Asset-Herausgeber

Die Europäisierung des Handelsvertreterrechts

Eine ökonomische Analyse

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Sven Barth

Wirtschaftswissenschaften

Universität Paderborn

Der Handelsvertretervertrag für freie Handelsvertreter reguliert und erleichtert die Gestaltung des Warenverkehrs erheblich. Jedoch gibt es im internationalen Kontext aufgrund der Geltung der unterschiedlichen nationalen Rechtsordnungen große inhaltliche Schwierigkeiten.

In der Europäischen Union sind Handelsvertreterverträge prinzipiell durch Vorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten geregelt. Im grenzüberschreitenden europäischen Handelsverkehr können die Parteien dabei entscheiden, welches Recht für ihr Vertragsverhältnis angewendet werden soll.

Die europäische Handelsvertreterrichtlinie harmonisiert die unterschiedlichen nationalen Ordnungen der EU-Mitgliedsstaaten jedoch nur in grundlegenden Bereichen. Auch umfasst die Richtlinie vorerst nur Warenhandelsvertreter, wobei die nationalen Gesetzgeber frei sind, ihr eigenes Vertreterrecht diesbezüglich weiter zu fassen. Dies führt jedoch zu einem unterschiedlichen nationalen Verständnis des Handelsvertreterrechts. Aufgrund von unbestimmten Rechtsbegriffen und z.T. großem Umsetzungsermessen haben die Inhalte der Richtlinie keineswegs eine abschließende Lösung bewirkt. Dies hat zur Konsequenz, dass es innerhalb der EU bzw. des EWR-Raums zu ähnlichen, jedoch nicht zu einheitlichen Vertragswerken gekommen ist.

Diese Abweichungen der nationalen Vertragswerke können dazu führen, dass Unternehmen und Handelsvertreter ihre den Warenverkehr fördernden Tätigkeiten auf Grund von Auslegungsschwierigkeiten nicht problemlos nachgehen können. Das Hauptproblem ist insbesondere die Unsicherheit der Rechtslage. Diese Rechtsunsicherheit erschwert im grenzüberschreitenden Verkehr nicht nur die Suche nach einer möglichst optimalen nationalen Rechtsordnung und nach adäquaten Vertragspartnern, sondern auch die Formen der Vertragsverhandlungen und -abschlüsse. Dies alles verursacht gerichtlichen Klärungsbedarf und damit einen Entzug finanzieller Mittel, die der eigentlichen Marktverwendung somit nicht mehr zur Verfügung stehen. Diese Unsicherheiten treffen nicht nur Großunternehmen, sondern kleine und mittelständische Betriebe, weil gerade diese zumeist nicht über das notwendige Beratungskapital verfügen, um ihre internationalen Tätigkeiten rechtssicher zu gestalten.

Die Problematik eines zeitgemäßen und effektiven Handelsvertretervertragsrechts greift auch der europäische Gesetzgeber auf. So ist es in Anbetracht etwaiger Friktionen nicht verwunderlich, dass die Europäische Kommission im Rahmen des Refit-Programms zur Gewährleistung der Effizienz und Leistungsfähigkeit der Rechtsetzung auch die Handelsvertreterrichtlinie überprüfte. Nachdem die Kommission im Jahr 2014 eine öffentliche Konsultation initiierte, erhielt sie insbesondere von Einzelvertretern, Interessensvereinigungen und Handelskammern entsprechende Antwortdokumente. Nach ihrer Auswertung resultierte die REFIT-Konsultation Mitte 2015 vorerst in einem Arbeitsdokument, das die Notwendigkeit und den Nutzen der Handelsvertreterrichtlinie, insbesondere für KMU, anerkannte und in der Folge empfahl die Richtlinie in ihrer derzeitigen Form beizubehalten.

Um die Warendistribution auf internationalen/europäischen Märkten zu verbessern, spricht viel für eine vollständige Harmonisierung des Handelsvertreterrechts. Denn die Geltung unterschiedlicher Normen erfordert weitreichende Rechtskenntnisse der Parteien und damit verbunden einen hohen Beratungsaufwand, der in der Konsequenz den grenzüberschreitenden Warenverkehr negativ beeinflusst.

