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Reportage sui paesi

Machtwechsel und ein Hauch von Unregierbarkeit

di Dr. Beatrice Gorawantschy, Stefan von Kempis

Parlamentswahlen in Italien

Italien geht unruhigen Zeiten entgegen. Die Wahlen zum Abgeordnetenhaus und zum Senat vom 9. und 10. April haben entgegen allen Umfragen beinahe einen Gleichstand zwischen den konkurrierenden Rechts- und Links-Blöcken ergeben, die Zahlen belegen, dass die Wählerschaft fast genau in der Mitte gespalten ist.

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Dennoch kommt es voraussichtlich zu einem Machtwechsel: Romano Prodis Mitte-Links-Koalition kann auf hauchdünne Mehrheiten im „Palazzo di Montecitorio“, also dem Parlament, und dem „Palazzo Madama“, also dem Senat, zählen. Die Stimmen der Auslandsitaliener, die sich zum ersten Mal überhaupt an einer nationalen Wahl beteiligen konnten, gaben dafür den Ausschlag. Die Möglichkeit einer „Großen Koalition“ in Rom oder eines so genannten „Kabinetts von Fachleuten“ ist damit wohl vom Tisch.

Nach einem scharf polarisierenden Wahlkampf hat die Wahlbeteiligung 2006 mit 83,6% einen Höchststand erreicht; der Wert liegt deutlich über den Zahlen der Parlamentswahl 2001 (81,4%) oder der Regionalwahlen vom April letzten Jahres (71,4%). Die Wähler ließen vor allem Silvio Berlusconis „Forza Italia“ (FI) einbrechen, die aber mit 23,7% stärkste Partei bleibt; die von der FI Enttäuschten verschafften u.a. der christdemokratischen UDC aus dem rechten Block einen deutlichen Zugewinn. Gestärkt wurde im anderen Lager die „Kommunistische Wiedergründung“ von Fausto Bertinotti, die einem Ministerpräsidenten Prodi das Regieren wohl von neuem schwermachen wird.

Parlament

In der Kammer erhielt die „Unione“ nach den (bis auf die Stimmen der Auslands-Italiener definitiven) Zahlen des Innenministeriums 49,8% der Stimmen, Berlusconis Mitte-Rechts-Bündnis „Haus der Freiheiten“ dagegen 49,73%. Das bedeutet einen Vorsprung von ca. 25.000 Wählerstimmen, nicht mehr. Damit wird die „Unione“ allerdings Nutznießerin des neuen und von ihr lange bekämpften Wahlrechts, das dem siegreichen Wahlbündnis ganz abgesehen von seiner Stimmenzahl automatisch mindestens 55 Prozent der Abgeordnetensitze zuspricht. Der Mitte-Links-Block erhält also 340 Sitze im Parlament, der Mitte-Rechts-Block bekommt dagegen trotz des knappen Abstands nur 277 Sitze. Das neue Wahlrecht wendet sich damit gegen seinen Erfinder Berlusconi.

Senat

Ähnlich stehen die Dinge im Senat. Hier konnte Berlusconis Mitte-Rechts-Koalition zwar 50,2% der Stimmen auf sich vereinen, gegenüber 48,95% für die „Unione“. Das verschafft dem „Haus der Freiheiten“ einen Senatorensitz mehr als der „Unione“ und damit eigentlich eine Mehrheit im Senat – wären da nicht die Auslandsitaliener, die 2006 dank der nach dem zuständigen Minister benannten „Lex Tremaglia“ zum ersten Mal bei einer nationalen Wahl sechs Senatorensitze (wie übrigens auch zwölf Sitze im Parlament) besetzen durften. Nun ergab aber eine langwierige Auszählung der Stimmen von Auslandsitalienern zum Senat eine deutliche Mehrheit für Mitte-links: Danach gehen vier weitere Senatorensitze an die „Unione“, und ein Unabhängiger, der für den Verband von Auslandsitalienern in Südamerika in den römischen Senat einzieht, hat zusätzlich angekündigt, mit der „Unione“ stimmen zu wollen. Nur ein weiterer Senatorensitz fällt dagegen nach Auszählung der Auslands-Stimmen Berlusconis Koalition zu; damit liegt Prodis Bündnis mit 158 Senatoren vor den 156, die Berlusconis Koalition gewann, und kann außerdem noch mit der Stimme des Südamerika-Senators rechnen.

