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Kritik der mythischen Ökonomie

Zusammenfassung der Dissertation

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Dr. Maxim Asjoma

Karls-Universität Prag

Fakultät für Geisteswissenschaften

Mythos und Ökonomik sind in unserer Zeit zu einem Gegensatzpaar geworden, wie man es sich kaum schärfer vorstellen kann. Daraus lässt sich die wissenschaftsgläubige Behauptung ableiten, dass Ökonomik keinerlei mythische Aspekte beinhalte, genauso wie Mythos unwissenschaftlich und unökonomisch sei. Beide Wendungen der Behauptung sind aber falsch. Beschäftigt man sich mit der neueren anthropologischen Forschung und den historischen Bedingungen der Entwicklung moderner Ökonomik wird sichtbar, dass eine eigentümliche Verbindung zwischen Mythos und Ökonomik existiert.

In Abgrenzung zu dem landläufigen und akademischen Vorurteil, dass Mythos und Ökonomik nicht zusammenpassen, wird in dieser Studie die These vertreten und begründet, dass ein solcher Gegensatz keinerlei historische, ökonomische und philosophische Substanz hat. Darauf aufbauend wird eine Theorie formuliert, die in der Lage ist, beide Begriffe in Inhalt und Form so zu erfassen, dass sie in einen fruchtbaren Dialog treten können.

Um eine aufgeklärte und differenzierte Behandlung der Frage zu ermöglichen, inwieweit Mythos und Ökonomik zusammenhängen, braucht es eine fundamentale Grundlegung des Wesens von Erkenntnis und der Beschaffenheit der Phänomene der Welt überhaupt. Entgegen der klassischen philosophischen Erkenntnistheorie, die mittlerweile in der Breite der Methodik der Natur- und Sozialwissenschaften anerkannt ist, wird in dieser Arbeit ein phänomenologisches Analyseinstrument entwickelt, das sich auf Arbeiten von Edmund Husserl, Martin Heidegger, Heinrich Rombach und Michel Henry bezieht.

Im Zuge der Entwicklung der Methodik der vorliegenden Arbeit wird ein neuer Begriff phänomenologischer Aufklärung erarbeitet, der die reine Verstandesautonomie kantischer Aufklärung verlässt. Durch einen epistemologischen „Schritt zurück“ führt dies zu der Eröffnung eines neuen Weges kontingenter Aufklärung, mit dem man sich den idealistischen Verkürzungen früherer Grundlegungen stellen kann. Schließlich bietet die entwickelte Analysemethode, die als „Kontingenzstrukturanalyse“ bezeichnet wird, breite Anwendungsvielfalt, ohne die komplexe Struktur realer Phänomene zu missachten, wie es derzeit noch oft geschieht.

Aufbauend auf der phänomenologischen Grundlegung wird in einem ausführlichen zweiten Teil der Begriff des Mythischen in die Analyse eingeführt. Der Sinn der phänomenologischen Untersuchung des Mythos als Erscheinung und Struktur besteht darin, den Mythos von seinen falschen kontemporären Wortbedeutungen zu befreien, den Begriff mit positivem Inhalt zu füllen und seinen Platz in der heutigen Zeit zu bestimmen.

Als eine der wesentlichen Eigenschaften mythischer Anschauungsweise gilt die Unmittelbarkeit. Da keine objektive Distanz in der mythischen Anschauung gegeben ist, gibt es im Mythischen keinen Diskurs im klassischen Sinn. Das Mythische stellt sich als unmittelbare, nicht erklärungsbedürftige Faktizität dar. Hier wird deutlich, wie unterschiedliche Ideologien durch die Totalität der Unmittelbarkeit mythischen Charakter tragen. Jede unhinterfragte, schlichtweg angenommene Realität ist mythisch. Das gleiche gilt für wissenschaftliche und methodische Dogmen.

