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Abstracts der Vorträge 2008

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2008: Zukunft der Erinnerung - Literatur in der europäischen Bildungsgesellschaft

Prof. Dr. Jürgen Barkhoff (Trinity College Dublin)

Modernisierung und Identitätswandel in Europa. Das Beispiel Irlands im Spiegel der Literatur

Der Beitrag reflektiert am Beispiel der autobiographischen Texte des deutsch-irischen Autors Hugo Hamilton die Wirkung von Migrationsphänomenen auf Prozesse europäischer Identitätskonstruktion.

Hamiltons Biographie The Speckled People beschreibt dessen Aufwachsen im Irland der 1950er und 1960er Jahre als Sohn einer Deutschen, die nach dem Krieg auf der Suche nach Abstand nach Irland kam, und eines irischen Vaters, der fanatisch einem essentialistischen und puristischen Kulturnationalismus anhängt und der seinen Traum eines puren, vom kolonialen Erbe gereinigten Irentums rabiat durchzusetzen versucht. Er vertritt damit eine Ideologie, die jener, vor welcher die Mutter nach Irland floh, gar nicht so unähnlich ist. In der Konfrontation mit dem Emigrationsschicksal der Mutter und ihrer historischen Last als deutsches Opfer der Nazis, wahrgenommen aus der Perspektive der zweiten Generation, kritisiert und relativiert das Buch den ideologischen Untergrund genau jenes idealisierenden Irlandbildes, das, nicht zuletzt im Gefolge von Bölls einflussreichem Irischem Tagebuch, unzählige Deutsche auf der Flucht vor der eigenen Identitätsproblematik so magisch angezogen hatte. Auf vielen Ebenen thematisiert das Buch so in der Auseinandersetzung mit deutscher und irischer Geschichte die dialektischen Beziehungen zwischen Opferidentität und Täteridentität. Dabei zeigt es in den Brüchen, Konflikten und Chancen der Hybrididentität der zweiten Generation das ihr inhärente Flexibilitäts- und Toleranzpotential wie auch die Fähigkeit zu Selbstreflexion und Selbstrelativierung. Hamiltons Plädoyer für die Attraktivität und Humanität nicht-monolithischer, gebrochener und pluraler Identitätsentwürfe erscheint besonders relevant vor dem historischen Hintergrund des irischen Emigrationstraumas, aber auch aktuell angesichts der rapiden Modernisierungsprozesse in Irland in den letzten 20 Jahren, die es von einem der ärmsten Länder Europas zu einem der reichsten Länder der Welt gemacht und im Zuge der Arbeitsimmigration eine ethnisch sehr homogene Gesellschaft zu der für Europa heute insgesamt charakteristischen multikulturellen Pluralität umgeformt haben.

Prof. Dr. Lothar Bluhm (Universität Koblenz-Landau)

‚Bewertung’ statt ‚Bewältigung’ nationaler Vergangenheiten. Anmerkungen zum Erinnerungsdiskurs in der zeitgenössischen deutschen Literatur

Die Begriffe ‚Bewertung’ und vor allem ‚Bewältigung’ sind aus dem wissenschaftlichen Erinnerungsdiskurs unserer Zeit weitgehend verschwunden. Gleichwohl sind die mit beiden Begriffen verbundenen Fragen nach wie vor aktuell. Im Rahmen eines Überblicks über erinnerungsliterarische Entwürfe und einer Extremform des literarisch-publizistischen Erinnerungsdiskurses – der publizistischen ‚Literaturstreite’ nach 1989/90 – wird die Frage nach ‚Bewertung’ und ‚Bewältigung’ erneut aufgenommen und diskutiert.

Prof. Dr. Anke Bosse (Universität Namur)

Gegenbewegung zur Globalisierung? Regionalisierung in der neueren deutschsprachigen Literatur

Mit ,Globalisierung’ und ,Regionalisierung’ sind zwei Phänomene aufgerufen, die einerseits im Gegensatz zueinander stehen: die maximalräumliche ,Globalisierung’ hat als topographischen Orientierungsrahmen den ,Globus’, der als solcher die konkrete Erfahrung des einzelnen Individuums übersteigt. Die ,Regionalisierung’ hat als topographischen Orientierungsrahmen die kleinräumliche ,Region’, die wiederum das Versprechen transportiert, per Überschaubarkeit individuell konkret erfahrbar zu sein. Auch bauen ‚Globalisierung’ und ‚Regionalisierung’ gegensätzliche Zeitordnungen auf: Beschleunigung und Verlangsamung. Hingegen ist beiden Phänomenen gemeinsam, dass ihr topographischer Bezugsrahmen nicht mehr politisch oder national definiert ist, denn beide sind supranational. Darüber verbinden sich Hoffnungen und Ängste mit ihnen, die Konsequenzen für Identitätsbildungen haben – und für die Literatur.

