Vom dritten Mandat zum Militärputsch
Nach der Loslösung von der Kolonialmacht Frankreich im Jahr 1958 regierte Guineas erster Präsident Sékou Touré das Land bis zu seinem Tod im März 1984 mit eiserner Faust. Seitdem hat Guinea eine Reihe von Militärputschen erlebt. Aus den Präsidentschaftswahlen im Jahr 2010 ging Alpha Condé als Sieger hervor. Damit einhergehende Hoffnungen auf eine demokratische Entwicklung wurden durch die von ihm durchgesetzte, umstrittene Verfassungsänderung, die ihm im Jahr 2020 eine dritte Amtszeit ermöglichte, jedoch bitter enttäuscht. Verschärfend wirkten gesellschaftliche und wirtschaftliche Missstände wie extreme Armut und Korruption. In Guinea folgten auf Alpha Condés Wiederwahl im Oktober 2020 blutige Proteste von Opposition und Zivilgesellschaft. Mit dem Militärputsch vom 05. September 2021 setzt sich die historische Reihe der Staatstreiche nun fort. Angeführt wurde der jüngste Putsch von Mamady Doumbouya, einem ehemaligen Soldaten der französischen Fremdenlegion und Befehlshaber einer Spezialeinheit der guineischen Armee, der Berichten zufolge ursprünglich von Ex-Präsident Condé eingesetzt worden sei, um seine Macht zu sichern.
Entwicklungen seit dem Putsch
- Die AU und ECOWAS verurteilten den Putsch und schlossen Guinea aus ihren Gremien aus.
- Die ECOWAS entsendete am 10. September 2021 eine hochrangige Delegation nach Conakry, um über die Freilassung von Alpha Condé zu verhandeln. Die Verhandlung war erfolglos, die Delegation wurde von der Bevölkerung ausgebuht.
- Die Putschisten veröffentlichen am 27. September 2021 eine Charta, die den militärischen Übergang regeln soll.
- Am 01.Oktober 2021 wurde Mamady Doumbouya von der Militärjunta als Präsident vereidigt. Dabei erklärte er, dass das Land eine neue Verfassung brauche und Neuwahlen in Aussicht gestellt würden, bei der allerdings weder er noch ein anderes Mitglied der Junta antreten würden. Ein konkretes Datum wurde aber nicht genannt.
Vertrauenskrise und Implikationen weit über Guineas Grenzen hinaus
Das mit dem Militärputsch verbundene Ende der 11-jährigen Herrschaft von Alpha Condé scheint von der guineischen Bevölkerung durchaus positiv aufgenommen worden zu sein. Das soll nicht bedeuten, dass die Bevölkerung ein Militärregime wollte oder will; ein Weiterregieren von Alpha Condé scheint sie jedoch ebenfalls nicht zu befürworten. Das Land steckt in einer tiefen Vertrauenskrise. Kämpfe um Bauxit und andere Ressourcen in der rohstoffreichen Nation, die gleichzeitig zu den ärmsten Ländern weltweit gehört, Misswirtschaft und grassierende Korruption befeuern diese.
Eine Vertrauenskrise scheint auch über die nationale Grenze hinaus existent zu sein und betrifft vor allem die ECOWAS, der vielerorts in Westafrika von der Bevölkerung ein Mangel an Konsistenz bei der Einhaltung eigener Standards nachgesagt wird. Anstatt fragwürdige dritte Amtszeiten, bzw. die Ermöglichung dieser durch kontroverse Verfassungsänderungen, sowie die Unterdrückung politischer Opposition wie durch Condé in Guinea abzustrafen, wird ihr vorgeworfen, durch Selbstgefälligkeit gegenüber regierenden Eliten zu glänzen, deren Interessen sie zu schützen suche. Dieser Glaubwürdigkeitsverlust wird durch die eingeführten gezielten Sanktionen gegen den Putschisten Doumbouya und sein Umfeld nicht kompensiert.
Auch für das Nachbarland Côte d`Ivoire könnten die Entwicklungen in Guinea aus verschiedenen Gründen durchaus negative Implikationen haben. Sie könnten einerseits einen Präzedenzfall schaffen, da der ivorische Präsident Ouattara sich nach Verabschiedung einer neuen Verfassung ebenfalls seit Oktober 2020 in einer (umstrittenen) dritten Amtszeit befindet. Andererseits verfügt Guinea über eine starke Diaspora in Côte d`Ivoire. Eine Destabilisierung Guineas könnte dementsprechend wirtschaftliche und migrationspolitische Implikationen für das Gastland nach sich ziehen.
Angesichts terrorismusbedingter Sicherheitsherausforderungen könnte eine – nicht ganz auszuschließende - Implosion Guineas außerdem destabilisierende Folgen für ganz Westafrika haben – und damit zusätzlich zu Veränderungen auf dem Rohstoffmarkt letztendlich auch Auswirkungen auf Europa.