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Notas de acontecimientos

Die iranische Demokratiebewegung holt sich ihre Stimme zurück

5. Hafis-Dialog in Weimar

Der Hafis-Dialog in Weimar bringt seit dem Jahr 2010 deutsche und iranische Experten zusammen, um aus verschiedenen Perspektiven über die Entwicklungen im Iran und die deutsch-iranischen Beziehungen zu sprechen. Kaum ein Thema ist dazu besser geeignet als die politische Entwicklung im Iran, die sowohl im Iran selbst als auch im Ausland extrem unterschiedlich bewertet wird. Mehrere der Experten waren zum fünften Hafis-Dialog aus dem Iran angereist und brachten ihre aktuellen Erfahrungen in die Diskussion ein.

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Bijan Khajehpour, iranischer Wirtschaftsanalyst bei Atieh International, Dr. Rouzbeh Parsi, von der Universität Lund, Dr. Walter Posch, von der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik, Adnan Tabatabai, vom neuen Center for Applied Research in Partnership with the Orient, und Christian Funke, Lehrbeauftragter an der Universität Bayreuth, diskutierten auf dem Panel über das Thema „Die Entwicklung der demokratischen Identität im Iran“. Moderiert wurde die Diskussion von Dennis Schröder, der in Teheran das DAAD-Informationszentrum leitet, das in diesem Jahr seine Arbeit aufgenommen hat.

Im Mittelpunkt der Diskussion stand die sehr dynamische Entwicklung seit der Wahl von Präsident Rohani im Juni 2013. Was bedeutet seine Wahl für die politische Landschaft im Iran, die in stark polarisierte Lager gespalten ist? Welchen Einfluss haben die Ereignisse von 2009, als Millionen gegen die mutmaßlich manipulierte Wiederwahl des damaligen Präsidenten Ahmadinedschad demonstrierten, heute noch auf die aktuelle Situation?

Ein Panelist des Hafis-Dialogs 2014, der 2009 im Iran dabei war und wie viele andere Iraner inhaftiert wurde und nach seiner Haftentlassung aus dem Land fliehen musste, ist der Wirtschaftswissenschafter Bijan Khajehpour.

Sehr präzise analysierte Khajehpour, warum nach den acht Jahren unter Präsident Ahmadinedschad, der die liberalen Reformen seines Vorgängers, Präsident Chatami zurückgenommen hatte und den kalten Wind der Intoleranz durch das Land wehen ließ, Rohani im ersten Wahlgang zum Präsidenten gewählt wurde:

„Im Jahr 2009 war das Regime nicht bereit, eine pluralistische Gesellschaft zu akzeptieren. Heute das das Regime verstanden, dass man der Gesellschaft mehr Raum geben muss und nicht weiter unterdrücken kann.“ Allerdings dienten die aktuellen Verhaftungen und Hinrichtungen dazu, die Regierung von Präsident Rohani „zu unterminieren“.

Die grüne Bewegung, die 2009 nach ihren Massenprotesten unterdrückt worden war, habe man zwar nicht mehr auf der Straße gesehen, sie habe sich aber ab 2010 in eine „online-Bewegung“ verändert und in vielen Blogs engagiert. Tatsächlich gehört Iran zu den Ländern im Nahen Osten, die am aktivsten soziale Netzwerke im Internet und Blogs betreiben. 2013 wurde daher im Iran auch online für eine starke Wahlbeteiligung mobilisiert. Der Einfluss der grünen Bewegung wurde durch den damaligen Slogan der Reformbewegung deutlich „Mousawi und Karroubi: Wir haben damals versprochen, unsere Stimmen zurück zu holen!“ Mousawi und Karroubi sind die beiden Anführer der Grünen Bewegung, die seit mehreren Jahren wegen ihrer oppositionellen politischen Arbeit unter Hausarrest stehen und die 2009 im Namen der Grünen Bewegung Neuwahlen gefordert hatten, da sie die Rechtmäßigkeit der Wiederwahl Ahmadinedschads anzweifelten. Die Proteste im Jahr 2009 standen unter den Motti: „Wo ist meine Stimme?“ und „Gebt uns unsere Stimmen zurück!“