Der Vortrag unterscheidet zwischen ,Region’, ,Regionalismus’ und ,Regionalisierung’. Da Regionen keine politisch oder topographisch eindeutigen Grenzen haben, setzen sie ,Kultur’ als differenzierendes symbolisches System ein: z.B. gezielte Kontrastierung dialektaler Sprachvarianz gegenüber der Sprachnorm, Pflege regionaler Bau-, Ritual-, Kleider-, Ess- und Verhaltensordnungen. Dieses symbolische System stabilisiert sich über Narrative, die, oft generationenübergreifend, Vergangenheit und Gegenwart verbinden und so jene Kontinuität konstruieren, über die die individuelle und die kollektive Identität im Regionalen verankert werden und eine regionale Kultur als kollektives kulturelles Gedächtnis sich etablieren kann. Diese symbolischen Systeme und ihre Narrative dienen also dazu, die Existenz einer ,Region’ glaubhaft zu machen. Gegen die raum-zeitlichen Zentrifugalkräfte der Globalisierung setzen sie topographische Verankerung des Einzelnen und eine entschleunigende, verlangsamende Bewahrung der Lebenswelt, mit der sich der soziale Zusammenhalt einer „imagined community“ verbindet, der a) Sicherheit zumindest suggeriert, b) sich durch Widerständigkeit gegenüber ,überregionalen’ Eingriffen auszeichnet und c) Differenz immer wieder durch Abgrenzung erstellt. Über die drei letztgenannten Tendenzen können Konzepte und Verhaltensweisen entstehen, die Gefahr laufen, retrograd, die Vergangenheit verherrlichend, legitimistisch und ideologisch zu werden, in Stereotypen und Klischees zu erstarren. Ein solcher Regionalismus arbeitet gezielt mit der Illusion, das regional ,Authentische’ zu bewahren und die ,Grenzen’ einer Region definieren zu können.

Demgegenüber wäre ein dynamischer Begriff des Regionalen herauszuarbeiten, der die Prozesse der Grenzbildung und der Identitätsbildung qua Differenz sowie die damit verbundenen Narrative offenlegt. Das Regionale wäre als ein Verfahren nahräumlicher, der menschlichen Wahrnehmungsfähigkeit angepasster Orientierung aufzufassen, dessen prozessualer und vor allem konstruktiver Charakter hervorzuheben ist. Auch die zeitliche Dimension des Regionalen, die ‚entschleunigende’ Verlangsamung und die Kontinuität, sind konstruiert, insbesondere in den Narrativen.

Narrative entstehen durch Erzählen als fundamentaler kultureller Praktik. Literatur hat Teil an diesen Narrativen – und darüber auch eine ethische Verantwortung.

Dies ist im Blick zu behalten, wenn wir auf jene zeitgenössische Literatur schauen, die zum einen auf die sich beschleunigenden Zentrifugalkräften der Globalisierung und zum anderen auf die Tendenz zur globalen kulturellen Homogenisierung antwortet – nach Gert Mattenklott mit der gegenstrebigen Tendenz zur „imaginären Regionalisierung“. Diese Literatur reagiere mit „Strategien der Verlangsamung, Verkleinerung“ – also einer zeit- und einer raumbezogenen. Diese Strategien sind m.E. an sich zu vage, entscheidend wäre, ob sie der zentrifugalen Sprengung von Zeit- und Raumwahrnehmung entgegenarbeiten. Und sie müssten m.E. im Modus konzentriert nahräumlicher Orientierung zusammenspielen, der sowohl die Topographie avisiert als auch die – regionalen – Sprach-, Bau-, Ritual-, Kleider-, Ess- und Verhaltensordnungen. Außerdem wäre zwischen einer in diesem Sinne ,regionalisiernden’ Literatur und einer ,regionalistischen’ Literatur zu unterscheiden. Wenn nämlich das Verhältnis Figur-Region rein affirmativ dargestellt wird, keinerlei Reibungen oder Brüche bietet – genau jene Linien, an denen ,Identität’ sich als ,Differenz’ konstruiert –, dann kippt der Text in Regionalismus, der den Leser zur bloßen Akklamation, zur Identifikation verleitet. Dann verstärkt der Text lediglich jene ,Antihaltung’ und ,Abgrenzung’, die im heutigen politischen Regionalismus als „Gegenbewegung zur Globalisierung“ zentral ist. Dann verleitet ein solcher Text den Leser dazu, per Identifikation seine Verantwortung als Leser aufzugeben, nämlich zwischen der Realität und fiktionalem ,Als-ob’ zu unterscheiden.

