Teils hetzend, teils schlendernd passieren Jugendliche, Senioren und frisch gebackene Eltern die Marktstraße der Düsseldorfer Altstadt. Die von Geschenktüten beladenen Fußgänger und die dekorativen Girlanden verbreiten eine vorweihnachtliche Stimmung, die durch das sanfte Fideln des bulgarischen Straßenmusikers unterstrichen wird. Keiner der vorbeigehenden ahnt, was der unauffällige dunkelhaarige Mann schon erlebt hat.
Er bleibt nicht unbemerkt, aber doch zunächst meist unbeachtet, der
34-jährige Lyuben B. (Name geändert). Er ist vor drei Jahren mit seiner Frau und seinen zwei Kindern nach Düsseldorf gezogen. Kein einfacher Weg, wenn man weder viel Geld hat noch die Sprache beherrscht. Seitdem er in Deutschland wohnt hatte er zahlreiche Kurzzeitjobs, immer Stellen für die man keine Ausbildung braucht, denn die hat er nicht. Seine Frau arbeitet nicht. Sie passt auf die Kinder auf, die inzwischen drei und fünf Jahre alt sind. Sein Gesicht ist gezeichnet vom Leben. Eine kleine Narbe an der linken Augenbraue erinnert ihn stets an seine prägende Jugend. Geprägt durch Prügeleien und lange Nächte auf der Straße. Doch diese Zeit ist vorbei. Er ist jetzt seit einem knappen Jahr als Security bei der Deutschen Bahn angestellt und verdient genug, um seine Familie zu versorgen.
In seiner freien Zeit sitzt er oft so wie jetzt auf einer Bank, eingehüllt in seine schwarze Steppjacke und einen Schal. Vor ihm, auf einem Klapphocker, steht sein geöffneter Geigenkoffer in dem vereinzelte Münzen liegen. Hin und wieder bleiben ein paar Leute stehen, lauschen andächtig der wohlbekannten Melodie, „Für Elise“, von Mozart, und geben ihm eine kleine Spende. Ein kleines Mädchen tanzt mit ihrem Vater im Kreis herum. Die Vorfreude auf Weihnachten steht den beiden ins Gesicht geschrieben.
Als ihn eine ältere Dame auf sein Talent anspricht, erzählt der junge Geiger, dass er schon seit vielen Jahren Geige spiele und eine angesehene Musikschule in Bulgarien besuchen wollte. Doch als er im Alter von 11 Jahren auf brutale Weise seine Eltern verlor, gab er das Spielen auf und überließ sein Leben dem Alkohol. „Mein Leben hatte kein Sinn mehr und meine neuen Freunde vermittelten mir das Gefühl, verstanden zu werden.“, erinnert er sich. In diesem Moment sieht man ihm den Schmerz seiner Kindheit so deutlich an, dass er gleich zehn Jahre älter aussieht.
Auf die Frage hin, ob er sich denn auf das bevorstehende Fest freue, erhellt sich Lyubens Gesicht wieder und er meint, er könne es kaum erwarten mit seiner Familie um den Christbaum zu sitzen und bulgarische Weihnachtslieder zu singen. „Meine Kinder und meine Frau glücklich zu sehen verleiht mir ein unbeschreibliches Gefühl der Zufriedenheit.“ Sein älterer Sohn wird im kommenden Schuljahr eingeschult und hat im Kindergarten bereits Deutsch gelernt. „Bald haben wir genug Geld gespart um unsere Verwandten in Bulgarien zu besuchen.“, erwidert er auf die Frage ob er damals Angehörige in Bulgarien zurückgelassen habe.
Weihnachten ist also wie für viele andere Familien auch für Lyubens Familie eins der schönsten Feste im Jahr.
von Maren Baethmann