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Reportage sui paesi

Griechenland in nach wie vor unruhigen Zeiten

di Iakovos Dimitriou, Jeroen Kohls
Nach unruhigen drei Wochen kehrt Griechenland zumindest äußerlich zu etwas mehr Normalität zurück. Doch am wirtschaftlichen sowie innenpolitischen Druck hat sich – unter weiterhin verschlechterten Rahmenbedingungen – wenig geändert.

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Fast ein halbes Jahr ist die neue, mit vielen Hoffnungen gestartete griechische Regierung unter Alexis Tsipras nun im Amt. Konkrete und für die Bevölkerung greifbare innenpolitische Erfolge sind bisher ausgeblieben. Ganz im Gegenteil: viel Zeit ist verloren gegangen. Inzwischen hat, nach einer zuletzt massiven Verschärfung der Situation im Land durch das kurzfristig angesetzte Referendum, die Einführung von Kapitalverkehrskontrollen und die dreiwöchigen Bankenschließungen, Ministerpräsident Alexis Tsipras zumindest die Kehrtwende seiner Strategie eingeleitet – es war für ihn die letzte Chance. Doch nun muss die Regierung Substanz in den für sie sehr schwierigen Reformbereichen schaffen.

Geerdet

Neue innenpolitische Herausforderungen stellen sich nach der Richtungsänderung der griechischen Regierung. Die über das erste Halbjahr verfolgte Strategie, den Druck der Verhandlungen nach außen abzuleiten und die Kreditgeber zu weitreichenden Zugeständnissen zu bringen, ist nicht aufgegangen. Zudem konnte weder eine Verlängerung des zweiten Programms noch aus anderen – russischen oder chinesischen – Quellen Liquidität für Griechenland sichergestellt werden. Der Rücktritt des ehemaligen Finanzministers Yanis Varoufakis, prominentester Protagonist dieser bisherigen griechischen Verhandlungsstrategie, hat die lange erwartete Koloutoumba (griechisch „Purzelbaum“) der SYRIZA-ANEL-Regierung eingeleitet.

Das Referendum kurz zuvor war unter zweifelhaften Umständen angesetzt worden, in der Fragestellung komplex und unklar, aber umso deutlicher in der Beantwortung durch die Bevölkerung. Das hat Tsipras schließlich für sich nutzen können: Indem die Volksabstimmung von der Sachfrage gelöst und zur persönlichen Bestätigung des Ministerpräsidenten gemünzt werden konnte, hat sie Tsipras – in aller Dialektik – die Grundlage für die notwendige Richtungsänderung geboten; die Gelegenheit, innerparteilich mehr Klarheit zum einzuschlagenden Weg zu schaffen.

Viele Anhänger der Regierung aus dem „Nein“-Lager waren wütend und enttäuscht über das Verhandlungsergebnis aus Brüssel. Letztlich ist es jedoch eine stärkere Mehrheit von über 70 Prozent der Griechen, die eine Einigung mit den Kreditgebern befürwortet hat. Um die sehr schwierigen und unbeliebten Maßnahmen der Bevölkerung vermitteln zu können, bleibt sich die Regierung in der Kommunikationslinie treu: Die Auflagen seien Ergebnis eines Diktats von außen, man lehne die anstehenden Schritte ab, es sei jedoch die einzige Option für das Land, insbesondere um die von einer großen Mehrheit im Land erwünschte Eurozonenmitgliedschaft sicherzustellen.

Gespaltene SYRIZA, königstreue ANEL

Schon die Parlamentsabstimmung zur Vergabe des Brüsseler Verhandlungsmandats war für die Regierung schwach verlaufen. Mit der geforderten Abstimmung der prior actions des dritten Programms am 15. Juli stand unmittelbar die nächste Hürde bevor. Eine solide Mehrheit von 229 der 300 Abgeordneten stimmte für die ersten Maßnahmen des dritten Programms. Dies gelang Tsipras jedoch nur mit den Stimmen der demokratischen, geschlossen hinter den Reformen stehenden Opposition (die kommunistische KKE und die neofaschistische Chrysi Avgi stimmten dagegen) – und ohne eigene Regierungsmehrheit. Dass die Opposition für das Reformpaket stimmte, ist unter Gesichtspunkten der parlamentarischen Kultur in Griechenland ein Novum und als Fortschritt zu begrüßen: Lässt ein solches Verhalten doch die tiefen Gräben der alten Antagonismen, zumindest für den Moment, hinter sich. Es mag den Weg in zukünftige, konstruktive Sachdiskussionen und -entscheidungen öffnen.