Nimmt ein Leser aber das von Literatur Evozierte für ,real’ und ignoriert den Modus des ,Als ob’, so verstößt er gegen die fundamentalen Regeln einer Ethik des Lesens. Ein Text mag zur Lektüre provozieren, der Verantwortliche für die jeweilige Lesart ist der Leser – und er ist es, der verändert wird. Er verlässt die Lektüre als ein anderer, und bezeugt darin die „Plastizität“ des Menschen. Nach Wolfgang Iser bietet uns gerade Literatur die ,Bühne’, auf der wir unser fundamentales, anthropologisches Bedürfnis nach Selbstauslegung ausagieren können: „Literature fans out human plasticity into a panoply of shapes, each of which is an enactment of selfconfrontation. The impossibility of being present to ourselves becomes our possibility to play ourselves out to the fullness that knows no bounds” – und, so wäre zu ergänzen, Identität als etwas zu verstehen, das wir in einem offenen, endlosen Prozess modellieren, konstruieren, entwerfen. Zu einer Ethik des Lesens gehört also zu erkennen, dass Literatur uns das Angebot macht, uns dieses Konstruierens bewusst zu bleiben und es vor allem als genuin menschliche Fähigkeit anzuerkennen, die darin alle wie auch immer definierten kulturellen/regionalen Grenzen immer schon transgrediert.

Literatur so lesen zu können, hängt eng mit ihren medialen Bedingungen zusammen. Über das Buch als ,ihrem’ Medium bewirkt Literatur wesentlich eine – Verlangsamung. Im Gegensatz zu Simsen, Mailen, Chatten, Telefonieren etc. bedeutet Lesen Innehalten, Konzentration auf das Detail, Ausstieg aus der heute vermeintlich so wichtigen ständigen Erreichbarkeit. Literatur zeichnet sich so also gegen die Zentrifugalkräfte einer globalisierten Kommunikation aus. Imaginäre Regionalisierung in der Literatur verstärkt diese Widerständigkeit – auch und gerade für den Leser.

Prof. Dr. Wolfgang Braungart (Universität Bielefeld)

Literatur zwischen Auratisierung und Medialisierung

Der Vortrag versucht zunächst, einige grundsätzliche Aspekte der Leitbegriffe ,Auratisierung und Medialisierung’ zu erläutern. Dann skizziert er – in einer historischen Rückblende auf die bürgerliche Epoche des 19. Jahrhunderts – die Epoche der ,Bildung’ und untersucht, wie sich das Literatursystem im Zeichen von Auratisierung und Medialisierung selbst reguliert. Die Stichworte sind hier: Kunstreligion und ästhetischer Paradigmenwechsel zum Symbolischen, Geselligkeit, Ironie, Realismus. Der Schluss des Vortrages bezweifelt energisch, dass diese grundsätzlichen Möglichkeiten von Literatur, dieses ,bildungsbürgerliche Erbe’, in einer zukünftigen Wissensgesellschaft obsolet werden könnten. Dieses Erbe ist eine Herausforderung an das Subjekt und konstitutiv für den Reichtum der Literatur.