Die Stimmen von etwa einer Million Auslands-Wählern, die sich an diesem Urnengang beteiligten, fielen also weit überproportional ins Gewicht gegenüber den Voten der mehr als 47 Millionen in Italien Wahlberechtigten. Nicht nur das neue Wahlrecht, sondern auch die im Dezember 2001 erfolgte Durchsetzung eines Wahlrechts für Italiener im Ausland hat sich damit letztlich gegen Berlusconi selbst gewendet.

Einen gewissen Unsicherheitsfaktor stellen noch die derzeit sieben Senatoren auf Lebenszeit dar, deren Kreis sich Ende Mai um den derzeitigen Präsidenten Carlo Azeglio Ciampi auf acht erweitern könnte: Zum ersten Mal werden diese Ehren-Senatoren, zu denen der langjährige Regierungschef Giulio Andreotti und derzeit zwei Ex-Präsidenten gehören, im Senat mit ihren Voten den Ausschlag geben. Sie könnten auch eine Regierung Prodi schnell zu Fall bringen. Als in der Nacht nach der Wahl das Ergebnis noch ungewiss war, rief der Senator auf Lebenszeit Francesco Cossiga seine Amtskollegen dazu auf, einer neuen Regierung, die auf so wackligen Mehrheiten fuße, das Vertrauen zu versagen. Die sechs anderen Ehren-Senatoren, von denen alle außer Andreotti als eher Prodi-nah eingestuft werden, ließen aber wissen, sie wollten auf jeden Fall abstimmen. Die absolute Mehrheit im Senat liegt bei 162 Sitzen; die „Unione“ muss also mindestens vier Senatoren auf Lebenszeit auf ihre Seite ziehen.

Kräfteverhältnis „Unione“

Innerhalb des Mitte-Links-Bündnisses kommt der „Ulivo“ („Ölbaum“), also eine Listenverbindung von Piero Fassinos „Linksdemokraten“, Francesco Rutellis liberal-katholischer “Margherita” und den neuen “Europäischen Republikanern”, im Abgeordnetenhaus auf 31,3 Prozent; das sind nur 0,3% mehr, als das fast identische Bündnis bei den letzten Parlamentswahlen 2001 holte. Über Gewinne oder Verluste bei den „Linksdemokraten“ oder der „Margherita“ kann man nur spekulieren, weil sie ja unter einem gemeinsamen Symbol antraten; allerdings haben sie sich im Senat getrennt voneinander präsentiert und kamen dabei auf 17,5% („Linksdemokraten“) bzw. 10,73% („Margherita“) Die „Linksdemokraten“ verfehlen damit erneut ihr Ziel, stärkste Partei zu werden, und sind auch gekränkt darüber, dass der Piemont, die Heimatregion ihres Vorsitzenden Fassino, bei den Senatswahlen mehrheitlich rechts gewählt hat. Spürbar enttäuscht von ihrem Ergebnis sind auch die Spitzenpolitiker der „Margherita“.

An zweiter Stelle in der „Unione“ steht bei den Parlamentswahlen Bertinottis „Kommunistische Wiedergründung“ mit 5,8% (2001: 5,0%); sie sieht durch ihr Abschneiden das „linke Gewicht“ in der „Unione“ gestärkt. Tatsächlich haben die entschieden linken Kräfte innerhalb des Mitte-Links-Blocks hinzugewonnen: 2,6% für die radikale „Rose in der Faust“ von Emma Bonino (2001 nicht angetreten, man hatte allerdings jetzt bei ihrem Einstand mit einem höheren Ergebnis gerechnet) und 2,3% für die „Italienischen Kommunisten“ (2001: 1,7%). Die „Grünen“ erhielten 2,1%, die „Udeur“ 1,4% (beide 2001 nicht angetreten), das „Italien der Werte“ des früheren Mailänder Staatsanwalts Antonio di Pietro rutschte von 3,9% vor fünf Jahren auf 2,3%. Andere Kräfte innerhalb der „Unione“ kommen nur noch auf 2,1%, verglichen mit 5,3% vor fünf Jahren.