Die Kluft, die es 2009 zwischen Regime und Gesellschaft gegeben habe, sei noch nicht ganz geschlossen, so Khajehpour. Aber die iranische Gesellschaft habe sich in einem „sozialen Sprung“ fortentwickelt. Ein diesbezügliches Phänomen gesellschaftlichen Engagements sei aktuell beispielsweise die unter anderem auch von Künstlern und Sportlern getragene Kampagne gegen die Todesstrafe. Khajehpour beschrieb die gesellschaftlichen Entwicklungen im Iran als einen wechselnden Kontrast zu den dominierenden politischen Kräften: Unter dem pro-westlichen Schah sei die Gesellschaft weniger westlich gewesen, unter der Herrschaft des Religionsführers seinen die Iraner dagegen heute weniger religiös. Die drei vorherrschenden und ehemals stark polarisierten Identitäten – religiöser, nationalistisch-vorislamischer und westlicher Ausprägung, passten heute, in einer „moderaten Generation“ zusammen, so Khajehpour.

Khajehpour schlug einen Bogen zu Hafis, dem großen persischen Dichter und Namensgeber des Hafis-Dialogs: „Was hat das alles mit Hafis zu tun? Hafis sei zu seiner Zeit auch ein Dissident gewesen und habe seine Dichtung als Dissident eingesetzt.“ Er zitierte einen Hafis-Vers: „Obwohl unsere Haus sehr gefährlich ist und unser Weg sehr weit – es gibt keinen Weg, der kein Ende hat.“

Walter Posch stellte in seinem Impulsreferat „Das iranische Machtgefüge und Reformperspektiven unter Präsident Rohani“ vor. Er beschrieb die komplexen politischen Institutionen im System der Islamischen Republik und das jeweilige Zusammenspiel bzw. die Konkurrenzen, die teilweise zu einem „doppelten Machtkampf zwischen den Eliten und zwischen den Leuten auf der Straße“ beitrügen. Reformperspektiven unter Präsident Rohani sah Posch als große Herausforderung an, da es nicht allein mit dem Ende der Sanktionen zu einer Lösung der „strukturimmanenten Probleme Arbeitslosigkeit und Unterentwicklung“ kommen werde. Die von Rohani in einem umfassenden Buch dargelegten wirtschaftspolitischen Vorstellungen bewertete Posch eher kritisch: Auf den 600 Seiten käme kein einziges Mal der Begriff des „freien Unternehmertums“ vor. Allerdings hielt er Rohani zugute, dass dieser Regeln aufstelle und gegen Korruption vorgehe. Der Rechtsstaat werde so „irgendwann Zug um Zug verwirklicht.“

Enttäuscht von der bisherigen Amtszeit von Präsident Rohani sind nicht nur die Anhänger der Grünen Bewegung, da ihre Anführer immer noch unter Hausarrest stehen, sondern auch die Menschenrechtler. Die Situation der Menschenrechte beschrieb Rouzbeh Parsi als weiterhin sehr schlecht. Es gebe erhebliche Unterschiede zwischen der Gesetzeslage und der gerichtlichen Praxis. Folter sei zwar gesetzlich verboten, existiere aber. Eigentlich dürften die Iraner per Gesetz ohne Anmeldung demonstrieren, in der Praxis sei dies aber nicht so. Die sehr schlechte Menschenrechtsbilanz sei „seit der Wahl von Rohani nicht besser geworden“. Auch die Beendigung der gegen Iran gerichteten Sanktionen würden in der ersten Zeit – aufgrund der zu erwartenden Reaktionen der gegen liberale Reformen eingestellten Hardliner - keine Verbesserung der Menschenrechtslage bringen, aber in der langfristigen Dreijahres-Perspektive seien diese Verbesserungen wahrscheinlich. Rouzbeh beschrieb die lange Geschichte der europäischen Menschenrechtspolitik gegenüber Iran, die z.B. in europäisch-iranischen Menschenrechtsdialogen mündete. Dialoge über Menschenrechte und gute Regierungsführung setzten aber innenpolitische Diskurse voraus, die sehr langsam wirksam würden, ohne Einflussnahme von außen, meinte Parsi. Wie wichtig der Menschenrechtsdiskurs im Iran heute sei, bemerkte Parsi: „Auch die Leute die gegen die Menschenrechte sind, müssen sich damit befassen – sie haben keine andere Wahl.“

