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Länderberichte

Scheitern des kolumbianischen Friedensprozesses vorläufig abgewendet

von Ulrich Laute
Ein persönliches Treffen zwischen Staatspräsident Andrés Pastrana und dem Führer der "Revolutionären Streitkräfte Kolumbiens" (FARC), Manuel Marulanda, soll den Weg für eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zwischen der kolumbianischen Regierung und der größten Guerillaorganisation des Landes freimachen. Mit seiner Zusage, sich am 8. Februar mit dem Präsidenten treffen zu wollen, reagierte Marulanda auf eine Initiative Pastranas, der die Verlängerung der für die Friedensgespräche entmilitarisierten Zone über den 4. Februar hinaus von einem persönlichen Gespräch mit dem Guerrillaführer abhängig gemacht hatte.

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Die FARC und die entmilitarisierte Zone

In den Wochen zuvor war es zu heftigen Diskussionen über die Frage gekommen, ob und unter welchen Bedingungen die "Entspannungszone" ("zona de distensión") im Süden Kolumbiens verlängert werden sollte. In diesem etwa 42.000 km² großen neutralisierten Rückzugsgebiet, das im November 1998 für die Durchführung der Friedensgespräche mit den FARC geschaffen worden war, übt die Guerrilla weitgehend ungehindert die politische Kontrolle aus. Der unbefriedigende Verlauf der Gespräche und die Eskalation der von der Guerrilla verübten Terrorakte haben das Vertrauen in den Friedenswillen der FARC jedoch nachhaltig erschüttert und dazu beigetragen, dass die Beibehaltung der entmilitarisierten Zone und damit die Fortsetzung des Friedensprozesses in seiner bisherigen Form in der Öffentlichkeit zusehends an Unterstützung verloren hat.

Alles deutet darauf hin, dass die FARC das von ihnen verwaltete Rückzugsgebiet gezielt zum Ausbau ihrer militärischen Position genutzt haben. Erkenntnissen des kolumbianischen Militärs zufolge hat die Guerrilla ihre Dominanz im Süden des Landes weit über das von der Regierung zugestandene Territorium ausgedehnt. Besonders bedenklich sind ferner die von den FARC innerhalb der entmilitarisierten Zone begangenen massiven Menschenrechtsverletzungen bzw. Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht, darunter Erschießungen und Folterungen, auf die u.a. die Menschenrechtsorganisation "Human Rights Watch" in einem Anfang Dezember vorgestellten Bericht hinwies.

Bestätigt wird dieser Eindruck auch durch im Januar von der Zeitschrift "Cambio" veröffentlichte Tonbandaufzeichnungen von Anweisungen des militärischen Führers der FARC, Jorge Briceño (alias "Mono Jojoy") aus dem Jahre 1999, in denen der Friedensprozess als rein taktischer Schachzug dargestellt wird. "Mono Jojoy" wird mit den Worten zitiert, die Gespräche mit der Regierung könnten nicht als Friedensverhandlungen bezeichnet werden, da es eine friedliche Lösung des Konfliktes nicht geben könne. Die entmilitarisierte Zone erscheint in den Augen von "Mono Jojoy" als militärischer Teilerfolg der Guerrilla, der in erster Linie dem Ausbau der eigenen Machtposition dient.

Der Friedensprozess vor dem Scheitern?

Seit der einseitigen Unterbrechung der Friedensgespräche durch die FARC im November 2000 verschärfte sich die Diskussion über die Fortsetzung des Friedensdialogs mit den FARC. Anfang Dezember verfügte Staatspräsident Pastrana zunächst eine Verlängerung der entmilitarisierten Zone bis zum 31. Januar, um der Guerrilla Gelegenheit zu geben, bis zu diesem Zeitpunkt an den Verhandlungstisch zurückzukehren. Stattdessen wurde der Friedensprozess jedoch kurz vor Jahreswechsel einer neuen Belastungsprobe ausgesetzt, als der Präsident der Friedenskommission des Kongresses, Diego Turbay, mit sechs Begleitern – allem Anschein nach von Guerrilleros der FARC – in unmittelbarer Nähe der entmilitarisierten Zone ermordet wurde. Die Guerrilla bekannte sich zwar nicht zu dem Anschlag, rechtfertigte diesen aber indirekt mit angeblichen Verbindungen Turbays zu paramilitärischen Gruppen.

Die intensiven Bemühungen der Regierung, trotz dieses neuerlichen Rückschlags noch vor Ablauf der festgesetzten Frist eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche zu ermöglichen, blieben ohne greifbaren Erfolg. Die FARC lehnten eine Rückkehr an den Verhandlungstisch vor dem 31. Januar ab und machten diese zudem von einer vorherigen Einigung über einen "Gefangenenaustausch" (Austausch inhaftierter Guerrilleros gegen Angehörige von Militär und Polizei, die sich in der Gewalt der FARC befinden) abhängig.

