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Neue Bürgerlichkeit: Der Metropolen-Mensch zwischen Lifestyle und Gemeinsinn

Reihe: Metropolen-Mittag: Gespräche über die Zukunft der Großen Städte

Bericht über die zweite Veranstaltung aus der Reihe“Metropolen-Mittag: Gespräche über die Zukunft der Großen Städte“ zum Thema: Neue Bürgerlichkeit: Der Metropolen-Mensch zwischen Lifestyle und Gemeinsinn

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Donnerstag, 15. Januar 2004

 

Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung

 

Tiergartenstr. 35, 10785 Berlin

 

Moderation:

 

Dr. Jürgen Rüttgers, Vorsitzender des Arbeitskreises "Große Städte" der CDU Deutschlands

 

Podiumsteilnehmer:

 

Betty Siegel, Trendforscherin, Agentur Sturm und Drang

 

Axel Wallrabenstein, Geschäftsführender Gesellschafter

Publicis Public Relations (Berlin/Frankf.a.M.)

 

Mit der Gesprächsrunde zum Thema „Neue Bürgerlichkeit“ wurde die Veranstaltungsreihe “Metropolen-Mittag“ der Akademie der Konrad Adenauer-Stiftung fortgesetzt. Diesmal stand die Frage im Zentrum, wie der gesellschaftliche Wertewandel in modernen Großstädten zu charakterisieren ist und welche Rolle der Bürger – als Träger dieser Entwicklung – dabei spielt.

 

Die Leiterin der Akademie, Dr. Melanie Piepenschneider, skizzierte in ihren einführenden Worten die gewünschten Schwerpunkte der Diskussion: Gibt es eine (wirkliche) Rückbesinnung auf bürgerliche Werte, Sitten und Traditionen? Oder handelt es sich um ein oberflächliches Lifestyle-Phänomen? Was ist überhaupt unter „neuer Bürgerlichkeit“ und bürgerlichen Werten zu verstehen? Welche Rolle spielt Gemeinsinn als Kernstück der (politischen) Bürgergesellschaft?

 

Dr. Jürgen Rüttgers ergänzte das Themenfeld um eine weitere Problematik: Die CDU stehe als bürgerliche Partei in Großstädten vor besonderen Herausforderungen; sie habe hier mit besonderen Akzeptanzschwierigkeiten zu kämpfen, da bürgerliche Werte traditionell in einen (künstlichen) Gegensatz zu großstädtischen Phänomenen gesetzt werden (Innovation, Vielfalt, Fortschritt). Könnte die Entdeckung der „Neuen Bürgerlichkeit“ hier auf einen wichtigen Trend verweisen?

 

Axel Wallrabenstein war der Ansicht, dass sich die Menschen aus einem Gefühl der Unsicherheit „alten Werten“ wie Anstand, Sitte und Disziplin zuwenden – was ein gesteigertes Bedürfnis nach Orientierung, stabilen Werten und Sicherheit ausdrücke. Gegenwärtig sei in Deutschland das Unsicherheitsgefühl stark verbreitet (Terrorangst, Krieg, Rezession), ganz besonders in der jungen Generation (Angst vor Arbeitslosigkeit, Krise des Sozialstaates). Entsprechend gäbe es in Deutschland einen klaren Trend zu bürgerlichen Werten und Beständigkeit, was mit einer Abkehr von hedonistischen Lebensmodellen einhergehe und sich z.B. in einer wachsenden Bereitschaft zur Familiengründung und „neuer Häuslichkeit“ oder zahlreichen Heimwerker- und Kochshows im TV äußere. Für Wallrabenstein ist dieses Phänomen der „Neuen Bürgerlichkeit“ aber kein langfristiger Trend, sondern eher eine kurzfristige (Mode-) Erscheinung i.S. einer wiederentdeckten Lebenseinstellung („Renaissance der Romantik“). Deshalb sieht er von dieser Entwicklung auch keine wesentlichen Impulse für eine grundsätzlich erneuerte politische Bürgerlichkeit ausgehen. Entscheidend ist für ihn vielmehr, dass die junge Generation beides will: bürgerliche Werte (und die damit verbundenen Sicherheiten) und gleichzeitig maximale individuelle Freiheit. Die Parteien würden sich in Zukunft der Frage zuwenden müssen, für welche Werte sie stehen bzw. wie bürgerlich die SPD und wie liberal und tolerant die CDU werden möchte bzw. inzwischen geworden schon ist.