Adnan Tabatabai befasste sich in seinem Beitrag mit dem Legitimationsbegriff einerseits und mit dem Interesse des Systems andererseits. Dabei zeigte er das Spannungsverhältnis auf zwischen dem Bedürfnis, die Stimmen der Bevölkerung zur Legitimation zu gewinnen und der Notwendigkeit der Systemgefährdung durch Antagonismen in der Herrschaftselite entgegenzutreten. Gerade die Präsidentschaft Ahmadinedschads sein von diesen Antagonismen durchsetzt gewesen, die gegen die Interessen des Systems waren. Iran brauche daher eine „Phase der De-Radikalisierung“. Der Sieg des „Pragmatikers“ Rohani war letztlich die Konsequenz aus dieser Entwicklung, da nach Tabatabai „Pragmatismus eher in der Lage ist, die Responsivität des Staates gegenüber der Bevölkerung zu sichern“. Allerdings sei schon vor der Präsidentschaftswahl 2013 klar gewesen, dass, „egal wer Präsident werde, es einer langen Phase der Aussöhnung und Entradikalisierung“ bedürfe.

Christian Funke beschrieb die Bedeutung der Wahlen für die politische Entwicklung und Dynamik im Iran. Trotz des Manipulationsverdachts, der über Wahlen liege, seien diese verhältnismäßig offen und dabei das Hauptinstrument politischer Massenpartizipation. Dabei bewertet die Reformbewegung insbesondere eine hohe Wahlbeteiligung als positiv: „Hohe Wahlbeteiligung macht Manipulation nicht unmöglich, steigert aber ihre Kosten“, meinte er. Dass trotz der Wahlkrise des Jahres 2009 eine hohe Wahlbeteiligung bei den Wahlen 2013 zu verzeichnen war, begründete er damit, dass die Iraner meinten „abzustimmen gibt uns ein Fenster der Hoffnung“ und dass gleichzeitig die Ereignisse nach den Wahlen des Jahres 2009 verdrängt und relativiert wurden. Auch die Stimmung am Wahltag und das iranische Nationalgefühl seien wichtige Faktoren bei der Präsidentschaftswahl gewesen. Die Wahlen des Jahres 2013 stellen im Hinblick auf das Jahr 2009 eine ernüchternde Rückkehr zum status quo ante dar. Funke bilanziert, „dass es auf absehbare Zeit keinen legitimen Raum für grundlegende politische Veränderungen geben wird, der auf der Teilhabe von breiteren Schichten der Bevölkerung und der Zivilgesellschaft außerhalb etablierter Systemkräfte beruht.“

Wie wird es im Iran weiter gehen? In welchem Verhältnis wird sich die mögliche außenpolitische Öffnung zur innenpolitischen Lage entwickeln?

Auch wenn diese Fragen derzeit nicht abschließend beantwortet werden können, so skizzierte doch Bijan Khajehpour einen interessanten Analyserahmen: „Das islamische Regime möchte nie Schwäche projizieren, sondern aus einer Position der Stärke etwas machen“, erklärte er. Die Legitimität im Inneren, die der iranische Präsident Rohani durch den klaren Wahlsieg im Juni 2013 genießt, wie auch die recht selbstbewusste Verhandlungsposition des Iran bei den Nuklearverhandlungen, die durch die breite Unterstützung des zivilen Atomprogramms in der iranischen Bevölkerung abgesichert ist, machen deutlich, dass die Krise von 2009 und das harte Sanktionsregime den Iran nicht in eine Sackgasse getrieben haben. Im Gegenteil: diese politischen Krisen haben den Iran eventuell wieder ein Stück in Richtung einer republikanischen Entwicklung vorangebracht. Ob die demokratische Transformation an Fahrt gewinnen wird, hängt aber auch davon ab, ob die Reformer die urbane Mittelschicht dauerhaft für ein politisches Engagement gewinnen können. Die politische und wirtschaftliche Liberalisierung des Systems ist hierzu aber unabdingbar erforderlich.

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