Das "Ultimatum" Pastranas

Unter diesen Umständen stand die Regierung Pastrana Ende Januar vor dem Dilemma, entweder mit der Verlängerung der entmilitarisierten Zone ein weiteres einseitiges Zugeständnis an die Guerrilla zu machen oder aber den Friedensprozess mit den FARC zu beenden - mit der Gefahr einer unkontrollierbaren Eskalation des bewaffneten Konflikts. Während die Mehrheit der politischen Beobachter sowie führende Vertreter von Regierung und Opposition für eine Verlängerung der entmilitarisierten Zone plädierten, nahm andererseits der Druck von Seiten des Militärs zu, der Guerrilla nicht erneut einseitig entgegenzukommen.

Große Aufmerksamkeit rief in diesem Zusammenhang eine Erklärung von Brigadegeneral Javier Arias hervor, der Truppenkonzentrationen im Departement Caquetá als Vorbereitungen zum Einmarsch des Militärs in die entmilitarisierte Zone bezeichnete. Auch wenn diese Äußerungen von Verteidigungsministerium und Oberkommando der Streitkräfte dementiert wurden, werden sie von zahlreichen Beobachtern als Ausdruck des bei Teilen des Militärs verbreiteten Unbehagens gegenüber der Friedenspolitik der Regierung Pastrana gewertet.

Anders als allgemein erwartet, kündigte Staatspräsident Pastrana am 31. Januar eine Verlängerung der entmilitarisierten Zone um lediglich vier Tage an, während derer er in einem persönlichen Treffen mit Guerrillaführer Manuel Marulanda die Möglichkeiten einer Fortsetzung des Friedensprozesses erörtern wolle. Ohne eine Wiederaufnahme der Gespräche werde es keine weitere Verlängerung der "zona de distensión" geben. Pastrana zeigte sich entschlossen, den Friedensprozess fortzusetzen, betonte aber zugleich die "historische Verantwortung" der FARC, "nicht die Tür zum Frieden zu verschließen", wie sie dies mit der einseitigen Suspendierung der Gespräche getan hätten.

Eine neue Chance für den Friedensprozess?

Die überwiegend als Ultimatum verstandene Ankündigung des Präsidenten fand breite Unterstützung in der öffentlichen Meinung. Die Tageszeitung "El Tiempo" (1.2.01) sprach von einer zugleich großzügigen wie standfesten Geste, die "einem Volk angemessen ist, das den Frieden will, aber (...) nicht bereit ist, diesen um jeden Preis zu erreichen". Große Beachtung fanden auch die Erklärungen von UN-Generalsekretär Kofi Annan sowie der Botschafter der Europäischen Union in Kolumbien, welche die FARC nachdrücklich zur Wiederaufnahme des Dialogs mit der Regierung aufforderten.

Ob das für den 8. Februar geplante Treffen zwischen Präsident Pastrana und Manuel Marulanda tatsächlich neue Perspektiven für den kolumbianischen Friedensprozess eröffnet, erscheint allerdings zweifelhaft. Abgesehen von der Bereitschaft, sich mit dem Präsidenten zu treffen, enthält die Antwort des Guerrillaführers wenig Elemente, die auf eine grundsätzlich veränderte Position der FARC schließen ließen. Bezeichnenderweise nennt Marulanda als Gesprächsthemen ausschließlich die Prioritäten der Guerrilla: "Gefangenenaustausch", Bekämpfung der Paramilitärs" und "Diskussion über den 'Plan Colombia'". Auf die Verhandlungsthemen "Waffenstillstand" und "Einhaltung des humanitären Völkerrechts" geht der Guerrillaführer dagegen mit keinem Wort ein.

Auch wenn eine Wiederaufnahme der Friedensgespräche nach dem 8. Februar bei gleichzeitiger Verlängerung der entmilitarisierten Zone nunmehr in greifbare Nähe gerückt ist, besteht daher kein Anlass zu besonderem Optimismus. Solange sich das militärische Kräfteverhältnis nicht wesentlich zu Ungunsten der Guerrilla verschiebt, erscheinen substantielle Zugeständnisse der FARC wenig wahrscheinlich.

Dennoch können die Ereignisse der vergangenen Tage als wichtiger innenpolitischer Erfolg von Staatspräsident Pastrana gewertet werden. Der Präsident hat die Grenzen der Verhandlungsbereitschaft der Regierung deutlich gemacht und damit verloren gegangenes Vertrauen der Bevölkerung zurückgewonnen. Die kommenden Wochen werden zeigen, ob die Regierung diesen Erfolg auf Dauer konsolidieren und damit ihren politischen Handlungsspielraum gegenüber der Guerrilla erweitern kann.

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Dr. Hubert Gehring

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