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KAS/ACDP, Medienarchiv, Sabine Widmaier

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Ära Kohl im Gespräch

من Dr. Judith Michel

Die Regierung Kohl und die Umbrüche in Osteuropa

Die Reaktion der Regierung von Bundeskanzler Helmut Kohl auf die Umbrüche in Osteuropa zu Beginn der 1990er Jahre war das Thema eines Fachgesprächs von Experten und Zeitzeugen, zu dem die Konrad-Adenauer-Stiftung am 7./8. Juli 2016 auf den Petersberg bei Bonn einlud. Die Tagung war Teil der Veranstaltungsreihe „Die Ära Kohl im Gespräch“ und knüpfte chronologisch an eine vorangegangene Konferenz dieser Reihe zur deutschen Einheit an. Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters, Leiter der Hauptabteilung Wissenschaftliche Dienste/Archiv für Christlich-Demokratische Politik, schilderte einführend die Ausgangslage, die zu den Umbrüchen in Osteuropa geführt hatte. Er stellte dabei verschiedene Forschungsthesen zum Zusammenbruch der Sowjetunion vor und ging auf die Herausforderungen ein, denen sich die Bundesrepublik durch den Zerfall Jugoslawiens gegenübersah.

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Die sowjetische Perzeption von Kohls Wiedervereinigungspolitik

Dr. Peter Ruggenthaler (Ludwig-Boltzmann-Institut für Kriegsfolgen-Forschung, Graz) ging auf Grundlage seiner jüngsten Forschungen der Frage nach, wie es dazu kam, dass die Sowjetunion auf das „Faustpfand DDR“ verzichtete. Während Moskau offiziell an der deutschen Zweistaatlichkeit festhielt, erkannte man in internen Analysen, dass die Epoche des sozialistischen Systems und der Teilung Deutschlands durch den Mauerfall im November 1989 zu Ende ging. Letztlich führten eine Reihe von Fehlperzeptionen und diplomatischen Fehlern auf sowjetischer Seite dazu, dass der Einigungsprozess nicht mehr aufzuhalten war. Die deutsche Vereinigung könne als Frage des persönlichen Schicksals von Generalsekretär Michail Gorbatschow und Außenminister Eduard Schewardnadse bezeichnet werden: Da die Teilung Deutschlands eine wichtige Errungenschaft für die sowjetische Sicherheit gewesen war, trug die deutsche Einheit zum Verlust des Supermachtstatus der UdSSR bei. In der anschließenden Diskussion wurden zahlreiche andere Faktoren benannt, die neben der Vereinigung Deutschlands zum Zerfall der Sowjetunion führten. Insbesondere die katastrophale Wirtschaftslage und die innere Entwicklung hätten den Systemdruck übermächtig gemacht. Eine direkte kausale Linie von der Wiedervereinigung zum Zerfall lässt sich folglich nicht ziehen.

 

Deutsche Reaktionen auf den Zusammenbruch der Sowjetunion

Der entgegengesetzten Blickrichtung widmete sich Prof. Dr. Helmut Altrichter (Universität Erlangen), der die deutschen Reaktionen auf den Zusammenbruch der Sowjetunion untersuchte. Zunächst gab Altrichter einen Überblick über die Hintergründe und den Verlauf des Verfallsprozesses der Sowjetunion und ging auf die unterschiedlichen Persönlichkeiten und Positionen von Michael Gorbatschow und seinem Nachfolger Boris Jelzin ein. Während sich die Bundesregierung bis zum Rücktritt Gorbatschows beobachtend verhalten hatte, entstand mit Gründung der Gemeinschaft Unabhängiger Staaten (GUS) Handlungsbedarf. Die Bundesrepublik erkannte die Nachfolgestaaten der Sowjetunion an und setzte sich für deren Aufnahme in verschiedene internationale Organisationen ein. Eine bedeutende Rolle spielte Deutschland auch hinsichtlich der Wirtschaftshilfen für die GUS.

