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European Council President / flickr/ CC BY-NC-ND 2.0

Ülkelerden haberler

„Too small to fail“?

arasında Dr. Thomas Volk

Gambias Demokratisierungsprozess – zwischen Fortschritt und Frustration

Seit Herbst 2019 demonstrieren Tausende junge Gambier gegen Präsident Adama Barrow, da sie sich von ihrem einstigen Hoffnungsträger hintergangen fühlen. Die unter dem Namen „3 years jotna“ („drei Jahre sind genug“) agierende Bewegung forderte die Abhaltung von Wahlen im Dezember 2019. Am 26. Januar 2020 eskalierte der Protest gegen die Regierung Barrow erstmals gewaltsam. Bei einer Demonstration wurden Anhänger der „3 years jotna“-Bewegung zum Teil schwer verletzt. Die Polizei ging mit Tränengas und Schlägen gegen die Demonstranten vor, die ihrerseits mit Steinen auf Polizisten warfen und Autoreifen anzündeten. Die Regierung soll unter anderem auch Journalisten inhaftiert haben, die im Umfeld der Bewegung agieren. Der tragische Vorfall zeigt, wie angespannt die innenpolitische Lage in Gambia ist und wie notwendig rasche Fortschritte der Sicherheitssektorreform wären.

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Gambias überraschende Öffnung

Dabei galt Präsident Adama Barrow lange als Hoffnungsträger des kleinen westafrikanischen Landes. Bei den Präsidentschaftswahlen am 1. Dezember 2016 wurde der 1988 aus Deutschland als abgelehnter Asylbewerber abgeschobene und später in Großbritannien als Unternehmer tätige Barrow mit 50.000 Stimmen Vorsprung zum Präsidenten gewählt. Er löste Yaya Jammeh ab, der das Land seit 1994 autoritär führte. Der bis dahin weitestgehend unbekannte Adama Barrow wurde von einer sieben Parteien tragenden Koalition als Konsenskandidat aufgestellt, um die Diktatur zu besiegen und einen Demokratisierungsprozess zu initiieren. Der Wahlsieg der Coalition 2016 mit 43,3 Prozent im ersten Wahlgang kam für viele überraschend und verdeutlicht, wie sehr die gambische Bevölkerung nach mehr als zwei Jahrzehnten der Isolierung, der Folter und Verfolgung von Regimekritikern und der zunehmenden Auswanderung ihrer jungen Bevölkerung die autoritäre Herrschaft Jammehs ablehnte und einen friedlichen Machtwechsel ersehnte. Der abgewählte Jammeh, der zuerst noch seine Niederlage eingestand, widerrief diese in den nächsten Tagen und zweifelte das Wahlergebnis wegen vermeintlicher Unregelmäßigkeiten an. Anschließend schlug die Stunde der 15 Staaten umfassenden Economic Community of West African States (ECOWAS). Die Staats- und Regierungschefs dieser vor allem wirtschaftspolitisch ausgerichteten Regionalorganisation versammelten sich auf Bitten Senegals und vereinbarten, eine geschlossene und entschiedene Haltung einzunehmen, um Jammeh zur Annerkennung des legitimen Wahlergebnisses zu bewegen.

Gestützt von den VN, der AU und der ECOWAS marschierten am 20. Januar 2017 nigerianische, ghanaische und senegalesische Soldaten in Gambia ein. Nach erneuten Mediationen durch die Präsidenten Guineas und Mauretaniens gab Jammeh schließlich am 20. Januar 2017 nachts seinen Amtsverzicht bekannt und reiste am 21. Januar 2017 in Begleitung des guineischen Präsidenten, Alpha Condé, über Guineau in sein Exil nach Äquatorialguinea. Schließlich konnte Jammeh zur Aufgabe bewegt werden, ohne das eine Kugel während der Gambiakrise abgefeuert wurde. Die militärische Drohkulisse der ECOWAS bewirkte, dass sich ein abgewählter Staatspräsident zur Aufgabe seiner Herrschaftsansprüche bewegt sah. Die ECOWAS erlebte im Rahmen der Gambiakrise ihre bis dato wichtigste geopolitische Bewährungsprobe und bewies ihre sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit. Zeitgleich wurde die klare Botschaft gesetzt, dass sich die Regionalorganisation entschlossen all denen entgegen stellt, die sich nicht an demokratische Prozesse halten und ihren Machtanspruch illegitimierweise zu verlängern versuchen. Für die Demokratiebewegungen Westafrikas kann dies als ein hoffnungsvolles Zeichen interpretiert werden.
 

