Wichtige Ergebnisse der Senatswahlen
Parallel zu der Bestätigung des bürgerlich-konservativen Lagers als stärkste Kraft im Senat verfestigt das gute Abschneiden der Linken bei der Wahl als zweitstärkste politische Kraft die Links-Rechts-Spaltung im Oberhaus – anders als in der Nationalversammlung, wo seit 2017 diese traditionelle Aufteilung aufgelöst zu sein scheint. Die Senatswahlen haben jedoch gleichzeitig die Zukunftsfähigkeit des linken Parteienbündnisses Nupes auf die Probe gestellt. Während Sozialisten, Grüne und Kommunisten in 15 Departements ein nationales Abkommen für die Wahlen vom 24. September geschlossen hatten, wurden die Linkspopulisten von La France insoumise von den Gesprächen ausgeschlossen und beschuldigen die anderen Parteien nun, „Nupes einen Keil in den Rücken zu treiben“. La France insoumise konnte mit ihren unabhängigen Listen keine Sitze im Senat für sich gewinnen. Die Partei, die 2016 gegründet wurde, ist lokal nur minimal verankert und fuhr bei den letzten Kommunalwahlen eine Niederlage ein.
Wie erwartet, erlitt die Partei von Staatspräsident Emmanuel Macron, Renaissance, im Rahmen der Senatswahlen eine leichte Niederlage. Dies war auch schon bei den letzten Kommunalwahlen im Jahr 2020 der Fall, bei denen das Macron-Lager landesweit Verluste einstecken musste (2,22 %). Da eine überwältigende Mehrheit (95 %) der sogenannten „großen Wähler“ bei den Senatswahlen aus Gemeinderäten besteht, ist offensichtlich, dass Renaissance weiterhin unter mangelnder lokaler Verankerung leidet. Für Überraschung sorgte die Niederlage von Sonia Backès, Staatssekretärin für Staatsbürgerschaft, die sich als einziges Regierungsmitglied um einen Sitz bei den Senatswahlen beworben hatte. In Neukaledonien setzte sich der Unabhängigkeitsbefürworter Robert Xovie gegen sie durch.
Die Senatswahlen zeigten, dass zwischen der Macron-Partei Renaissance und ihren Verbündeten den Parteien der Mitte Horizons und Modem zunehmend Risse entstehen, die sich in Hinblick auf das Wahljahr 2027 vertiefen könnten. So konnte sich die Regierungsmehrheit im Vorfeld der Senatswahlen in verschiedenen Départements zum Beispiel nicht auf gemeinsame Listen einigen. Renaissance hatte bereits Ende 2022 für politische Unruhe gesorgt, als die Partei alleine beschloss, ihre ausscheidenden Senatoren für eine Neuwahl zu nominieren und somit ihre Verbündeten von Horizons und Modem vor vollendete Tatsachen stellte.
Die Partei Horizons des früheren Ministerpräsidenten und derzeitigen Bürgermeisters von Le Havre, Eduard Philippe, konnte bei den Senatswahlen leichte Zugewinne erringen und sie ist, obwohl erst 2021 gegründet, lokal gut verankert. So ist es auch nicht verwunderlich, dass insbesondere moderate bürgerlich-konservative Kräfte in Philippe und seiner Partei eine Alternative zu Renaissance und den Républicains sehen.
Große mediale Aufmerksamkeit erzielte am vergangenen Wochenende das Abschneiden der Rechtspopulisten des Rassemblement National (RN) von Marine Le Pen. Ziel von RN war es, wieder in den Palais de Luxembourg einzuziehen. Der einzige Vertreter der Partei im Senat, der Marseiller Stéphane Ravier, war im Rahmen der Präsidentschaftswahl 2022 zu Renconquête, der Partei des Rechtspopulisten Eric Zemmour, übergelaufen. Die Partei äußert im Vorfeld der Senatswahlen keine großen Ambitionen, hoffte aber insgeheim auf einen großen politischen Coup, wie bei den Parlamentswahlen 2022, bei denen die Partei mit 88 Vertretern in die Nationalversammlung einziehen konnte. Die Ergebnisse der Senatswahlen scheinen in diesem Hinblick weniger spektakulär, zeigen allerdings deutlich auf, dass sich die Beziehung der Wahlorgane, also der Vertreter der Stadt-, Département- und Regionalräte, zur rechtspopulistischen Partei zunehmend normalisiert. Gerade in den ländlichen und vorstädtischen Gebieten ist die Partei auf dem Vormarsch. Wie bereits im Vorfeld erwartet, konnte die rechtspopulistische Partei bei den Senatswahlen im Département Pas-de-Calais einen Senatssitz für sich gewinnen. Der Zugewinn von zwei weiteren Sitzen in den Départements Nord und Seine-et-Marne muss als politischer Erfolg für die Partei gewertet werden.
Insgesamt betrachtet, war das Interesse der Franzosen an den Senatswahlen eher gering, nur 33 % der Franzosen interessierten sich laut einer aktuellen Umfrage des französischen Meinungsforschungsinstituts IFOP[2] für die Wahlen. Für Verwunderung sorgte dennoch die Entscheidung des französischen Staatspräsidenten Emmanuel Macron am Wahlabend der Senatswahlen ein Fernsehinterview zu geben, in dem die aktuelle Wirtschaftslage des Landes und zentrale außenpolitische Entscheidungen, so z. B. der Rückzug aus Niger, im Fokus standen und die mediale Liveberichterstattung über die Senatswahlen deshalb für das Interview unterbrochen wurde.