Um in Bezug auf das Mythische keinem Irrtum zu erliegen, muss erwähnt werden, dass es nicht darum geht, alles unter das Mythische zu subsumieren, sondern den Mythos an seinen rechten Ort zu stellen. Es wird vorgeschlagen, die Ursprünglichkeit und die Faktizität des Mythischen anzuerkennen und in die wissenschaftliche Betrachtung mit einzubeziehen. So kann mit der Verbindung zur Kontingenzstrukturanalyse ein Beitrag dazu geleistet werden, dass man in ein „aufgeklärtes“ Verhältnis zum Mythischen tritt und es als lebendiges Phänomen ernstnimmt, ohne ihm zu verfallen.

Nach einer ausführlichen Untersuchung des Mythos-Begriffs werden die Ökonomik und der Zusammenhang von Ökonomie und Mythos behandelt. Zunächst ist dabei festzustellen, dass sowohl eine semantische als auch eine anthropologische Nähe zwischen den Begriffen existiert, die auf die Kategorie der Räumlichkeit abhebt. In den Studien von Jean Gebser und Kurt Hübner zeigt sich, dass mythisches Bewusstsein ansetzt, als erste Nomadenstämme seßhaft werden und beginnen, begrenzte Räume durch Landwirtschaft ökonomisch zu nutzen.

Aufbauend auf diesen Betrachtungen wird eine phänomenologische Analyse moderner ökonomischer Theorien und Dogmen eingeleitet. Dabei werden Themen aus ganz unterschiedlichen Bereichen der Ökonomik behandelt und in ihren historischen Entwicklungskontext gestellt. Neben der Untersuchung von ökonomischen „Gemeinplätzen“ wie der Alternativen-, Anreiz- und Marktproblematik werden auch hypertrophierte Formen ökonomischer Wissenschaft analysiert: u. a. werden im Besonderen das ökonomische Weltbild, das ökonomische Menschenbild, das ökonomische Gesellschaftsverständnis sowie die Geldtheorie ausführlich behandelt.

Schließlich mündet die vorliegende Studie in einer umfassenden Zusammenführung unter dem Begriff des Ordo-Liberalismus, dessen Fundierung und Rechtfertigung sich im Nachhinein konsequent erschließt. Denn nach der Grundlegung des phänomenologischen Fundamentes, der Rehabilitierung des Mythos-Begriffs und der ausführlichen Darlegung der Art und Weise mythischer Transformation bis in die moderne ökonomische Theorie wird eine Form der „aufgeklärten Ökonomik“ entwickelt und in Zusammenhang mit den Ideen der „Sozialen Marktwirtschaft“ gebracht. Dabei zeigt sich, dass Phänomene der Vorläufigkeit erst mit der Anwendung ordo-liberaler Prinzipien wissenschaftlich zur Geltung gebracht werden können.

Phänomenologische Ökonomik muss auf einer liberalen gesellschaftlichen und politischen Grundordnung basieren, da die Prinzipien der Kontingenz und der Vorläufigkeit keine abschließenden Wahrheiten über den Untersuchungsgegenstand ermöglichen. Eine zentrale Planung des Wirtschaftsgeschehens ist von daher bereits deshalb ineffizient und unmenschlich, weil die Gesellschaft darauf angewiesen ist, dass sich möglichst viele Individuen am Entdeckungs- und Entfaltungsverfahren einer Volkswirtschaft beteiligen, um Entwicklungen und Erneuerungen in der Gesellschaft zu ermöglichen, die nicht von zentralen Planern im Sinne eines starren Wahrheits- und Wohlfahrtsideals geleistet werden können.

Gleichzeitig darf phänomenologische Ökonomik nicht von der anthropologischen Verfassung und Tradition abgeschnitten werden. Um das zu erreichen, gilt im Sinne der ordo-liberalen Theorie, dass der Staat eine Rahmenordnung liefern soll, um einseitige Machtkonzentrationen zu unterbinden. Das gleiche gilt grundsätzlich für die philosophischen und moralischen Fundamente einer phänomenologischen Ökonomik, die sich permanent vor dem Hintergrund aktueller Umbrüche und Innovationen neu befragen und begründen müssen. Die Forschung zu dieser fundamentalen gesellschaftlichen Fragestellung kann damit nie vollständig abgeschlossen werden und erfordert nachhaltige interdisziplinäre Weiterentwicklung.

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