verlinkung von Texten durch Suchbegriffe sei ebenfalls hilfreich, wie auch weitere Vernetzungsmöglichkeiten durch elektronische Medien, um hiermit – mit wenig Verwaltungsaufwand für die Multiplikatoren – eine breite Wirkung zu erzielen und ein großes Netzwerk aufzubauen.

Neben der grundsätzlichen Notwendigkeit, sozialethische Inhalte konkret ins Politische hinein zu kommunizieren und hierfür auch neue Kommunikationsplattformen zu erschließen, sei eine gezielte politische Bildung ausländischer Theologiestudenten anzugehen. Gelungene Beispiele nach dem Vorbild von Sommeruniversitäten und „Sozialer Seminare“ böten sich hierfür modellhaft an.

Für alle Formate gaben die Teilnehmer zu bedenken, sich nicht nur auf Kirchenvertreter und Akademiker zu beschränken, sondern auch Unternehmer und damit die Praxis mit einzubeziehen.

Der Gesprächskreis wird fortgesetzt. Für die folgenden Treffen ist die jeweilige Auseinandersetzung mit einer bestimmten Thematik (z.B. Demokratie) geplant, um verschiedene Perspektiven aus sozialethischer Sicht dazu sammeln zu können.

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