Adama Barrow – Aus Reformeifer wird Machterhaltungsinstinkt

Bedauerlicherweise verschob sich das Bild Barrows als drittem Präsidenten Gambias seit der Unabhängigkeit aber in den letzten drei Jahren vom Hoffnungsträger zum Spaltpilz der Nation. Wie konnte es dazu kommen?

Barrows Start war durchaus vielversprechend. Er kehrte nach seiner Vereidigung zum Staatspräsidenten in Dakar nach Gambia zurück und übernahm die Regierungsgeschäfte eines bankrotten und isolierten Landes. Eine der ersten Amtshandlungen des neuen Präsidenten war die Abschaffung der Bezeichnung „Islamische Republik Gambia“ und die Änderung in eine religiös nicht konnotierte Präsidialdemokratie. Ferner kündigte Barrow ein ambitioniertes Reformprogramm an, das schließlich nach den frei abgehaltenen Kommunal- und Parlamentswahlen Mitte 2017 auch initiiert wurde.

Nach seiner Rückkehr nach befriedigte Barrow in der Bevölkerung die Überzeugung, einen wahren Aufbruch vollbringen zu können. Ein Moratorium zur Abschaffung der Todesstrafe wurde erlassen, Meinungs- und Pressefreiheit gewährleistet und die Stärkung von Institutionen und wirtschaftlicher Aufschwung versprochen. Im Dezember 2017 besuchte sogar Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier als erstes internationales Staatsoberhaupt Gambia, um „Anerkennung für den demokratischen Wandel und politische Unterstützung für die Stabilisierung des Landes (zu) demonstrieren.” Seit 2018 wird an einer neuen Verfassung erarbeitet.

Das wichtigste innenpolitische Großprojekt ist die Einrichtung einer Truth, Reconciliation and Reparations Commission (TRRC), die seit Oktober 2018 das Unrechtsregime und die Taten Jammehs während seiner Regierungszeit untersucht. Allein 2019 gab es 188 Zeugenbefragungen von Opfern der Jammeh-Ära, die über Vergewaltigungen, Folter, Verschleppung und Morde berichteten. Der Justizminister spricht inzwischen von klaren Beweisen von Verbrechen gegen die Menschlichkeit, die Jammeh nachgewiesen werden könnten. Der Aufarbeitungsprozess der Regierungszeit Jammehs ist für Barrow politisch wichtig und riskant zugleich. Durch die Aufdeckung der Schreckenstaten Jammehs erhält Barrow das Image eines unerschütterlichen Aufklärers, der engagiert mit dem Unrecht der Vergangenheit bricht und den Opfern eine Stimme verleiht. Die Anhörungen der TRRC werden live im Fernsehen übertragen. Zugleich dürfte das Frustrationspotential am Ende des Aufarbeitungsprozesses bei den Betroffenen hoch sein, denn Jammeh muss wohl keine unmittelbaren Konsequenzen für seine Taten befürchten. Aus seinem Exil in Äquatorialguinea droht ihm keine Auslieferung, dies stellte der dortige Alleinherrscher Obiang bereits fest. Und die im Namen der TRRC beinhalteten Reparationszahlungen für frühere Opfer erscheinen in dem hoch verschuldeten Staat nur schwer realisierbar. Zudem ist nicht geklärt, nach welchem Schema welche Opfer wieviel Ausgleichszahlungen erhalten könnten.

Auch außenpolitisch führte er in der Zwischenzeit eine Öffnung herbei, suchte eine Nähe zu Senegal und etablierte gemeinsam mit Präsident Macky Sall 2018 einen senegalesisch-gambischen Präsidialrat, der zweimal jährlich tagt und in wichtigen Politikfeldern ein gemeinsames Vorgehen verabreden soll. Ferner sucht das Land eine enge Anbindung an (golf)arabische Staaten und wird 2022 das OIC-Gipfeltreffen in Gambia ausrichten. Auch bei der Finanzierung von Moscheen spielen arabische Staaten, vor allem Saudi-Arabien, eine wichtige Rolle. China ist inzwischen auch in Gambia zu einem wichtigen Akteur geworden und baute u.a. die im Januar 2020 eröffnete Internationale Konferenzhalle. Wichtigster internationaler Partner Gambias, in dem es keine Konsularvertretung eines Schengenlandes gibt, ist jedoch die EU.