 

Betty Siegel sieht als Voraussetzung für Bürgerlichkeit das unabhängige, mündige Individuum. Sie verwies auf das Beispiel USA, wo die Bürger ganz selbstverständlich mehr Eigenverantwortung tragen (müssten): Die Menschen nähmen ihre Probleme selbst in die Hand, weil sie nicht daran gewöhnt seien, dass der Staat die Probleme für sie löse. Bei aller Problematik der amerikanischen Denkweise (Allmachtsphantasien) werde dadurch mehr Individualität freigesetzt und der mündige Bürger ermöglicht. Dagegen dominiere in Deutschland ein Gefühl der Ohnmacht gegenüber Problemen, eine Sozialstaatsmentalität und –besonders stark – der Sozialneid. Siegel vertrat die Auffassung, dass ein neues Ideal der Bürgerlichkeit gefunden und kommuniziert werden müsse, verbunden mit einer Debatte über das gewünschte Lebensmodell.

 

Im Anschluss an diese Ausführungen wurde versucht, bürgerliche Werte bzw. Bürgerlichkeit konkreter zu definieren.

 

Siegel sieht das Bürgertum durch gemeinsame Werte verbunden: Der moderne Großstadtbürger zeichne sich durch Bildung aus (als Bedingung für Mündigkeit).

 

Wallrabenstein gab zu bedenken, dass Bürgerlichkeit auf die junge Metropolen-Generation abschreckend wirke: Der Begriff stehe – gerade in großen Städten - für die Einengung von Freiheit, für eine konservative, wenig innovationsfreudige Haltung. Bürgerlichkeit habe auch etwas mit Vorbildwirkung zu tun, die in allen Bereichen der Gesellschaft unerlässlich sei. Ein großes Problem sei seiner Ansicht nach, dass die junge Generation in Deutschland keine Vorbilder mehr finde.

 

Rüttgers erinnerte in historischer Perspektive an die politische Bedeutung des aufgeklärten Bürgertums, das im 18. Jahrhundert gegen die alte Ordnung aufbegehrte: Die Bürger standen hier für den Versuch, sich zu emanzipieren und Freiheit gegen äußere Zwänge zu erkämpfen. Er stellte die Frage, ob das Phänomen der Neuen Bürgerlichkeit nicht auch mit dem Bedeutungsverlust der traditionellen, gesellschaftlichen Institutionen zu tun haben könne.

 

Im Verlauf der Diskussion mit dem Publikum wurden vielfältige Anregungen und Ideen geäußert:

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

  • Die Ergebnisse der (vorangegangenen) Metropolen-Gespräche sollten weitergeführt und auch politisch umgesetzt werden; unbefriedigend ist, wenn die Themen jedes Mal neu ohne praktische Folgen angerissen werden.
  • Die Vorstellung, dass die Welt unsicherer geworden ist, ist eine eurozentristische Sicht, die relativiert werden muss.
  • Bürgerlichkeit ist traditionell mit individuellen Rechten verbunden. In der Bundesrepublik wurden die Rechte lange Zeit überbetont, obwohl es auch der Pflichten bedarf. Die Bürger sollten zukünftig mehr Eigenverantwortung übernehmen (bürgerschaftliches Engagement wie z.B. Nachbarschaftshilfe).
  • Die Funktion der Familie (als Hort der Ausbildung bürgerlicher Werte) sollte gestärkt werden. Es ist falsch, durch mehr staatliche Kinderbetreuung die Erziehungsaufgabe an den Staat abzugeben. Auch muss die Bindung zum Eigentum verbessert werden (Vandalismus im öffentlichen Raum).
  • Gerade in Großstädten muss die Politik auf die neuen gesellschaftlichen Strukturen wie z.B. neue Familienstrukturen und –rollen reagieren, die nicht mehr dem bürgerlichen Familienmodell entsprechen (Wallrabenstein).
  • Staatliche Kinderbetreuung ist ein wichtiger Faktor, allen Bürgern gleiche Chancen an gesellschaftlicher Teilhabe zu ermöglichen: Gerade im Bereich von Erziehung und Bildung darf sich der Staat nicht zurückziehen, sondern hat seine Aufgaben verstärkt wahrzunehmen (Siegel).
  • Insbesondere die CDU muss sich für neue (bürgerliche) Lebensformen öffnen, z.B. schwule und lesbische Lebensgemeinschaften besser akzeptieren.
  • Der Bürger zeichnet sich durch politische Bürgerrechte aus, die Metropole durch einen hohen Anteil an Ausländern. Durch das fehlende Ausländerwahlrecht ist damit ein großer Teil der Großstadtbevölkerung von politischen Bürgerechten ausgeschlossen. Die Kommune kann dadurch nicht vom Gemeinsinn der ausländischen Mitbürger profitieren.
  • Bürgertum ist als Wertegemeinschaft nicht mehr konsensfähig. Wichtiger ist die Frage: Welche gemeinsamen Interessen haben wir?
  • Bürgerlichkeit ist mit Sicherheit und Familie verbunden, aber auch mit Fortschritt. Wichtig ist jedoch, was unter Fortschritt verstanden wird und welche Ziele angestrebt werden.
  • Der Begriff des Bürgers hat - vor allem in Deutschland – einen Wertebezug: Die Selbstverwirklichung des bürgerlichen Menschen findet seine Balance in der Hinwendung zu anderen. Historisch ist der orts- und anschauungsgebundene Bürger das Gegenmodell zum Nomaden. In den modernen Großstädten hat sich ein neues, „bürgerliches“ Nomadentum herausgebildet, das Stabilität und Sicherheit mit geistiger und räumlicher Beweglichkeit verbindet.
  • Das Gefühl des Bürgers, dass der Staat „sein Staat“ ist, muss gestärkt werden: Ein möglicher Weg könnte die Steigerung direkter Demokratie sein, die die Mitbestimmung des Bürgers – über sein Wahlrecht hinaus – erweitert.
  • Die bürgerlichen Mittelschichten sehen sich durch die gegenwärtigen Kürzungen vom Staat „beraubt“; eine Diskussion über Pflichten ist zum derzeitigen Zeitpunkt falsch. Vielmehr kommt es darauf an, dass sich der Einzelne stärker als Teil eines Ganzen empfinden kann. Auch bedarf es dringend einer gesellschaftlichen Vision, die auch Europa einbezieht (Siegel).
  • Deutschland braucht die Förderung einer weltbürgerlichen Haltung. Die damit verbundenen Werte könnten in der Atmosphäre in Metropolen gefunden werden: Internationalität, Offenheit, Kreativität, Vielfalt. „Von der Metropole lernen“ heißt dann, eine metropolitane Gesinnung als neue Form des Weltbürgertums für eine bürgerliche Gesinnung fruchtbar zu machen.
Rüttgers beendete die Debatte mit einigen abschließenden Bemerkungen: Es sollte nicht über eine Vision, sondern über konkrete Ziele der Gesellschaft gesprochen werden. Fest steht für ihn, dass die alten Institutionen, die bisher die Gesellschaft zusammengehalten haben (Parteien, Kirchen, Familie, Gewerkschaften....), zunehmend an Bedeutung verlieren. Damit können sie auch nicht mehr ihre existentiell wichtige Aufgabe gesellschaftlicher Bindung übernehmen: Was wird in Zukunft eine Gesellschaft zusammenhalten? Allein die Forderung nach mehr Ehrenamt könne dieses gravierende Problem nicht lösen. Vielmehr müsse über die Gründung neuer Institutionen und die gewünschten Werte und Ziele intensiv nachgedacht und diskutiert werden.

 

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