Sich dem früheren Plenarsaal des Deutschen Bundestages auf dem Weg zur traditionellen Veranstaltung der Konrad-Adenauer-Stiftung, dem Bonner Forum zur Einheit, zu nähern, war diesmal voller Wettersymbolik. Den Hunderten von Gästen wehte eine kühle Brise ins Gesicht, es gab Gegenwind, es wurde ungemütlich, selbst im linden Rheinland. Und so konnte Prof. Dr. Norbert Lammert, Vorsitzender der Stiftung, bei seiner Begrüßung nicht umhin, eine ambivalente Botschaft zu übermitteln. Die Deutsche Einheit vor 35 Jahren ist die segensreiche Folge eines konsequenten Festhaltens an der Westbindung und der Absage deutscher Schaukelpolitik früherer Zeit. Aber nach 70 Jahren NATO-Mitgliedschaft steht Deutschland vor der schwierigen Aufgabe, eine neue Rolle im Bündnis zu finden, weil die USA unter Präsident Trump einen erratischen Kurs genommen haben. Stoff genug, um später über die neue Situation zu diskutieren.
Bevor das Publikum aber auf die harte Wirklichkeit der neuen geopolitischen Konflikte gestoßen wurde, konnte es sich an den poetischen Ausführungen der KAS-Literaturpreisträgerin Iris Wolff erfreuen. Wolff, in Hermannstadt in Siebenbürgen geboren, ist als Kind nach Westdeutschland gekommen, zu den Ahnungslosen und Geschichtsvergessenen, die mit dem Wort Siebenbürgen nichts anfangen konnten. Die junge Iris Wolff rächte sich an ihnen - denen ohne Erinnerung -, indem sie angab, aus „Transsylvanien“ zu kommen – da wussten sie gleich, was mit ihr war! Und vielleicht weil alles um sie herum so präsensfixiert war, wählte sie die Erinnerung zu ihrer Heimat, und ihre Heimat ist das alte Mitteleuropa der kulturellen und immer prekären kulturellen Vielfalt, dem Hitler und Stalin das Leben genommen haben, das aber an bestimmten Orten, in Galizien, in Siebenbürgen, im Banat noch weiterexistierte. Iris Wolff möchte Figuren der Erinnerung wieder zum Leben bringen, sie in die „Lichtung“ stellen – ihre zentrale Metapher für ein Heraustreten aus dem Dunkel des Vergessens. Das Licht der Lichtung ist - weil umgeben vom Dunkel des Waldes – ein anderes, abgeschattetes Licht als das grelle Licht des Verhörs und des öffentlichen Sezierens, das heute in der Politik und den Medien auf den Gegner, der immer mehr zum Feind wird, gerichtet wird. Wolffs „Lichten“ lässt den Anderen bestehen und will ihn nicht zerstören.
Harter Schnitt: In der anschließenden Diskussion unter Moderation der Leiterin des Multilateralen Dialogs in Genf der Konrad-Adenauer-Stiftung, Andrea Ostheimer, konnten sich Nathanael Liminski, Minister für Bundes- und Europaangelegenheiten, Internationales sowie Medien des Landes Nordrhein-Westfalen und Chef der Staatskanzlei, Marion Sendker, freie Journalistin mit Sitz in der Türkei und in Köln, Prof. Dr. Dominik Geppert, Professor für Geschichte des 19. und 20. Jahrhunderts an der Uni Potsdam, und Iris Wolff über die neuen Herausforderungen und Bedrohungen der äußeren Sicherheit für Deutschland austauschen.
Nathanael Liminski riet uns, die Augen aufzumachen, den Kopf aus dem Sand zu ziehen und zu sehen, dass der Krieg – in hybrider Form – schon längst begonnen hat. Drohnen fliegen über dem Flughafen München, digitale Infrastruktur wird gehackt, großflächige Stromausfälle finden statt. Das sind Anzeichen einer schon im Gange befindlichen kriegerischen Aggression, die wir nur deswegen auf die leichte Schulter nehmen, weil Krieg für uns Artilleriefeuer und Luftangriffe bedeutet. Wir müssen uns vorbereiten – das ist inzwischen Common Sense unter den verantwortlichen Parteien –, ohne in Panik zu geraten. Die Amerikaner, zumindest die, die jetzt den Ton angeben, sind bestenfalls undurchsichtig, abweisend. Wohin sie wollen, ist unklar, innenpolitisch geht’s in Richtung autoritärer Staat, außenpolitisch wird mit dem Isolationismus geliebäugelt. Noch brauchen wir die USA dringend, aber wir sollten die Zeit nutzen, um eine echte europäische Sicherheitsarchitektur zu planen.