Anders als 2001 ist die „Unione“ diesmal mit einem gemeinsamen Wahlprogramm angetreten; es eint sie also durchaus mehr als die Gegnerschaft zu Berlusconi. Trotzdem wird es Prodi, der keine eigene Partei oder Hausmacht hat, nicht leichtfallen, aus dem sehr breitgefächerten Mitte-Links-Lager ein von allen Kräften des Bündnisses akzeptiertes Kabinett zusammenzustellen. Bertinotti hat bereits angekündigt, er stehe für ein Ministeramt nicht zur Verfügung. Es könnte sich schon bald rächen, dass es Prodi zu Oppositionszeiten trotz mehrerer Anläufe nicht gelungen ist, eine einheitliche große Linkspartei nach dem Modell der US-„Demokraten“ zu schaffen. Die neue Konstellation erinnert an seine erste Regierung, die nach zwei Jahren im Oktober 1998 stürzte, weil Bertinotti ihm im Streit um eine Haushaltsreform die Unterstützung im Parlament entzog.

Kräfteverhältnis „Haus der Freiheiten“

Berlusconis FI hat 23,7% der Stimmen bei der Parlamentswahl gewonnen – das ist, verglichen mit den 29,4% vor fünf Jahren, ein dramatischer Absturz. Gianfranco Finis „Nationale Allianz“ hingegen hält sich mit 12,3% fast unverändert (2001: 12%), sie ist also für ihr Festhalten an Berlusconi nicht abgestraft worden und hat auch durch die Abspaltung von Alessandra Mussolinis „Sozialer Alternative“ offenbar nicht an Attraktivität eingebüßt. Derweil ist die christdemokratische „UDC“ von 3,2% (2001) auf 6,8% geklettert; sie hat ihren Stimmenanteil also mehr als verdoppelt, ein sehr achtbares Ergebnis für ihren Spitzenkandidaten Pier Ferdinando Casini, der dadurch wohl auch innerparteilich gestärkt wird. Die „Lega Nord“ von Umberto Bossi konnte sich von 3,9% (2001) auf 4,6% nur geringfügig verbessern, die übrigen Parteien im Mitte-Rechts-Bündnis – unter ihnen als stärkster Block die faschistischen „Soziale Alternative“ und „Fiamma Tricolore“ – errangen zusammen 2,3 Prozent, verglichen mit 1,9% vor fünf Jahren.

Bei den Senatswahlen hat Mitte-rechts in den Regionen deutlich besser abgeschnitten als erwartet: Es errang eine Mehrheit in Apulien, wo es die Regionalwahlen letztes Jahr verloren hatte, behauptete sich auf Sizilien und im Latium (allerdings konnte in der Hauptstadt selbst das Linksbündnis gegen den Regional-Trend um 8% zulegen im Vergleich zu 2001) und konnte vor allem ganz Norditalien wieder für sich gewinnen, auch das Piemont und Venetisch-Friaul, die es bei den Regionalwahlen 2005 verloren hatte.

Trotz der deutlichen Verluste für „Forza Italia“ bleibt Berlusconis Partei im Mitte-Rechts-Lager die weitaus stärkste Kraft; das wird Heckenschützen aus anderen Parteien, die nur auf einen Abgang des Selfmade-Politikers warten, entmutigen. In dieser Hinsicht ist das Wahlergebnis eindeutig: An Berlusconi, der vor den Wahlen angekündigt hatte, im Fall einer unwahrscheinlichen Niederlage Oppositionsführer werden zu wollen, kommt im Rechtsbündnis auch künftig keiner vorbei. Beachtlich ist auch der Aufstieg der „UDC“, die die „Lega“ überrundet hat und zur dritten Kraft im Mitte-Rechts-Block aufgerückt ist.

Wie es weitergeht

„Die zwei Italien: gespalten und unversöhnlich“, titelt der „Corriere della Sera“ vom 11. April; „die Chance, das Land regierbarer zu machen, ist verpasst“, urteilt die „Repubblica“. Der amtierende Premierminister hat auch 24 Stunden nach der Schließung der Wahllokale noch keine Niederlage eingeräumt und fordert über seinen Sprecher eine Überprüfung der ca. 500.000 ungültigen Wahlzettel bei der Parlamentswahl – eine Forderung, der sich auch UDC-Generalsekretär Lorenzo Cesa anschließt. Ein FI-Statement weist darauf hin, dass die Regierungskoalition im Senat doch „mit über 50% der Stimmen und einem Abstand von 350.000 Stimmen gewonnen“ habe; im Abgeordnetenhaus hingegen habe kein Wahlbündnis die 50%-Marke erreicht, und der Stimmenabstand sei äußerst geringfügig.