Obschon es  zahlreiche, wichtige außen- und innenpolitische Veränderungen gibt, nimmt die Kritik an Barrows Regierungsführung mittlerweile aber immer mehr zu. Die junge Bevölkerung äußert ihre Unzufriedenheit über die schleppende Umsetzung von Reformen und erwartete rasche Ergebnisse bei der Schaffung von Arbeitsplätzen. Immer öfter ist zu hören, dass man die neu errungene Meinungs- und Pressefreiheit schätze, davon allerdings nicht sich und seine Familien versorgen könne. Die wirtschaftliche Situation verbesserte sich für die meisten Gambier auch nach dem Regimewechsel nicht, im Gegenteil. Die Preise für Grundnahrungsmittel wie Reis wurden höher und das Sicherheitsgefühl vieler Gambier nahm durch zunehmende Kriminalität sogar ab. Dies hängt vor allem mit den ausbleibenden wirtschaftspolitischen Erfolgen zusammen. Zwar betrug das Wirtschaftswachstum 2019 offiziell sechs Prozent, doch bleibt die Lebenswirklichkeit der Bevölkerungsmehrheit äußerst schwierig. Die Inflation stieg auf knapp sieben Prozent und allein 80 Prozent des Haushalts 2020 dürften in die Schuldentilgung fließen. Für dringend notwendige Investitionen in das marode Bildungs- und Gesundheitssystem bleiben wenige Spielräume. Auch die Energieversorgung bleibt problematisch. Umso wichtiger ist es, Privatinvestitionen anzuregen, um Arbeitsplätze für die überwiegend junge Bevölkerung zu schaffen. Die bisherigen Projekte wie das YEP oder „Tekki fi“ (Du schaffst es hier) sind richtige Ansätze, allerdings bedarf es weitaus größerer privater Initiativen, um in dem ressourcenarmen Land nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen.

Auch der 2018 verabschiedete Entwicklungsplan, welchen die Regierung nach dem Vorbild des seit 2014 im Nachbarland bestehenden Plan Sénégal Emergent (PSE) aufsetzte und  der die wichtigsten Reformen bis 2021 zusammenfasst, konnte die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen bisher nicht verbessern.

So gut sich der Plan auch liest, so dürftig ist seine Umsetzung bisher. Die bis 2021 angestrebte Verwirklichung ist utopisch und dürfte das angeschlagene Ansehen des Präsidenten weiter zu beeinträchtigen. Der anfängliche Reformeifer Barrows ist darüber hinaus in der Zwischenzeit einem ausgeprägten Machterhaltungsinstinkt gewichen, der vor allem die Wiederwahl bei der Präsidentschaftswahl 2021 im Blick hat.
 

Gambias Jugend gibt den Ton an

Es ist die Jugend des Landes, die über das politische Schicksal Gambias befinden wird. Gambias junge Bevölkerung war es, die durch ihr engagiertes Auftreten und die Kampagne #GambiaHasDecided 2017 den innenpolitischen Druck so stark erhöhte, dass Jammeh in Folge der ECOWAS-Drohkulisse zum Abdanken bewegt wurde. 2020 ist es erneut Gambias Jugend, die auf dem Weg hin zur Präsidentschaftswahl 2021 wichtige Weichen für die Entwicklung des Landes stellen dürfte.

Der damalige Präsidentschaftskandidat Barrow versprach öffentlich, dass er drei Jahre als Übergangspräsident fungieren würde und im Dezember 2019 Neuwahlen abhalten ließe, ohne dabei selbst erneut anzutreten. Damit sollte eine Übergangsphase von der Diktatur Jammehs hin zu einer Demokratie eingeläutet werden. Im Dezember 2019 fanden allerdings keine Präsidentschaftswahlen statt und Barrow machte in seiner Neujahrsansprache am 31. Dezember 2019 klar, dass er sich von seiner früheren Aussage distanziere. Er habe bei seiner Vereidigung zweimal auf den Koran geschworen, dass er die Verfassung des Landes schütze und werde sich daher an die verfassungsmäßige Amtszeit von fünf Jahren für Präsidenten halten.