Der ehemalige Botschafter in Moskau und frühere Präsident des Bundesnachrichtendienstes (BND), Dr. Hans-Georg Wieck, bestätigte Altrichters Einschätzung, die Bundesregierung sei nicht auf den Zusammenbruch der Sowjetunion vorbereitet gewesen. „Politik reagiert auf Krise, aber sie managt nicht Krise“, so lautete sein Urteil in diesem Zusammenhang. Dass dank diplomatischer und geheimdienstlicher Erkenntnisse schon früh eine überwiegend realistische Beurteilung der Lage in der Sowjetunion möglich war, zeigten Einblicke in drei von Wieck verfasste BND-Dokumente aus den Jahren 1988 bis 1990. 1988 war Wieck davon ausgegangen, dass Gorbatschow Schwierigkeiten haben könnte, seinen Reformkurs durchzusetzen. Zudem hatte er die verheerende wirtschaftliche Lage sowie den Zerfall der politischen Kultur und der Gesellschaft beschrieben. 1990 hatte er Skepsis an der Fähigkeit der Zentralregierung geäußert, auf die Desintegration der Teilstaaten zu reagieren. Zudem würden innenpolitische Gegensätze und die sich weiter verschlechternde Wirtschaftslage den Zerfallsprozess beschleunigen. Die seinerzeitigen Analysen des BND seien von den westlichen Partnern mit Skepsis aufgenommen worden, da man nicht geglaubt habe, dass es zum Zerfall der Sowjetunion kommen würde.

 

Handlungsspielräume im Balkankonflikt

Ebenso wie der Zusammenbruch der Sowjetunion stellten auch die Auflösungserscheinungen in Jugoslawien die neue Bundesrepublik vor Herausforderungen. Prof. Dr. Marie-Janine Calic (Ludwig-Maximilians-Universität München) schilderte zunächst Ursachen, Verlauf und Folgen der Jugoslawienkriege. Für das frisch vereinigte Deutschland habe das Selbstbestimmungsrecht der Völker, das man gerade selbst erfolgreich in Anspruch genommen hatte, einen hohen Stellenwert gehabt, trotz des Spannungsverhältnisses zum Prinzip der Unverletzlichkeit der Grenzen. Die Bundesrepublik habe daher im Alleingang sehr früh die Unabhängigkeit Sloweniens und Kroatiens anerkannt. Auch wenn hierdurch die erhoffte Einhegung des gewaltsamen Konflikts nicht erreicht wurde, widersprach Calic der These, dies habe den Zerfall Jugoslawiens beschleunigt. Vielmehr sei die Desintegration langfristig in den Strukturen des Landes angelegt und der Krieg von außen nicht zu verhindern gewesen. Sie kritisierte jedoch deutlich, dass man die Anerkennungspolitik zum damaligen Zeitpunkt „nicht zu Ende gedacht“ habe, für die kein adäquater politischer und militärischer Rahmen gegeben war. Die Diskussion drehte sich unter anderem um den Einfluss historischer Vorbelastungen sowie der Medien auf die Haltung der Bundesregierung zum Jugoslawienkonflikt. Calic vertrat die Meinung, sowohl historische Reminiszenzen als auch der „CNN-Effekt“ hätten nur eine untergeordnete Rolle gespielt. Ausschlaggebend seien andere Faktoren gewesen, etwa die Tatsache, dass der Balkan strategisch nach dem Ende des Kalten Krieges nicht mehr so relevant zu sein schien und das Krisenmanagementinstrumentarium der internationalen Gemeinschaft noch nicht hinreichend entwickelt war. Dieses habe sich erst später ausdifferenziert – insbesondere durch die Erfahrungen im Jugoslawienkonflikt.