SYRIZA hat mit 32 Nein-Stimmen, sechs Enthaltungen und einer Abwesenden insgesamt 39 Abweichler in den eigenen Reihen versammelt. Da darunter auch profilierte Namen wie Energieminister Panagiotis Lafazanis, der stellv. Minister für Soziale Sicherung Dimitris Stratoulis sowie die stellv. Finanzministerin Nadia Valavani zu finden waren, war die am 17. Juli erfolgte Kabinettsumbildung unausweichlich geworden.

Mit einer besondere Argumentationslinie ermöglichte sich der rechtspopulistische Koalitionspartner ANEL das geschlossene „Ja“-Votum: Man wolle nicht der Steigbügelhalter für die Strategie einiger Kreditgeber sein, durch ein Scheitern der Regierung im Parlament Griechenlands Ausstieg aus dem Euro zu befördern. Erneut erweist sich die in ihren politischen Inhalten und Werten an sich antagonistische Rechts-Links-Koalition als überaus lebensfähig und flexibel in ihren Überzeugungen – wenn es um die Sicherung des Machterhalts geht. Allerdings verliert ANEL auf diesem Wege an rechtspopulistischem Profil, und, gemäß jüngsten Umfragen, an Wählerzustimmung.

Neues Kabinett, alte Probleme

Die seit der Parlamentsabstimmung erwartete Umbildung des Kabinetts erfolgte mit Verzögerungen und Schwierigkeiten, auch da vorgeschlagene Kandidaten aus den Reihen der SYRIZA sich weigerten, als Minister die verabschiedeten Reformmaßnahmen umzusetzen. Es war erwartet worden, dass Premier Tsipras möglicherweise ein eher technokratisch geprägtes Kabinett mit der Umsetzung der neuen, schwierigen Reformen betrauen würde. Letztendlich diente die Neuaufstellung der Regierungsmannschaft aber vielmehr der innerkoalitionären Befriedung. Und der strategischen Aufstellung für einen möglicherweise bald wieder bevorstehenden Wahlkampf.

Die linke Plattform der SYRIZA wurde – erwartungsgemäß – vollständig ihrer Minister- bzw. Stellvertreterposten enthoben. Meist haben enge Mitarbeiter des Premiers die Positionen übernommen. Es handelt sich um die jeweils für die Umsetzung anstehender Reformen zentralen Ressorts Energie (Privatisierungen), Sozialthemen, Verteidigung. Der Koalitionspartner ANEL wurde mit einer sehr umstrittenen Personalie für sein loyales Abstimmungsverhalten belohnt: Die Neubesetzung des stellv. Ministers für Sozialthemen mit dem politisch unerfahrenen und aus griechischen Fernsehkomödien bekannten Pavlos Chaikalis hat für Aufsehen gesorgt – wird sein Haus doch eine herausgehobene Rolle bei der anstehenden, schwierigen Rentenreform spielen.

Gemäß Brüsseler Vereinbarung steht die nächste Hürde für die Regierung an diesem Mittwoch bevor, wenn das Parlament über eine Reihe weiterer erster Maßnahmen des neuen Programms wird abstimmen müssen. Die Frage der Regierungsmehrheit wird erneut gestellt – trotz zugesicherter Unterstützung der Opposition – und als mögliches Zeichen der Schwäche des Premiers gelesen werden. Dem hat er im Vorfeld durch intensive Gespräche mit seiner Fraktion zu begegnen versucht. Und durch eine Verfahrensanpassung: Die sehr kontroversen Themen Rentenreform und Abschaffung der Privilegien für die griechischen Bauern wurden kurzerhand von der Tagesordnung gestrichen und in den August verlagert – in der Hoffnung auf ein entsprechend „scheibchenweise“ milderes Abstimmungsverhalten in den eigenen Reihen.

