Asset-Herausgeber

Die Politische Ökonomie der Auslandsdirektinvestitionen

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Dipl. Oec. Janis Kluge

Internationale Politische Ökonomie

Universität Witten/Herdecke

Diese Dissertation ist der Frage gewidmet, wie politische Risiken für ausländische Investoren erklärt werden können. In der Arbeit werden bestehende theoretische Ansätze zu Auslandsinvestitionen um neue Konzepte aus der politischen Ökonomie erweitert. Anhand von Fallstudien aus dem russischen Mobilfunkmarkt werden verschiedene Investitionsstrategien im Kontext fehlender Rechtsstaatlichkeit untersucht.

Ausländische Direktinvestitionen (foreign direct investment, FDI) in Staaten ohne demokratischen Rechtsstaat sind in den vergangenen 15 Jahren sowohl absolut als auch relativ zu den gesamten Direktinvestitionen stark gewachsen. Dennoch werden die politischen Risiken, denen ausländische Investoren in solchen Staaten ausgesetzt sind, durch die Wirtschaftswissenschaft kaum zufriedenstellend erklärt. Dies hat drei Gründe: 1.) wird fast nur den Bedingungen bei Markteintritt des Investors viel Aufmerksamkeit geschenkt, obwohl diese sich Zeitverlauf drastisch ändern können, 2.) konzentriert sich die Literatur zu politischen Risiken auf Fälle vollständiger Enteignung, obwohl Phänomene wie „schleichende Enteignungen“ und regulatorische Diskriminierung immer wichtiger werden und 3.) fokussiert die bestehende Literatur zu sehr auf die Regierungen von autoritären Staaten.

Bisher sehen sowohl die Literatur der Politischen Ökonomie als auch die des Strategischen Managements in opportunistischem Verhalten von autoritären Regierungen das Hauptrisiko für ausländische Investoren. In Modellen wie dem Olsonschen „stationary bandit“ und den Bargaining-Theorien der Management-Literatur werden Regierungen als monolithische Akteure dargestellt und ihr Verhalten durch sich im Zeitverlauf ändernde Anreize erklärt. Oftmals ist der Ursprung von Diskriminierung gegen ausländische Investoren aber nicht die Entscheidung einer Zentralregierung. Stattdessen werden Behörden und andere staatliche Einrichtungen von Interessengruppen außerhalb der Regierung instrumentalisiert. Die Diskriminierung erfolgt dann zwar mit Hilfe staatlicher Stellen, aber nicht im Namen eines einheitlichen Akteurs „Staat“. Für die Einschätzung und Reduzierung politischer Risiken ist ein theoretischer Ansatz notwendig, der auch dezentrale Risikoquellen erklären kann.

Die Modellierung von Regierungen als einheitlicher Akteur oder „single-actor state“ ist in meinen Augen die Folge einer voreingenommenen Sichtweise auf autoritäre Staaten. Diese werden als „defekte“ Demokratien gesehen, ohne dass die fundamentalen Unterschiede zwischen demokrati-schen und autoritären Gesellschaften erfasst werden. Die Modelle der bestehenden FDI-Literatur spiegeln die Erfahrung westlicher, demokratischer Staaten wieder, in denen das Gewaltmonopol politisch kontrolliert wird bzw. ein hohes Maß an „state capacity“ vorliegt. Dies wird durch die Be-trachtung von Regierungen als einheitlichen Akteur auch für autoritäre Staaten unterstellt. Es ist aber oft nur augenscheinlich der Fall. Eine wachsende Zahl von Studien zu mangelnder „state capacity“ in Entwicklungsländern zeigt, dass die Möglichkeiten von Regierungen begrenzter sind als gemeinhin angenommen. Auch unterliegen die gewaltausübenden Staatsorgane häufig nicht der vollständigen Kontrolle durch die Politik.

In meiner Arbeit versuche ich, die in der FDI-Literatur verbreitete Modellierung autoritärer Staaten als monolithischen Akteur zu überwinden, indem ich eine Brücke zu den neueren Theorien der Politischen Ökonomie schlage. Hier verwende ich insb. das Konzept der Limited-Access Order, das von North, Wallis und Weingast entwickelt wurde. Dieses Konzept modelliert autoritäre Staaten ohne die Grundannahme eines bereits vorhandenen Gewaltmonopols. Stattdessen wird der Staat von einer Gruppe von Eliten kontrolliert, die kooperieren, solange die politische Macht jedes Teilnehmers sich in seinen ökonomischen Privilegien wiederspiegelt.

Die These meiner Arbeit ist, dass ausländische Investoren in Schwierigkeiten geraten, wenn sie das empfindliche Gleichgewicht dieser ökonomischen Privilegien bedrohen. Ich zeige dies anhand einer Fallstudie über das Unternehmen Tele2. Tele2 konnte einige Jahre sehr erfolgreich in Russland investieren, bis es begann, den gut vernetzten russischen „Platzhirschen“ Kunden abzugewinnen. In der Folge verhinderte die staatliche Mobilfunkagentur systematisch, dass Tele2 dringend benötigte Funklizenzen für mobiles Internet erhielt. Die russische Kartellbehörde kritisierte die Lizenzpolitik der Mobilfunkagentur offen, konnte sich jedoch nicht durchsetzen. Für Tele2 gab es unter diesen Bedingungen keine Entwicklungsmöglichkeiten in Russland mehr, woraufhin es den russischen Geschäftsbereich an eine russische Staatsbank verkaufte. Kurze Zeit nach dem Verkauf wurde die Regulierung in Russland verändert und die Hindernisse des Unternehmens beseitigt. In dieser Fallstudie kann ich zeigen, wie das politische Risiko der diskriminierenden Regulierung durch Akteure außerhalb der Regierung initiiert wurde. Die Motive solcher Akteure können in der Analyse politischen Risikos nicht berücksichtigt werden, wenn von einem einheitlichen Staatsakteur ausgegangen wird.

Im Rahmen dieser Dissertation sollen neben der Analyse der Investition von Tele2 weitere Fallstudien in der Mobilfunkbranche durchgeführt werden. Der Mobilfunkmarkt eignet sich aufgrund der starken internationalen Verflechtung, langen Investitionszeiträumen sowie starker Regulierung besonders für die Untersuchung regulatorischer Investitionsrisiken. Eine Studie zu dem norwegischen Unternehmen Telenor, das anders als Tele2 mit einem gut vernetzten russischen Unternehmen kooperierte, ist in Vorbereitung.

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