Zudem ist die Union gem. Art. 26 AEUV aufgefordert, einen gemeinsamen Binnenmarkt zu verwirklichen, also seine Disharmonien zu beseitigen um somit sein Funktionieren zu gewährleisten. Dieser Binnenmarkt umfasst aber nicht nur räumliche Dimensionen und die physischen Grenzen, sondern vorranging die rechtliche Dimension des freien Verkehrs von Waren, Personen, Dienstleitungen und Kapital - also der Grundfreiheiten.

Allerdings kann eine vollumfängliche Harmonisierung gegen das Subsidiaritätsprinzip verstoßen - also gegen den Zuständigkeitsvorrang kleinerer Regelungseinheiten gegenüber den Größeren, insofern diese kleineren Einheiten die Problematik eigenständig effizienter regeln können. So gibt Art. 5 EUV als zentrale Norm des europäischen Kompetenzgefüges grundlegende Voraussetzungen für die Kompetenzausübung durch die Union gegenüber den Mitgliedsstaaten vor. Ein Einschreiten der Union ist damit nur möglich, wenn der nationale Gesetzgeber eine Regulierung nicht eigenständig herbeiführen kann und eine Problemlösung des europäischen Gesetzgebers gleichsam ökonomisch effektiver wäre.

Das Ziel der Arbeit ist es, die grundsätzliche Frage zu beantworten, ob und in welchem Maße eine Harmonisierung des europäischen Handelsvertreterrechts ökonomisch sinnvoll und sogar notwendig ist oder ob die Verantwortung in der nationalen Privatautonomie liegen muss.

Methodisch bewertet das Dissertationsvorhaben die Effizienz von Rechtsnormen anhand der Neuen Institutionenökonomik, denn durch ihren offenen, interdisziplinären Charakter ist es möglich, neben den verhaltensbeeinflussenden Wirtschaftsinstitutionen, auch Institutionen des Rechts zu untersuchen, die sich als Rahmen um das wirtschaftliche Handeln legen. Dadurch stehen nicht nur Wirtschaftssubjekte im Mittelpunkt der Analyse, sondern vor allem die Rechtsinstitutionen, die menschliches Handeln beeinflussen und lenken.

Zur Beseitigung der Friktionen, stellt sich die Frage ob im Rahmen eines relativen Effizienzbegriffs nationale Gesetzgeber oder der europäische Gesetzgeber diese Regelungsdisharmonien effizienter beseitigen können. Die relative Effizienz wird in diesem Zusammenhang aus der Betrachtung der Transaktionskostenniveaus abgeleitet, die sich beim Vergleich von nationalem und europäischem Gesetzgeber ergeben.

Die so ermittelten, unterschiedlichen Transaktionskostenniveaus ermöglichen einen qualitativen Vergleich von Normen. Darüber hinaus lässt sich die relative Kostenersparnis der Marktransaktionskosten (Such- und Informationskosten, Verhandlungs- und Entscheidungskosten, Überwachungs- und Durchsetzungskosten) mit denjenigen der Unternehmenstransaktionskosten und Kosten, die mit der Gründung, Nutzung, Entstehung und Implementierung oder dem Einsatz und Unterhalt der Institutionen gegenüberstellen und vergleichen.

Ein derartiger Rechtsvergleich zeigt nicht nur Regelungsdefizite im Handelsvertretervertragsrecht auf, sondern verdeutlicht, an welcher Stelle gesamtwirtschaftlich hinderliche Transaktionskosten zu vermeiden sind. Eine darauf bezogene Ergebnisanalyse mit ihren Handlungsempfehlungen unterstützt den freien Warenverkehr - eine der Grundfreiheiten des europäischen Binnenmarktes. Auf dieser Basis kann sodann eine ökonomisch begründete Empfehlung zur transaktionskostensenkenden Ausgestaltung eines europaweiten Handelsvertreterrechts getroffen werden. Der Wegfall derartiger Hemmnisse und Friktionen fördert das Gemeinwohl.

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