Nicht erst seit dieser Entscheidung nehmen Stimmen zu, die einen zunehmend autoritären Führungsstil des Präsidenten konstatieren. 2019 entließ Barrow alle UDP-Minister sowie seinen Vizepräsidenten, den UDP-Vorsitzenden Darboe, aus der Regierung. Er ernannte mit dem früheren Polizeichef als Innenminister und dem früheren gambischen US-Botschafter als Verteidigungsminister zwei unter Jammeh agierende Protagonisten zu Regierungsmitgliedern. Spätestens mit dieser dritten Kabinettsumbildung in zwei Jahren und der umstrittenen Benennung der zwei neuen Minister war vielen Beobachtern klar, dass Barrow sich auf eine erneute Präsidentschaftskandidatur vorbereitete. Anfang Januar 2020 wurde schließlich bekannt, dass der Präsident mit der National People´s Party (NPP) seine eigene Partei registrierte. Mit der Citizen´s Alliance (CA) und der Gambia for All (GFA) wurden zwei weitere neue Parteien zugelassen, womit der Vorwahlkampf für die Präsidentschaftswahl 2021 begonnen haben dürfte.
 

Gambia:„too small to fail“ ?!

Die Stabilität Gambias und das Gelingen des Demokratisierungsprozesses liegen im europäischen und deutschen Interesse. Nach mehr als zwei Jahrzehnten autoritärer Herrschaft vollbrachte Gambia durch demokratische Wahlen die Einläutung eines friedlichen Transformationsprozesses und wurde bei der Durchsetzung des Wahlergebnisses durch die Regionalorganisation ECOWAS unterstützt. Diese Umstände sind vielversprechend für die Demokratisierungsbewegungen Westafrikas.

Gleichzeitig erscheint die Regierungsführung des politisch unerfahrenen Präsidenten nicht ausreichend genug, um die großen Probleme des Landes zu bewältigen. Die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Stabilisierung von Institutionen sind zentrale Herausforderungen, um das Land zu befrieden und eine stabile Demokratie entstehen zu lassen.

Die junge Generation Gambias, die den Regimewechsel wesentlich herbeigeführt hat, durstet nach Perspektiven und Chancen vor Ort, zeigt sich jedoch für das riskante Abenteuer einer irregulären Migration bereit, sollten sich ihre Lebensumstände nicht zeitnah spürbar verbessern.

Die seit Januar 2020 zunehmend diskutierte Möglichkeit einer Rückkehr des früheren Machthabers Jammeh nach Gambia ist daher alarmierend. Die Diskussion zeigt, dass Jammeh noch über starke Anhängerschaft in Gambia verfügt und Barrows Erfolg daher auch zur Entscheidung über eine Systemfrage werden könnte. Die auf Bitten der gambischen Regierung noch immer im Land stationierten ECOMIG-Truppen dürften eine zeitnahe Rückkehr Jammehs zwar zu verhindern wissen, dennoch offenbart allein die Diskussion über Jammehs Rückkehr die politische Fragilität des Landes.

Die gewaltsamen Ausschreitungen im Umfeld einer Demonstration der „3 years jotna“-Bewegung am 26. Januar 2020 verdeutlichen außerdem, wie rasch eine Eskalation der Lage in Gambia einsetzen könnte. Die Regierung scheint bereit, entschlossen und nötigenfalls auch gewaltsam gegen Proteste vorzugehen.

Sollte es in Gambia nicht gelingen, stabile demokratische Institutionen, Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftliche Entwicklung zu implementieren, wird ein historisches Momentum vertan. Es wird dann schwierig werden zu argumentieren, weshalb in anderen afrikanischen Staaten wie z.B. Nigeria, mit einer einhundert Mal größeren Bevölkerung, all dies gelingen sollte. Gambia könnte daher zum Beispielsfall werden und ist „too small to fail“.

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