General a. D. Dr. Klaus Naumann, ehemaliger Generalinspekteur der Bundeswehr und Vorsitzender des NATO-Militärausschusses, ging ebenfalls davon aus, dass die Anerkennungspolitik der Bundesregierung die Desintegration Jugoslawiens nicht entscheidend beschleunigt habe. Er mahnte jedoch, dass Regierungen Staaten nur dann anerkennen sollten, wenn sie auch bereit seien, deren Sicherheit zu gewährleisten. Die Bundesregierung habe hingegen – wie auch andere europäische Staaten und die USA – lange nicht in den eskalierenden Konflikt eingegriffen. Zum einen habe die Bundesrepublik vor dem Hintergrund verfassungsrechtlicher Bedenken ihr Verhältnis zu Out-of-area-Einsätzen klären müssen, zum anderen habe es Vorbehalte gegeben, Bundeswehrsoldaten in Gebieten einzusetzen, wo während des Zweiten Weltkriegs die Wehrmacht gekämpft hatte. Deutschland sei somit wieder in eine Sonderrolle verfallen, welche sie durch die Einheit eigentlich gerade überwunden hatte.

Der ehemalige Botschafter und Leiter der Abteilung für Außen-, Entwicklungs- und Sicherheitspolitik im Bundeskanzleramt, Prof. Joachim Bitterlich, widersprach der These Naumanns, die Bundesrepublik habe zunächst eine Sonderrolle eingenommen. Diese sei vielleicht in militärischer Hinsicht gegeben gewesen, ansonsten sei Deutschland unter Helmut Kohl bei den europäischen Partnern, Russland und den USA als Akteur gefragt gewesen. Einig waren sich beide darin, dass die Regierung Kohl damals begonnen habe, über eine schrittweise Ausweitung des Engagements der Bundeswehr (Einsatz von Sanitätern in Kambodscha, Somalia-Einsatz, AWACS-Flüge, SFOR) die Akzeptanz für deutsche Militäreinsätze in der deutschen Politik und Bevölkerung zu schaffen.

Prof. Dr. Christian Schwarz-Schilling, Bundesminister a. D. und ehemaliger Hoher Repräsentant der internationalen Gemeinschaft in Bosnien und Herzegowina, stellte in seinem Beitrag heraus, es sei bereits seit 1991 bekannt gewesen, dass auf dem Balkan systematisch ethnische Säuberungen vorgenommen wurden. Man habe sich seitens der Regierung Kohl nicht deutlich genug hinter die USA gestellt, die seit 1993 Bereitschaft für eine Intervention signalisiert hätten. Stattdessen habe man sich hinter die Verfassungsproblematik hinsichtlich Out-of-area-Einsätzen der Bundeswehr zurückgezogen. Die daraus resultierende Untätigkeit habe ihn zum Austritt aus dem Bundeskabinett veranlasst. Gerade angesichts der deutschen Vergangenheit sei er zu dem Schluss gekommen, dass man im Hinblick auf Völkermord nicht untätig bleiben dürfe: „Wenn man es mit Diktatoren und Tyrannen zu tun hat, muss man so schnell wie möglich handeln, weil jedes Zögern die Situation weiter verschlimmert.“

 

Fazit

In seiner Zusammenfassung kam Prof. Dr. Hanns Jürgen Küsters zu dem ernüchternden Ergebnis, dass sowohl der Zerfall der Sowjetunion als auch der Balkankonflikt absehbar gewesen seien. Dennoch seien in Deutschland weder Politik noch Öffentlichkeit auf diese Desintegrationserscheinungen vorbereitet gewesen. Die sich mit den Umbrüchen in Osteuropa veränderten Herausforderungen hätten aber schließlich zu einem Bewusstseinswandel geführt. Die Bundesrepublik sei international in eine neue Rolle hineingewachsen, welche uns heute selbstverständlich erscheine. Es sei das Verdienst Helmut Kohls, sich trotz der seither gewachsenen Bedeutung Deutschlands in der internationalen Politik stets darum bemüht zu haben, gerade die kleineren Staaten nicht zu überfordern oder zu dominieren.

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