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Konrad-Adenauer-Stiftung e. V.

Länderberichte mal anders

New York City – Barrierefreiheit bitte warten!

arasında Thomas Tödtling, Annika Ungruhe

Inklusion weltweit – Aktueller Stand aus New York, USA

Kaum eine andere Stadt auf der Welt ist so oft Gegenstand von Büchern, Liedern oder Filmen wie New York. Sie steht für ein einzigartiges Lebensgefühl und zieht jedes Jahr Millionen von Menschen an, die nur für einige Tage dieses Gefühl greifen möchten oder die hier auf Dauer ihr Glück versuchen. Abseits all dieser Dinge sind wir in unserem Länderbericht einer ganz anderen Frage nachgegangen: Wie ist es eigentlich um die Inklusion von Menschen mit Behinderung bestellt? Wir haben uns dazu den öffentlichen Ver-kehr und den Bildungsbereich im Empire State genauer angesehen.

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Alt, groß & nicht barrierefrei

Es war an einem meiner ersten Tage in New York, als ich mit der U-Bahnlinie A der städtischen Verkehrsbetriebe auf dem Heimweg von einem Abendessen war. „Nächster Halt Fulton Street. Das ist eine barrierefreie Station“, war der Ansage des U-Bahn Zuges zu entnehmen. Aus irgendeinem Grund empfand ich es als merkwürdig, warum die Barrierefreiheit explizit erwähnt wird. Das sollte in dieser offenen und dynamischen Weltstadt, die laut Frank Sinatra niemals schläft, eine Selbstverständlichkeit sein. Doch ein Blick auf die Anzeige über mir mit den nachfolgenden Stationen machte schnell das Gegenteil klar: Barrierefreiheit ist im New Yorker U-Bahnsystem die Ausnahme und nicht die Regel! Von den weiteren 30 Stationen, waren nur sieben barrierefrei. Aber das Problem beschränkt sich nicht nur auf die A-Linie, sondern trifft auch auf alle anderen Linien zu. Je weiter man aus Manhattan stadtauswärts fährt, desto ausgedünnter wird das Netz von barrierefreien Stationen. Von den insgesamt 472 Stationen gelten gerade einmal 27 Prozent als barrierefrei. Was unter barrierefrei zu verstehen ist, legt der Americans with Disabilities Act (ADA) – ein Bundesgesetz aus dem Jahr 1990 – fest. Es handelt es sich beim hiesigen U-Bahnsystem nicht nur um das Größte weltweit, sondern auch um eines der Ältesten seiner Art (Inbetriebnahme 1904). Das wird vom Betreiberunternehmen Metropolitan Transport Authority (MTA) in diesem Zusammenhang auch immer wieder erwähnt. Aber selbst im Vergleich mit anderen US-amerikanischen Metropolen, die ebenfalls über ein ähnlich altes Netz verfügen, schneidet New York schlecht ab. Das hat konkrete Auswirkungen auf das Alltagsleben von Menschen mit eingeschränkter Mobilität: Beeinträchtigung des sozialen Lebens, erschwerter Zugang zu Arbeit und Bildung, sowie finanzielle Benachteiligung sind nur einige Beispiele.


95 Prozent bis 2055

Von Seiten der MTA bestand trotz des Drucks von Interessensgruppen lange Zeit nicht wirkliches Interesse, das Thema anzugehen. Erst nachdem eine Koalition von sechs Interessensgruppen sowie Individuen 2017 und 2019 mehrere Klagen gegen die städtischen Verkehrsbetriebe eingebracht hatten, kam Bewegung in die Sache. Nach jahrelangen Streitigkeiten vor Gericht, haben sich die beiden Seiten im April 2023 auf eine außergerichtliche Einigung verständigt. Zusammenfassend hat sich die MTA verpflichtet:

  • 95 Prozent alle U-Bahn-Stationen bis 2055 (!) barrierefrei umzubauen
  • sowie mindestens rund 15 Prozent der für Transport vorgesehenen Investitionen für die Renovierung von Haltestellen zur Herstellung der Barrierefreiheit auszugeben.