Umfragen sehen auch nach den letzten drei Wochen SYRIZA weiterhin an der Spitze, aktuell liegt die Zustimmung bei nach wie vor rund 42 Prozent. Die stärkste Oppositionspartei Nea Dimokratia (ND) folgt mit gerade einmal 21 Prozent, alle weiteren Parteien sind weit abgeschlagen. Die Zustimmungswerte für Premier Tsipras bleiben ebenfalls mit über 65 Prozent sehr hoch. Diese phänomenale, nach den Ereignissen der letzten Wochen teilweise eher schwer nachvollziehbare Entwicklung lässt sich unter anderem mit Blick auf die Besonderheiten der SYRIZA erklären: In dieser Partei gehören Diskussion und Kontroverse zum Daseinsverständnis der heterogenen Gruppen, die den linksradikalen Bündniszusammenschluss bilden. Auch im Moment der inhaltlichen und strategischen Spaltung bleibt (derzeit noch) die linke Plattform der Partei als Unterstützer treu, selbst wenn sie diese Auseinandersetzung verloren hat. Dieser Prozess wird als Weiterentwicklung der Partei gesehen – und so nimmt auch die Bevölkerung diesen neuen, für sie ungewohnten Prozess positiv wahr. Anders als in der griechischen Parteitradition werden die SYRIZA-Abgeordneten, die nicht mit der Regierung gestimmt haben, auch nicht sofort aus der Fraktion ausgeschlossen – und bleiben somit zunächst als Unterstützer Tsipras‘ präsent, trotz Spaltung.

Zudem wird der Höhenflug der SYRIZA durch die anhaltende Schwäche der Oppositionsparteien befördert, bei der vor allem die ND vor einer Phase wichtiger personeller Neuerungen und damit einhergehender, inhaltlich-strategischer Klärung steht. Entsprechend zurückhaltend präsentiert sich die Partei derzeit in der Öffentlichkeit, auch wenn der Interims-Vorsitzende Vangelis Meimarakis im Zuge der Parlamentsdebatte am 15. Juli einen inhaltlich und rhetorisch sehr positiv bewerteten Auftritt als Oppositionsführer hatte. Am 24. Juli wird der Planungsstab der ND tagen, um die Entscheidung zur neuen Parteiführung auf den Weg zu bringen. Die PASOK muss sich unter neuem Vorsitz erst mühsam wieder das Vertrauen der Wähler erkämpfen, während es To Potami schwerfällt, sich überhaupt als Partei mit kritischer Wählermasse zu positionieren. Und allen Oppositionskräften ist gemein, dass ihnen ein Momentum gegen SYRIZA derzeit nicht gelingt – weder inhaltlich noch personell.

Verwirrung und Ermattung

Die Spaltung der griechischen Bevölkerung in Enttäuschte und Reformer hält auch mit Beginn des dritten Rettungsprogramms an. Aber Tsipras ist es für einen Moment gelungen, den Griechen ein Gefühl der demokratischen Mitbestimmung über ihr Schicksal zu vermitteln – wenn auch ohne konkrete Auswirkungen auf sein politisches Handeln. Dabei greift auch eine bittere Logik der „politischen Abnutzung“, die die griechische Bevölkerung noch viel weniger als andere Völker davon ausgehen lässt, dass Wahlversprechen von Politikern gehalten werden. Bleibt ihre Umsetzung aus – SYRIZA kam an die Macht mit dem Versprechen, dass es keinerlei weiteren „Maßnahmen“ mehr geben werde – stört dies das Wahlvolk nicht weiter. Dennoch wird abzuwarten bleiben, wie die Bevölkerung direkt auf die nun einsetzenden, abermals harten Reformen reagieren wird.

Zudem spielt das Profil der SYRIZA-Anhänger eine Rolle: das „Nein“ im Referendum wurde maßgeblich von den unter 35jährigen getragen. Dieser Teil der Bevölkerung war von den Bankenschließungen und Kapitalverkehrskontrollen mit am geringsten betroffen, denn die wenigsten in dieser Altersgruppe verfügen überhaupt über 60 Euro pro Tag.

Ausblick

SYRIZA muss es nun mit Blick auf den bis 20. August angestrebten Abschluss der Verhandlungen mit den Kreditgebern sowie die Zeit danach gelingen, die parteiinternen Auseinandersetzungen über den Kurs weiter beizulegen. Da diese Aufgabe mit Blick auf die komplizierten Entscheidungen, die vor der Regierung liegen, immer schwieriger werden könnte, sind Neuwahlen im Herbst ein wahrscheinliches Szenario. Sollte es Premier Tsipras bis dahin weiter gelingen, der Bevölkerung – trotz harter Maßnahmen und fehlender positiver Ergebnisse für den Alltag der Menschen – das Bild eines neuen Politikstils für Griechenland zu vermitteln, könnte er mit einem gestärkten Mandat aus diesen Neuwahlen hervorgehen.

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