Ausblick
Die Senatswahlen 2023 können als Spiegel der Kommunalwahlen 2020 gelesen werden.
Während der voraussichtlich in seinem Amt erneut bestätigte Senatspräsident Gérard Larcher den Senat als „unabdingbare Gegengewalt in der französischen Demokratie“ bezeichnete, bleibt zu betonen, dass das Oberhaus über weniger Kompetenzen als die Nationalversammlung verfügt. Es kann zwar Änderungen und Gegenvorschläge einbringen, aber es kann die Regierung nicht stürzen. Dies ist jedoch aber der Maßstab, an dem die Macht der Opposition heute in Frankreich gemessen wird.
Die Präsidentenpartei Renaissance hat Schwierigkeiten, sich lokal als politischer Akteur zu etablieren. Es stellt sich die Frage, inwiefern die Partei über die Amtszeit Macrons hinaus, zentraler politischer Akteur bleiben wird, zumal ihr Verbündeter Horizons an Stärke hinzu zu gewinnen scheint. Die Senatswahlen haben noch einmal unterstrichen, dass sich die Partei mit ihrem Vorsitzenden Edouard Philippe als möglicher Präsidentschaftskandidat und somit Nachfolger Macrons in Stellung bringt. Der Kurs der rechtspopulistischen Partei Rassemblement National, der seit 2017 zu beobachten ist, bestätigte sich auch im Rahmen der Senatswahlen und ist ein wichtiger Indikator für die Präsidentschafts- und Parlamentswahlen 2027. Die Linke (Ausgenommen sind die Linkspopulisten der France insoumise) konnten bei den Senatswahlen punkten. Ihre Wahlergebnisse zeigen, dass das klassische Links-Rechts-Schema in Frankreich nicht überkommen ist, auch wenn Staatspräsident Emmanuel Macron 2017 mit seiner Ni-Ni (weder links noch rechts) -Politik 2017 eine neue politische Ära ausgerufen hatte. Dem bürgerlich-konservativen Lager wurde im Rahmen der Senatswahlen erneut bestätigt, dass es lokal gut verankert ist und auf eine solide Basis zählen kann. Diese gilt es nun, im Rahmen der Europawahlen, aber auch in Hinblick der Parlaments- und Präsidentschaftswahlen 2027 in gute Ergebnisse zu überführen, was allerdings schwierig werden wird. Das bürgerlich-konservative Lager hatte es sich seit 2017 zum Ziel gesetzt, die Politik von Staatspräsident Emmanuel Macron auszubremsen, ohne dabei nennenswerte Erfolge erzielen zu können. Während es in der ersten Amtsperiode Macrons vor allen Dingen wenig konstruktiv auftrat, z. B. bei der gescheiterte Verfassungsänderung 2019, versucht es seit 2022 proaktiv als Tonangeber für die anstehenden Reformen zu agieren. Diesem Anspruch konnten die Bürgerlich-Konservativen im Rahmen der Rentenreform nicht gerecht werden, da sie über die eigenen Meinungsverschiedenheiten stolperten. Auch die anstehende Reform des Einwanderungsgesetzes könnte sich als Stolperstein erweisen, wenn die verhärtete Position der Républicains auf die politische Linie der mit ihnen verbündeten politischen Kräften der Union centriste trifft, die z. B. die Einführung eines Aufenthaltstitels für Mangelberufe befürworten.
Als Spiegel der Wahlrealität im Land kann das Ergebnis der Senatswahlen nicht darüber hinwegtäuschen, dass das bürgerlich-konservative Lager weiterhin in einer schwierigen politischen Lage steckt. Ohne klare politische Linie und natürlichen Kandidaten für die Präsidentschaftswahlen 2027, blickt die Partei mit großer Sorge auf die Europawahlen im Juni 2024.
Hintergrundinformationen Senatswahlen in Frankreich
Der Senat setzt sich aus 348 Senatoren zusammen, die für sechs Jahre gewählt sind. Alle drei Jahre wird die Hälfte der Senatoren neu gewählt. Die Senatoren werden in indirekter Wahl von einer Wahlversammlung gewählt. Das passive Wahlalter beträgt 24 Jahre. Die jeweiligen Wahlkollegien treffen sich jeweils auf Ebene der Départements, die die Wahlkreise für die Senatswahlen darstellen. 12 Senatoren repräsentieren zudem die Franzosen im Ausland. Die Wahlkollegien versammeln Abgeordnete der Nationalversammlung, Vertreter der Regionalräte, Vertreter der Départementräte sowie Delegierte der Gemeinderäte.
Je nach Einwohnerzahl des Départements ist der Wahlmodus unterschiedlich. In Départements, die bis zu drei Senatoren wählen (die Mehrheit der Départements), kommt die Mehrheitswahl in zwei Wahlgängen zur Anwendung. Ein Kandidat ist gewählt, wenn er im ersten Wahlgang mehr als die Hälfte der abgegebenen Stimmen bekommt. Im zweiten Wahlgang entscheidet die einfache Mehrheit. In Départements, die vier und mehr Senatoren wählen, erfolgt die Wahl nach dem Verhältniswahlrecht.
[1] Nele Wissmann ist Beauftragte für Analyse, Bilaterale und Europäische Angelegenheiten im KAS Auslandsbüro Frankreich
[2] https://www.ifop.com/publication/le-regard-des-francais-sur-le-senat-a-lapproche-des-elections-senatoriales/#:~:text=Si%20l%27int%C3%A9r%C3%AAt%20des%20Fran%C3%A7ais,points%20par%20rapport%20%C3%A0%202015
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