Laut dem aktuellen Ausbauplan sollen bis 2025 die ersten 67 Stationen so gestaltet sein, dass sie für Menschen mit eingeschränkter Mobilität entsprechend dem ADA zugänglich sind. Die Kosten belaufen sich dafür auf USD 5,6 Milliarden. Die Zwischenbilanz ist aber eher bescheiden: Bisher wurden die Arbeiten erst an 24 Stationen abgeschlossen. Trotzdem laufen einige MTA-Pilotprojekte, welche den Zugang verbessern sollen. Dazu zählen zielgruppengerechte Apps, verbesserte Beschilderungen oder Stationsinformationen in der U-Bahn in Blindenschrift. Überdies bietet die MTA Personen, die aufgrund ihrer Einschränkungen Probleme haben, U-Bahn oder Busse zu nutzen, an, vorab einen Fahrdienst zu buchen (Access-A-Ride). Jedoch kritisieren Interessensgruppen etwa dessen Verfügbarkeit.

 

Universitäten: Das Bewusstsein ist da, aber es fehlt das Geld

Ein weiterer Bereich, in dem Inklusion eine zentrale Rolle spielt, ist Bildung. Der Zugang zu Bildung ist entscheidend für die persönliche und berufliche Zukunft von Menschen. New York ist mit seinen rund 120 universitären Institutionen, an denen Menschen aus der ganzen Welt studieren, eine lebendige Universitätsstadt. Die universitäre Landschaft ist dabei stark zwischen staatlichen und privaten Universitäten unterteilt. Die staatlichen Universitäten New Yorks gehören zur City University of New York (CUNY) welche ihre 25 Colleges mit ca. 225.000 Studierenden über ganz New York City verteilt hat. Die 64 Colleges der State University of New York (SUNY) mit ca. 360.000 Studierenden sind hingegen über den gesamten Staat New York verteilt. Diese Universitäten finanzieren sich vor allem durch staatliche Mittel und ihre Studiengebühren sind mit USD 4.000–7.000 pro Jahr (CUNY) im Gegensatz zu privaten Universitäten vergleichsweise niedrig. New York hat aktuell ca. 86.000 Studierende mit irgendeiner Form von Beeinträchtigung. Der Americans with Disabilities Act schreibt in den USA vor, dass Universitäten gesetzlich verpflichtet sind, niemanden aufgrund seiner Behinderung eine Ausbildung zu verweigern. Außerdem muss die Einrichtung dafür sorgen, dass jeder ohne Hürden am studentischen Alltag teilnehmen kann. Die Services, die die Universitäten zur Verfügung stellen sind breit gefächert. So werden barrierefreie Unterkünfte angeboten, sowie unterstützende Technologien, die es gehörlosen Menschen ermöglicht, mit anderen zu kommunizieren. Überdies gibt es Servicetiere und Helfende zur Unterstützung beim Lernen, die zum Beispiel das Schreiben für die Studierenden übernehmen. Außerdem hat jeder Campus der CUNY und SUNY ein eigenes Büro, welches sich ausschließlich um Belange der Barrierefreiheit kümmert und Ansprechpartner für Menschen mit Beeinträchtigungen ist.

Das sind positive Initiativen, jedoch zeigt ein Blick auf die Finanzierung die Herausforderung: Pro Jahr stellt der Staat New York den New Yorker Universitäten ca. USD zwei Millionen zur Verfügung, um Studierende mit physischen oder intellektuellen Beeinträchtigungen in ihrem Unialltag zu unterstützen. Umgerechnet bedeutet das, dass nur ca. USD 27 pro Studierenden und Jahr zur Verfügung stehen. 2017 wurde vom Board of Regents (Aufsichtsbehörde über alle Bildungsaktivitäten im Staat New York) ein Programm für die Unterstützung für Menschen mit Beeinträchtigungen in der Bildung verabschiedet. Allerdings bräuchte es, um dieses existierende Programm sinnvoll und effektiv umzusetzen laut einem kürzlich veröffentlichen Report vom Abgeordneten Harvey Epstein und Senator Andrew Gounardes des Staates New York, ca. USD 15 Millionen pro Jahr. Sowohl Vertreter und Vertreterinnen der öffentlichen als auch der privaten Universitäten unterstützen den Vorschlag, diese Finanzierungslücke von USD 13 Millionen dringend zu schließen, um das Programm umsetzen zu können. Laut dem Abgeordneten Epstein stagniert die Finanzierung, die den Universitäten für Studierende mit Beeinträchtigungen in höherer Bildung bereitgestellt wird, seit 1993/94. Gleichzeitig stieg die Zahl eingeschriebener Studierender mit Beeinträchtigungen um über 50 Prozent.