Demgegenüber bekräftigt Prodi seine Entschlossenheit zur Regierungsbildung: „Wer gewinnt, der gewinnt, das ist das Schöne an der Demokratie.“ Man könne auf dieser Basis durchaus fünf Jahre lang regieren, so der „Unione“-Führer in einer ersten Reaktion, aber einfach werde das natürlich nicht. Der „Professore“ mahnte die Parteien in seinem Bündnis eindringlich zur Geschlossenheit.

Spätestens am 28. April muss das neue Parlament zusammentreten, um sich bis zum 5. Mai auf Fraktionen und Fraktionsführer zu einigen. Ab diesem Moment könnte Präsident Ciampi den Führer eines Wahlbündnisses, voraussichtlich Prodi, mit der Regierungsbildung beauftragen. Neuwahlen anzupeilen, wie Bertinotti das in der Nacht nach der Wahl angesichts unklarer Mehrheiten zunächst gefordert hat, wäre im Moment gar nicht möglich, weil die Verfassung einem Präsidenten in den letzten Monaten seiner Amtszeit die Ausrufung von Neuwahlen untersagt, und Ciampis Amtszeit endet spätestens am 18. Mai. Voraussichtlich am 13. Mai wird ein neugewählter Präsident des Abgeordnetenhauses die gemeinsame Versammlung von Parlament und Senat sowie der Präsidenten der Regionen einberufen, um einen neuen Staatspräsidenten zu wählen.

Italienische Medien und, wie er am 11. April zu erkennen gab, auch Prodi selbst halten es für wahrscheinlich, dass erst ein neuer Präsident offiziell den Auftrag zur Regierungsbildung erteilen wird. Der 85-jährige Ciampi will eigentlich im Kampf um den Quirinal, Sitz des Präsidenten, nicht mehr antreten, aber Cossiga drängt ihn zu einer erneuten Kandidatur, um dem zerrissenen Land jetzt Kontinuität zu sichern. Beobachter sehen in der Fähigkeit der Parteien, sich in der jetzigen Lage auf einen Staatspräsidenten zu einigen, einen wichtigen Prüfstein für die Regierbarkeit des Landes.

Wegen dringender politischer Termine – vor allem Neuwahl des Staatspräsidenten, Kommunalwahlen Ende Mai – sind Neuwahlen so gut wie ausgeschlossen. Das nicht erst durch den heftigen Wahlkampf vergiftete politische Klima lässt auch eine „Große Koalition“ äußerst unwahrscheinlich erscheinen. Also wird Prodi voraussichtlich den Auftrag zur Regierungsbildung erhalten – was nicht bedeutet, dass er dazu imstande sein wird, eine stabile Regierung zu bilden. Denn angesichts des knappsten Wahlausgangs, den Nachkriegsitalien jemals erlebt hat, und angesichts der Fliehkräfte innerhalb der „Unione“ rechnen viele damit, dass die neue Regierung noch nicht mal ein Jahr lang hält.

Berlusconi hat gestern Abend eine Pressekonferenz gegeben, bei der er Unregelmäßigkeiten bei der Wahl der Auslands-Italiener beklagte und eine Überprüfung der ungültigen Wahlzettel bei den Parlamentswahlen forderte. Einen Sieg Prodis will Berlusconi bis dahin nicht anerkennen; bei einem Gleichstand bietet er Prodi allerdings eine "Grosse Koalition" nach deutschem Vorbild an, was Prodi zurückweist.

Derweil sind am gestrigen Abend auch die Stimmen der Auslands-Italiener zur Parlamentswahl ausgezählt worden (bisher hatte man zunächst mal die entscheidenderen Stimmen zum Senat ausgezählt); dabei ändert sich die Sitzverteilung in der Kammer, wenn auch nicht das Verhältnis. Die Auslands-Italiener konnten ja erstmals zwoelf Abgeordnetensitze vergeben.

Damit hat die "Unione" in der Kammer nun 348 Sitze (das sind die 340, die ihr nach der "Mehrheitsprämie" des neuen Wahlrechts zustehen) plus acht durch die Auslands-Italiener neugewonnene Sitze; das "Haus der Freiheiten" hingegen 281 Sitze (also die 277 dank der Mehrheitsprämie plus vier durch die Auslands-Italiener). Ein Sitz ging - wie im Senat - an einen unabhängigen Kandidaten.

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