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„Shaun – wer ?“

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„Wer oder was ist bitte ´Wallace und Gromit´?“

Das ist mein Kenntnisstand am Vorabend des 23. Septembers. Shaun das Schaf habe ich ja zumindest schon mal gehört und vom Durchzappen ein grobes Bild im Kopf, aber soweit wie bei meinen Zimmerkolleginnen, die in Vorfreude auf den nächsten Tag gleich einmal den Titelsong anstimmen, reicht es dann doch nicht. Am Abend vor dem Besuch der „Aardman Animations“-Ausstellung in Frankfurt versuchen sie mich als Unwissende mithilfe einiger Youtube-Videos in die Geheimnisse der geliebten Serie einzuführen. Nichtsdestotrotz beschleicht mich langsam das Gefühl, ich hätte beim Durchzappen doch ein wenig länger auf dem Programm verweilen sollen.

Aber mal ganz ehrlich – Shaun das Schaf- das ist doch sowieso nur was für Kleinkinder, oder?

Am Morgen bestätigt sich bei einer ersten Recherche meine böse Vorahnung. Jahre, Geschichtsfakten, Besucherzahlen, Namen von vermeintlichen Superstars, von Helden, mit denen die anderen Kursteilnehmer „ihre Kindheit verbracht“ haben. Ich hingegen frage mich, wie um Himmels Willen ich in ein paar Stunden eine Reportage zu einem Thema abgeben soll, von dem ich bislang nicht die leiseste Ahnung habe.

Meine letzte Hoffnung ist das Filmmuseum, das zurzeit die Ausstellung „Die Kunst von Aardman – Wallace & Gromit, Shaun das Schaf &Co im Deutschen Filmmuseum“ beinhaltet.

Der ganze Wahn begann vor ziemlich genau 40 Jahren, als zwei zwölfjährige Schüler den ersten Versuch starteten, einen Animationsfilm über einen Superhelden namens „Aardman“ zu drehen. Für nur 15 Pfund konnten sie den Kurzfilm an den BBC verkaufen. Seitdem hat sich „Aardman“ weltweit einen Namen gemacht und für seine zahlreichen Kurz- und Spielfilme, Werbespots und Musikvideos über 600 Preise erhalten.

Die Ausstellung präsentiert den Weg von der Idee zur Zeichnung, weiter von der Zeichnung zur Figur, und mithilfe von Technik, Musik und Licht schließlich zum Gesamtwerk Film.

Die Arbeit beginnt mit aufwendigen Skizzenbüchern und Figurenentwürfen. Die „Model Maker“ erwecken die Ideen zum Leben: Aus einer Modelliermasse namens Aardmix und einem stützenden beweglichen Skelett, der Armatur, formen sie 30 Zentimeter große Figuren. Der Einbau von Miniaturgelenken ermöglicht präzise und lebensnahe Bewegungen. Mithilfe des „Stop motion“-Verfahrens kommt Bewegung in die Figuren. Schließlich geben die Kulisse mit ihrer atemberaubenden Detailverliebtheit, beispielweise erkennbar in den gerahmten Bildern in Wallace´s Wohnzimmer oder der Tapete mit Knochenmuster in Gromits Zimmer, sowie die Beleuchtung und der Ton den letzten Schliff.

Und spätestens zu diesem Zeitpunkt, als mein Kopf langsam anfängt zu qualmen, kommt mir das Ganze – Schafe, die komische Laute machen und von einem Hund mit Trillerpfeife durch die Gegend kommandiert werden – gar nicht mehr so kindisch vor. Jetzt erst beginne ich zu erahnen, wie viel mehr hinter all dem steckt. Pro Tag schafft das gesamte Team ca. vier Sekunden Filmmaterial. Für einen Kinofilm mit einer Länge von zwei Stunden bedeutet das geschlagene vier Jahre Arbeit.

Was mir gleich zu Anfang aufgefallen ist, ist das breitgefächerte Publikum. Entgegen meiner Erwartungen besteht dieses nämlich nicht nur aus Kindergruppen, sondern umfasst Personen jeder Herkunft und Altersklasse. Englisch, Spanisch, Französisch, Deutsch. Teenager, Rentner, Mütter mit Kleinkindern, Familien, Ehepaare, Einzelgänger. Zugegebenermaßen nicht gerade die Zielgruppe, die ich erwartet hatte.

Drei Räume, fünf Filme und zehn Infotafeln später kann ich sie verstehen. Denn schließlich bin ich nicht die Einzige, die der Faszination Knetanimation erlegen ist. Auch die Themen sind keineswegs nur an Kinder gerichtet. „In ´Chicken Run´ geht es im Prinzip um ein Hühner-KZ“, sagt unsere Führerin. „Und ´Flutsch und Weg´ hat nicht weniger Action als ein James-Bond-Film.“ Derartige Themen witzig, liebenswürdig und familienfreundlich darzustellen, das ist es, was die Arbeit der Studios ausmacht und die Besucher begeistert.

Ganz gleich, mit wem ich spreche –– die Menschen sind fasziniert. Einige Besucher sind aus Zufall in der Ausstellung gelandet, andere haben einen weiten Weg auf sich genommen. Kinderaugen sehe ich oft aufleuchteten, wenn ich sie nach ihren Helden aus Knete frage. Aber auch viele Eltern erzählen mir, dass sie es sich nicht nehmen lassen und ihren Kindern beim Schauen dieser Serien oft und gerne Gesellschaft leisten. Die Kinder scheinen dafür allerdings nicht der ausschlaggebende Punkt zu sein, so mein Eindruck: Auch Ehepaare ohne Kinder fiebern mit. Einige kennen die Folgen noch selbst aus ihrer Kindheit. „Die Szene kennen wir doch“, ruft eine Frau, die ich auch Mitte 40 schätze, begeistert beim Anblick einer ausgestellten Originalszenerie.

Den positiven Eindruck bestätigen auch die Eintragungen im Besucherbuch: „impressive“, „brilliant“; „c´est super“, „bei uns zu Hause gucken alle mit“, „interessant und spaßig zugleich“ sind die Meinungen der Besucher, die sich mit meinen decken.

Was also habe ich aus dem Tag gelernt? Dass ich mit meiner Theorie „Kinderkram“ grundlegend falsch lag. Hinter jedem Augenzwinkern von Shaun stecken hunderte von Bildern, Menschen, Ideen, Geld, Zeit, Aufwand und Knete. Die Kunst besteht genau darin: Dass das, was unvorstellbar viel Arbeit ist, kinderleicht aussieht. Die Mischung aus Action und Ernsthaftigkeit auf der einen und kindlicher Abenteuerlust und einer heilen Welt auf der anderen Seite weckt allgemeine Begeisterung. Und als wir beschließen, den heutigen Tag damit zu beenden, den Film „Shaun das Schaf“ zu gucken, muss ich zugeben, dass ich den wolligen Superhelden womöglich doch ins Herz geschlossen habe.

Von Clara Catharina Lösel

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