„Was wir da machen, bringt niemandem etwas.“ Mit diesem Zitat beginnt einer der Beiträge zu dieser Ausgabe der Auslandsinformationen. Gesagt hat es Donald Trump, seit Januar wieder Präsident der Vereinigten Staaten, und gemeint hat er die Entwicklungszusammenarbeit seines Landes, konkret: die Projekte der Entwicklungsorganisation USAID, deren Budget und Strukturen er dann konsequenterweise auch kräftig zusammenstrich.
Der Satz macht deutlich: Entwicklungszusammenarbeit – im Fachjargon oft als EZ abgekürzt – steht unter Druck. Das gilt insgesamt, ganz besonders aber für die Art von EZ, die Europa und gerade auch Deutschland in der jüngeren Vergangenheit betrieben haben: relativ stark orientiert an einer Hilfslogik und oft verbunden mit dem Versuch, über die Entwicklungspolitik auch weitergehende demokratische und gesellschaftliche Wertvorstellungen in den Zielländern zu verwirklichen.
Unter Druck geraten ist diese EZ aus mehreren, teilweise miteinander zusammenhängenden Gründen. Erstens sind innenpolitisch die finanziellen Ressourcen knapper und gleichzeitig diejenigen Kräfte stärker geworden, die Entwicklungszusammenarbeit mit kritischer Distanz betrachten oder sogar komplett ablehnen – sei es, weil sie diese als ineffizient oder gar schädlich betrachten, oder weil sie nicht in ihre „Mein-Land-zuerst-Logik“ passt. Weiter ist die Zahl der „Nehmerländer“, deren Regierungen demokratisch orientiert sind, in den vergangenen beiden Jahrzehnten praktisch kontinuierlich zurückgegangen. Zudem stehen diesen Regierungen jetzt alternative Geber zur Verfügung, die keine lästigen Anforderungen an Demokratie oder gute Regierungsführung stellen. Nicht nur, aber gerade auch diese autoritären Geber – an erster Stelle China – betrachten die EZ als Instrument, um in der globalen Auseinandersetzung mit den westlichen Staaten eigene Einflusssphären von Südostasien über den Nahen Osten und Subsahara-Afrika bis nach Lateinamerika zu schaffen und zu sichern.
All das ist bekannt. Mit diesem Heft wollen wir einen Beitrag leisten, um die Frage zu beantworten, wie sich die deutsche und europäische Entwicklungspolitik in diesem Kontext behaupten und was sie dabei von anderen Staaten lernen kann.
Immer wieder verweisen Entwicklungspolitiker und Experten in diesem Zusammenhang darauf, dass man die Erfolge von EZ, und auch deren Nutzen für das eigene Land, besser kommunizieren müsse. Das ist nicht falsch. Im Vergleich zu anderen Staaten, die weniger Mittel einsetzen, hat die deutsche und europäische EZ tatsächlich auch ein Vermarktungsproblem, und zwar in den Zielländern wie zu Hause. Und so betont auch Andrew Mitchell, ehemaliger Staatsminister im britischen Außen- und Entwicklungsministerium, in einem Interview für diese Ausgabe der Auslandsinformationen, wie bedeutend diese Überzeugungsarbeit gegenüber einem zunehmend kritischen heimischen Publikum ist. Dabei gelte: „Jeder Penny an Entwicklungsgeldern dient unseren nationalen Interessen.“ Damit liegt er sehr wahrscheinlich deutlich näher an der Wahrheit als der derzeitige US-Präsident. Dennoch kann die Devise gerade mit Blick auf die deutsche EZ nicht lauten: Alles läuft gut, man muss es den Leuten nur einmal besser erklären.
Tatsächlich drängt sich beim Lesen dieser Ausgabe der Eindruck auf, dass es viele andere Staaten – und zwar nicht nur die üblichen großen autoritären Verdächtigen wie China und Russland, sondern auch die Golfstaaten, die Türkei oder Japan – deutlich besser schaffen, ihre Entwicklungspolitik in eine außenpolitische und wirtschaftliche Gesamtstrategie einzubetten, die auf verschiedenen regionalen Spielfeldern auch ihren eigenen Interessen dient. Mathias Kamp und Jan-Ole Voß arbeiten das in ihrem Beitrag für die Region Subsahara-Afrika heraus, Denis Suarsana in seinem Artikel für Südostasien.
In letztgenannter Region spielt Japan auch als Entwicklungspartner eine wichtige Rolle. Paul Linnarz analysiert in seinem Beitrag, wie es Tokio gelingt, von den südostasiatischen Staaten als attraktive Alternative zu China wahrgenommen zu werden und gleichzeitig einen sicherheitspolitischen und nicht zuletzt wirtschaftlichen Nutzen aus seinem Engagement zu ziehen. Viel stärker als Deutschland vermag es Japan, die eigenen Unternehmen bei der Durchführung von Entwicklungsprojekten in Stellung zu bringen. Während beispielsweise Bauvorhaben, die mit deutschem Entwicklungsgeld finanziert werden, regelmäßig an ausländische Unternehmen – zu allem Überfluss oft noch an Staatskonzerne weltpolitischer Konkurrenten – vergeben werden, füllen japanisch finanzierte Projekte viel häufiger die Auftragsbücher der heimischen Unternehmen.