Prof. Dr. Matteo Galli (Universität Ferrara)

Der Angriff der Vergangenheit auf die Gegenwart? Deutsche Literatur und deutscher Film in Italien

In meinem Vortrag werde ich mich mit den Paradigmen des literarischen und des kinematographischen italienischen Marktes befassen im Hinblick auf die deutsche Vergangenheit. Beweisen möchte ich Folgendes: während die deutschen Filme, die in Italien vertrieben werden, nach wie vor dem Paradigma der – vielleicht um die DDR-Vergangenheit erweiterten – Vergangenheitsbewältigung entsprechen, so dass der italienische Zuschauer kaum weiß, was sich tatsächlich im deutschen Film und dementsprechend in der aktuellen deutschen Gesellschaft tut, versucht sich der literarische Markt langsam von jenem Paradigma zu befreien, so dass altehrwürdige Verlagshäuser wie Einaudi, Feltrinelli und Mondadori, die von der deutschen Vergangenheit jahrzehntelang gezehrt haben, nun Autoren wie Kehlmann, Regener, von Düffel, Jan Costin Wagner und Thomas Hettche veröffentlichen.

Prof. Dr. Rüdiger Görner (University of London)

Mediale Transformationen des Wissens

Was am Wissen transformiert sich medial und in was? Das dürfte sich bei diesen Überlegungen als eigentliche Leitfrage herausstellen – wie auch die Frage nach dem Wesen des Mediums selbst und dessen Einfluss auf die Art der Transformation und auf die Qualität dessen, was durch diese Transformation entsteht. Oft sind es ja die Fragen selbst, die Gegenstand der Transformation sind und die sich aus einem bestimmten Wissen ergeben. Die elementarste Form von Transformierung des Wissens ist die vom bereit gestellten Wissen in das vom Menschen Gewusste. Nur als individuell Gewusstes ist das allgemeine Wissen lebendig präsent, weil in einem Zustand, der es seinerseits dem Gewussten ermöglicht, weiter gegeben zu werden. Das Wissen und seine Transformationen unterliegen demnach dem permanenten Wechselspiel von individuell Gewusstem und dem ins Gesellschaftliche eingebrachten Wissen; meist in Gestalt von Handlungswissen. Zwischen (ästhetischer oder pädagogisch-didaktischer) Wissensvermittlung und der Abrufbarkeit von Wissen im Netz ergibt sich ein offensichtlicher qualitativer Unterschied: Human-mediale Vermittlung und Transformation von Wissen bestehen nicht aus ‚reiner’ Datenweitergabe, sondern immer aus interpretiertem Wissen.

Prof. Dr. Françoise Lartillot (Université Paul Verlaine Metz)

Die (deutsch-französische bzw. europäische) Fabel des Hasen der Kulturwissenschaft und des Igels der Literaturwissenschaft und deren moralisch-humanistische Implikationen

Verbreitet ist die Vorstellung, es müsse ein Wettkampf zwischen dem Hasen der Kulturwissenschaften und dem Igel der Literaturwissenschaft stattfinden. Das scheint nunmehr deutsche und französische Germanistik zu einer europäischen Einheit zusammenzuschweißen. Obwohl die Vorrangigkeit der Kulturwissenschaften auf der Vorstellung beruht, sie würde ein Mehr an Wissenschaftlichkeit bieten, möchte ich voraussetzen, dass dieser Wettkampf, der unsere Disziplinen prägt und einigen Stimmen zufolge mit dem Garaus des Igels enden sollte, ein nicht stattfindender oder gar ein sich ewig wiederholender ist (in Frankreich hat er sogar schon die Entstehung der Germanistik unter dem Einfluss von Gustave Lanson geprägt). Daraus sollte eine Knebelung weder der Literatur noch der Literaturwissenschaft erfolgen, bleiben sie doch (auch im Sinne von Lanson) der Spiegel, in dessen Brennpunkt die Interaktion von Sprache, Individuum und Kultur eine paradigmatische, pluralistische aber auch orientierte Bedeutung erhält – hier im Sinne von Deleuze und Szondi. Nachdem ich Entstehung und Entwicklung der französischen Germanistik geschildert habe, werde ich auf eine Möglichkeit eingehen, den humanistisch-moralischen Wert der Literatur ins 21. Jahrhunde rt hinüberzuretten, indem ich mich auf die Bedeutung der Narrativik stütze, und diese Möglichkeit an der Darstellung von einigen für Peter Handkes letzte Werke typischen Probleme zu beweisen.