Diese Studierenden mehr zu unterstützen, wäre nicht nur individuell wünschenswert, sondern hätte auch viele Vorteile für die gesamte Gesellschaft. Im Moment sind ca. zwei Drittel aller Menschen mit Beeinträchtigungen arbeitslos, wohingegen die allgemeine Beschäftigungsquote im Staat laut der New York Assembly bei ca. 74 Prozent liegt.


Schulen: Fehlende Barrierefreiheit als Zukunftshürde

In New York fallen auch öffentliche Schulen unter den ADA. Daher ist die Stadt New York verpflichtet, neue und bestehende Schulgebäude barrierefrei zu gestalten. Ein Fünf-Jahres-Plan von 2020–2024 des New York City Department of Education (DOE), stellt Schulen USD 750 Millionen für Maßnahmen zur Sicherstellung der Barrierefreiheit zur Verfügung. Dies geschah nach großem öffentlichem Druck, da in den Jahren zuvor wenig passiert war. Dennoch stehen noch heute Kinder mit physischen Beeinträchtigungen vor großen Hürden. Laut einem Bericht von Advocates for Children of New York von 2023, sind von den ca. 1.200 Schulgebäuden der Stadt nur ca. 34,2 Prozent vollständig barrierefrei, 19,8 Prozent sind teilweise barrierefrei.

41,2 Prozent der Gebäude sind überhaupt nicht barrierefrei und Umbaumaßnahmen sind auch hier bisher nicht geplant. Daher ist die Mehrheit aller New Yorker Schulgebäude für Kinder mit körperlichen Beeinträchtigungen, die beispielsweise auf einen Rollstuhl angewiesen sind, nicht voll zugänglich. Die Folge ist, dass sie von der uneingeschränkten Teilhabe im Bildungsbereich ausgeschlossen sind, die der über 40 Jahre alte ADA eigentlich garantieren sollte. Es fehlt dabei an Rampen, um überhaupt Zugang zum Schulgebäude zu bekommen, an Fahrstühlen, wenn sich die Klassenzimmer nicht im Erdgeschoss befinden, und an barrierefreien Toiletten. Physisch beeinträchtigte Kinder müssen daher oft in Bezirken zur Schule gehen, die sich weit entfernt von ihrem Wohnort befinden, ohne ihre Freunde oder Geschwister. Dies stellt nicht nur die betroffenen Kinder, sondern auch die Eltern vor Herausforderungen. Hinzu kommt, dass diese Kinder nicht nur selbst vor große Hürden gestellt werden, wenn es um ihren eigenen Schulalltag geht. Besuche von Schulveranstaltungen der Geschwister oder Freunde an nicht-barrierefreien Schulen werden ihnen verwehrt, wodurch die Teilhabe stark eingeschränkt wird und Kinder nicht nur physisch, sondern auch gesellschaftlich ausgeschlossen werden.

 

Es bleibt viel zu tun

Egal ob im öffentlichen Verkehr – insbesondere bei der U-Bahn – oder im Bildungsbereich: New York muss bei der Barrierefreiheit aufholen. Mehr als 40 Jahre nach der Verabschiedung des Americans with Disabilities Act sind dessen Vorgaben nicht erfüllt. Das führt dazu, dass Menschen mit Behinderung nicht vollwertig am öffentlichen und sozialen Leben der Stadt teilnehmen können. Die damit verbundenen Nachteile wirken sich auf das private und berufliche Leben dieser Stadtbewohner aus. Zwar gibt es sowohl an Universitäten als auch im öffentlichen Verkehr gute Initiativen, jedoch bleibt deren Erfolg aufgrund von unsicherer Finanzierung und fehlenden Fortschritten bei deren Implementierung mit einem Fragzeichen versehen.

Im Song Empire State of Mind von Jay-Z und Alicia Keyes heißt es: „New York, concrete jungle where dreams are made of, there’s nothin’ you can’t do now you’re in New York.” Es bleibt zu hoffen, dass das bald auch auf alle Menschen mit Behinderung in New York zutrifft.

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Thomas Tödtling

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Leiter des KAS-Büros New York

thomas.toedtling@kas.de +49 30 26996-3470
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Barbara Bergmann

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Referentin für Inklusionsfragen in der Europäischen und Internationalen Zusammenarbeit

Barbara.Bergmann@kas.de +49 30 26996-3528 +49 30 26996-53528

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