Die Türkei wiederum, deren Entwicklungszusammenarbeit Ellinor Zeino in ihrem Artikel beleuchtet, ist ein Paradebeispiel dafür, wie ein Staat erfolgreich EZ als Teil eines vernetzten Ansatzes in der Außenpolitik nutzen kann, wie die Autorin es nennt, um das eigene Image aufzupolieren und seine wirtschaftlichen und politischen Ziele in verschiedenen Regionen effektiv zu verfolgen. Diese Politik als erfolgreich zu bezeichnen und die deutsche Politik zu ermuntern, sich ein solches Beispiel gut anzuschauen, bedeutet nicht, sich die politischen Ziele der türkischen Regierung zu eigen zu machen. Auch bedeutet es nicht, die Augen vor den Schwierigkeiten zu verschließen, auf die Ankara angesichts seiner teils massiven Förderung bestimmter politischer und religiöser Gruppen in anderen Staaten noch stoßen dürfte.
Interessant aber ist, wie die türkische EZ auf die Welt schaut und welche Fragen sie stellt: Wo Hilfe benötigt wird, mag sie auch fragen. Vor allem aber fragt sie, welche Länder und Regionen für die eigenen Interessen besonders relevant sind und wo sich die besten Chancen bieten, durch ein Engagement schnell Einfluss zu gewinnen. Und das ist der Unterschied zwischen EZ nach reiner Hilfslogik und strategisch angelegter EZ, wie sie auch Ingo Badoreck, Su sanne Conrad, Magdalena Jetschgo, Fabian Wagener, Olaf Wientzek und Nils Wörmer in ihrem Beitrag zu dieser Ausgabe empfehlen. Eine solche strategische Einbettung von Entwicklungszusammenarbeit in die allgemeine Außenpolitik – Stichwort „Außenpolitik aus einem Guss“ – kann auf verschiedenen Wegen gewährleistet werden. Die Einrichtung eines Nationalen Sicherheitsrats, wie von der derzeitigen Bundesregierung beschlossen, ist ein wichtiger Schritt in diese Richtung.
Der Schluss aus alldem ist nun nicht, dass humanitäre Erwägungen in unserer Entwicklungspolitik künftig keine Rolle mehr spielen sollten – das gilt umso mehr aus christdemokratischer Perspektive. Ebenso wenig sollte die Konsequenz darin bestehen, die Förderung von Demokratie und grundlegenden Menschenrechten aus unserer EZ auszuklammern.
Aber: Genau wie humanitäre Erwägungen stärker mit eigenen Interessen – von der Wirtschaft bis hin zur innenpolitisch so wichtigen Reduktion irregulärer Migration – kombiniert werden sollten, täten wir gut daran, bei der Förderung unserer Werte sensibel auf die jeweiligen geschichtlichen, gesellschaftlichen und politischen Kontexte Rücksicht zu nehmen.
Gerade hier hat die deutsche EZ mit ihrer breit aufgestellten Akteurslandschaft eigentlich gute Voraussetzungen. Kirchliche Organisationen und Politische Stiftungen ergänzen die technische Zusammenarbeit mit ihren ganz eigenen Instrumenten und tief verwurzelten Netzwerken und Zugängen in den jeweiligen Partnerländern, die genau das Wissen um die lokalen Rahmenbedingungen und Prioritäten bereitstellen können, das es für erfolgreiche Entwicklungspolitik braucht.
Wirtschaftsnäher, stärker interessenbasiert, pragmatischer, besser auf europäischer Ebene koordiniert – und dann am Ende tatsächlich möglichst auch gut gegenüber der eigenen Bevölkerung kommuniziert: Das ist das Anforderungsprofil unserer Entwicklungszusammenarbeit. Manche dieser Attribute dürften unumstritten sein, andere insbesondere für den linken Teil des politischen Spektrums schwerer verdaulich. Darauf aber wird die Realität keine Rücksicht nehmen. Alle politischen Akteure, die Entwicklungspolitik für wichtig halten – und sie ist wichtig –, sollten deshalb daran arbeiten, unsere Entwicklungszusammenarbeit schnellstmöglich dem genannten Profil weiter anzunähern. Gelänge das nicht, wäre es für sie existenzgefährdend.
Ich wünsche Ihnen eine anregende Lektüre.
Ihr
Dr. Gerhard Wahlers ist Herausgeber der Auslandsinformationen (Ai), stellvertretender Generalsekretär und Leiter der Hauptabteilung Europäische und Internationale Zusammenarbeit der Konrad-Adenauer-Stiftung (gerhard.wahlers@kas.de).
Asset-Herausgeber
Editorial der Ausgabe „Entwicklungszusammenarbeit“