Prof. Dr. Barbara Naumann (Universität Zürich)

Migration des Schreckens. Über das Verwischen nationaler Identität in Schrift und Bild

Mein Beitrag richtet einen Blick auf literarische Verfahren des Umgangs mit den Motiven der Migration, genauer: mit Szenarien des Schreckens und des Leids, die die Migration zu einem Problem der literarischen Darstellung machen. An Passagen aus den Werken W.G. Sebalds und Jean Amérys verfolgt der Vortrag, wie die Erzählung der Migration die Struktur der Migration in die Erzählform aufnimmt. In einem klassischen literaturwissenschaftlichen Register könnte man davon sprechen, dass die von der Migration des Schreckens veranlasste Verschiebung und Zerstreuung die Poetik der Erzählung bestimmen. Eine These des Vortrags ist folgende: Das Erzählen von der Migration des Schreckens vollzieht sich als ein Erzählen der Zerstreuung von Identität. Es wird gezeigt, dass die Struktur des Textes und seiner Bilder sich als ein Effekt des zugrunde liegenden Problems zu erkennen gibt. Der Identitätsverlust erscheint einerseits als Erfahrung des Schreckens. Zugleich verfolgt der Vortrag, wie die Texte das Problem auch in aktiver Weise bearbeiten: sie verwehren sich mit bestimmten Formen der Zerstreuung oder Auflösung gegen den Identitätszwang.

Prof. Dr. Beatrice Sandberg (Universität Bergen)

Die Zukunft der Germanistik in Europa

Ein Blick auf die Entwicklung der Auslandsgermanistik in den letzten 40 Jahren zeigt ein Fach, das in vielen Ländern starken Schwankungen ausgesetzt war/ist.

Verschiedene Faktoren sind dafür verantwortlich (politisches und wirtschaftliches Ansehen der Bundesrepublik, Anstieg/Rückgang geburtenstarker Jahrgänge, steigendes Interesse am Deutschstudium nach der Wiedervereinigung, Englisch als lingua franca, wachsende Popularität von Spanisch und anderer Studienfächer wie Medien und Kommunikationswissenschaften, Mittlerer Osten/Religionswissenschaften, langsam Asien mit Chinesisch). In einigen Ländern steht die Germanistik in Gefahr, als ein Studienfach, das sich mit der Germanistik in den deutschsprachigen Ländern vergleichen lässt, zu verschwinden und durch Personalabbau auch forschungsmäßig an Bedeutung zu verlieren. Dem Interesse an einer Forscherkarriere steht die Aussicht auf fehlende Anstellungsmöglichkeiten entgegen, und aus dem gleichen Grunde gibt es weniger Stipendienangebote. Trotz baldiger hoher Pensionierungsraten von Deutschlehrern meldet sich vielerorts kaum Nachwuchs an den Lehrerschulen, während Übersetzerkurse und Fachsprachenangebote relativ gute Nachfrage haben.

Was wäre zu tun? Es gibt Faktoren, auf die wir keinen Einfluss haben – oder nur indirekt, wie Geburtenzahlen, Konjunktur oder Wirtschaftsflauten, die auf Studien- und Fächerwahl einwirken. Bei schwachem Arbeitsmarkt steigen die Studentenzahlen generell, bei Hochkonjunktur und Vollbeschäftigung gehen sie zurück. In Italien hat die Priorisierung der zweiten Fremdsprache vor allem negative Resultate gebracht, also fragt es sich, welche Mittel die richtigen sind, um die gewünschten Resultate zu erzielen. Kann man den weiteren Rückgang des Deutschstudiums verhindern oder hat man die Tendenz zu akzeptieren, welche Englisch zur allein genügenden Fremdsprache erklärt? Könnte man der Germanistik etwas von der gegenwärtigen Attraktivität des Spanischstudiums geben, oder ist die Attraktivität an geographische, musikalische und andere Qualitäten bestimmter Länder und Kontinente gebunden wie im Falle von Südamerika oder Australien? Für den Bereich, innerhalb dessen eine Einflussnahme möglich ist, sollen einige Möglichkeiten zur Diskussion gestellt werden, welche ein Gegengewicht schaffen könnten zu jenen Tendenzen, welche ein Studium der Germanistik als unattraktiv erscheinen lassen. Es muss auch gefragt werden, wie eine künftige Germanistik in Europa aussehen könnte und wie sich Auslandsgermanistik und Inlandgermanistik zu einander verhalten.

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