Marion Sendker lenkte den Blick zunächst auf die neuen Bündnisse in der Welt wie z.B. die BRICS-Staaten, die zwar nicht mit der EU vergleichbar seien, die aber das Selbstbewusstsein und die Finanzkraft der neuen Mächte zeigten. Sie tun sich auch zusammen, weil die EU sich zu wenig um sie gekümmert hätte. Das liegt auch daran, dass sowohl die EU als auch Deutschland selbst unsichere, sich suchende und nach innen gerichtete Gebilde sind. Sendker arbeitet auch in der Türkei und kann deswegen Deutschland aus der Sicht der Türken beurteilen. Für die Türkei sei Deutschland ein Staat ohne Kompass, ohne klare Linie, auf den man sich nicht verlassen könne.
Dominik Geppert legte die drei klassischen außenpolitischen Schulen Deutschlands dar: 1. die Russland-Option, von der Zeit der preußischen Könige bis Frank-Walter Steinmeier eine beliebte Haltung, die jetzt ihren Wert verloren hat; 2. die transatlantische Option der Nachkriegszeit, die durch die Politik der USA allmählich den Teppich unter den Füßen gezogen bekommt und 3. die von den Europäern immer mehr beschworene außen- und sicherheitspolitische Eigenständigkeit der EU. Für Geppert geht es ohne Option 2 noch nicht, aber Option 3 sollte aufgebaut werden. Deutschland sollte sich dabei davon verabschieden, den Moralweltmeister und globalen Oberlehrer abzugeben und sich daran gewöhnen, dass in der neuen Welt der Realpolitik hard facts gefragt sind und nicht schöne Worte.
Iris Wolff war es, die diesen skeptisch-realpolitischen Diskurs wieder einfing und darauf hinwies, dass die Grundlage aller Politik das Gespräch sei, und dass es im Gespräch immer möglich sein müsse, den Anderen gelten zu lassen, ihn in seiner Andersheit anzuerkennen. Nur so käme man zu Gemeinsamkeiten und Übereinkünften. Gleichzeitigkeit des Ungleichartigen: So überzeugend klang ihre sanfte Stimme, und zweieinhalb Flugstunden weiter östlich sterben die Menschen an der Front.
Das diesjährige Bonner Forum zur Einheit markierte aber auch auf ganz andere Weise eine Zäsur: Es war die letzte Veranstaltung dieser Art, die von Norbert Lammert in seinem Amt als Vorsitzender der Konrad-Adenauer-Stiftung initiiert und inspiriert worden ist. Deswegen gab es ausnahmsweise zwei Schlussworte, eins von Melanie Piepenschneider, Leiterin der Politischen Bildung der KAS, die darauf hinwies, dass dieses Jahr auch 70 Jahre Politische Bildung der Adenauer-Stiftung gefeiert wird, in einer mindestens so herausfordernden Situation, wie es Deutschland im 70. Jahr der NATO-Mitgliedschaft hat. Im zweiten Schlusswort würdigte Ulrike Hospes, Gastgeberin des Bonner Forums zur Einheit seit vielen Jahren, den besonderen Beitrag, den Norbert Lammert für dieses Veranstaltungsformat unternommen hat. Er hat es von einer reinen Vortragsveranstaltung zu einer Collage aus Literatur, Dichtkunst, Musik und Politik geformt, zu einem geistigen Ort des Nachdenkens über Deutschland, der seinesgleichen sucht. Einen kleinen goldenen Beethoven, das neue Maskottchen Bonns, hat Ulrike Hospes ihm dafür aus Dankbarkeit überreicht - vor dem gemeinsamen Singen der Nationalhymne.
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