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Kanadisches Roulette - Trudeaus risikoreiches Neuwahlspiel

Er wollte die Scharte der Wahlen von 2019 auswetzen, als er seine damalige Mandatsmehrheit im Unterhaus verlor. Die COVID-19-Pandemie schien dem Premierminister daher genau der richtige Hintergrund für vorgezogene Neuwahlen zu sein. Justin Trudeau war offenbar der festen Überzeugung, die kanadische Wählerschaft würde das Pandemiemanagement seiner Regierung an der Wahlurne belohnen. Aber die unberechenbaren Wähler wollen ihm auf diesem Weg nicht wirklich folgen, im Gegenteil: das öffentliche Verständnis für die Notwendigkeit dieser Wahl ist gering. Und so könnte es sein, dass der im kommenden Dezember 50 Jahre alt werdende Regierungschef nach dem Wahltag am 20. September mit deutlich weniger dasteht als vorher, denn es sieht nicht nach einer absoluten Parlamentsmehrheit für die Liberalen aus. Theoretisch könnte ihn seine Entscheidung sogar sein Amt kosten.

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Wahlen und Parteien in Kanada

Am 15. August 2021 ging Premierminister Justin Trudeau mit seiner Familie den kurzen Weg von seiner offiziellen Residenz Rideau Cottage zur Rideau Hall, dem Sitz der Generalgouverneurin, um die dortige, neue Amtsinhaberin Mary Simon  zu bitten, das 43. Parlament aufzulösen und für Montag, den 20. September 2021, Neuwahlen zum Unterhaus („House of Commons“) auszurufen. Allgemeine Wahlen werden in Kanada ausgerufen, wenn der Generalgouverneur auf Anraten des Premierministers das Parlament auflöst. Die Bundeswahlen stehen unter der überparteilichen Kontrolle der Bundesbehörde „Elections Canada“ und ihrem „Chief Electoral Officer“. Mit dem Antrag auf Auflösung des Parlaments schlägt der Premierminister auch den Wahltermin vor. Das kanadische Wahlgesetz legt fest, dass die Wahlkampfperiode mindestens 36 Tage und höchstens 51 Tage dauern muss.

 

Wahlrecht

Im Gegensatz zu Australien und einigen anderen Ländern gibt es in Kanada keine Wahlpflicht. Die Wahlbeteiligung bei nationalen Wahlen liegt in der Regel bei etwa zwei Dritteln der Wahlberechtigten - 2019 lag sie bei 67 Prozent, 2015 bei 68,5 Prozent und 2011 bei 61 Prozent. Die Wahlen in den 338 kanadischen Wahlkreise („Ridings“ genannt) werden nach dem Mehrheitswahlrecht entschieden, d. h. welcher Bewerber die meisten Stimmen erhält, gewinnt das Wahlkreismandat, auch wenn auf nationaler Ebene "die meisten Stimmen" nur selten mit der Mehrheit der Mandate im Unterhaus gleichzusetzen sind. Das Mehrheitswahlrecht bedeutet, dass eine Partei wie bei früheren Wahlen mit etwa 38 Prozent der Stimmen die Mehrheit der Sitze im Unterhaus gewinnen kann. In der jüngeren Geschichte haben nur zwei Regierungen mehr als 50 Prozent der Stimmen erhalten: jeweils die Progressiven Konservativen von John Diefenbaker im Jahr 1958 und von Brian Mulroney im Jahr 1984. Bei der Unterhauswahl 2019 erhielten die Konservativen mehr Stimmen als die Liberalen, gewannen aber weniger Mandate. Die Neue Demokratische Partei (NDP) und die Grüne Partei (Grüne) befürworten das Verhältniswahlrecht, und im Wahlkampf 2015 versprach Trudeau eine Wahlrechtsreform, die so interpretiert wurde, dass sie das Verhältniswahlrecht forcieren sollte. Dies ist weder auf nationaler noch auf Provinzebene geschehen. Tatsächlich wurde das Verhältniswahlrecht bei Volksabstimmungen auf Provinzebene in British Columbia, Ontario und Prince Edward Island abgelehnt.

 

Wahlkreise

Die Verfassung legt fest, wie viele Sitze den einzelnen Provinzen zugewiesen werden. Die Formel wird auf der Grundlage der Bevölkerungszahl nach einer alle zehn Jahre stattfindenden Volkszählung in einem unabhängigen, überparteilichen Verfahren mit unabhängigen Kommissionen angepasst, die in jeder Provinz getrennt arbeiten. Die Verfassung garantiert sowohl Quebec als auch Prince Edward Island (PEI) eine Mindestanzahl von Sitzen. Dies führt zu großen Diskrepanzen in der Bevölkerungszahl der Wahlkreise. So gibt es beispielsweise in jedem der vier Wahlkreise in PEI, der kleinsten Provinz Kanadas, durchschnittlich 36.500 Wähler, während jeder der 34 Wahlkreise in Alberta 111.000 Wähler hat. Die derzeit 338 Wahlkreise verteilen sich wie folgt auf die Provinzen: Ontario 121; Quebec 78; British Columbia 42; Alberta 34; Manitoba 14; Saskatchewan 14; Nova Scotia 11; New Brunswick 10; Neufundland und Labrador 7; PEI: 4; Northwest Territories 1; Yukon 1, und Nunavut 1. Geografisch gesehen ist Nunavut mit 2,1 Millionen Quadratkilometern (fast viermal so groß wie Deutschland) der größte Wahlkreis, während Toronto Centre mit 5,84 Quadratkilometern der kleinste ist.

 

Parteienspektrum

Der politische Wettbewerb um die Regierungsverantwortung findet im zwischen den Konservativen und den Liberalen statt, den ältesten Parteien Kanadas, die bis zur Konföderation zurückreichen. Die Tories, wie die Konservativen in Anlehnung an ihre britische Schwesterpartei genannt werden, regierten den größten Teil der Zeit nach der Konföderation von 1867 bis kurz vor der Jahrhundertwende, als die Liberalen die Macht übernahmen, die dann während des größten Teils des 20. Jahrhunderts regierten. Die NDP ist aus der progressiven Bauern- und Arbeiterbewegung des frühen 20. Jahrhunderts hervorgegangen und hat zwar in den Provinzen die Regierung gestellt, war auf nationaler Ebene aber nur einmal in der Rolle der offiziellen Opposition (2011-2015). Der Bloc Québécois wurde Anfang der 1990er Jahre gegründet, um die Interessen von Quebec auf dem Weg zur Unabhängigkeit zu verteidigen. Er bildete die offizielle Opposition (1993-1997) und hatte bis 2011 die meisten Sitze in Quebec. Die Grünen wurden in den frühen 1980er Jahren gegründet und gewannen 2011 ihren ersten Sitz. Andere Parteien, wie z.B. die derzeit präsente, rechtskonservative People‘s Party, können als Zeiterscheinungen betrachtet werden, gewinnen aber nur selten Sitze.

 

„Obstruktionismus und Giftigkeit“ – darum Wahlen jetzt

Die 2019 begonnene Legislaturperiode hätte regulär noch bis Herbst 2023 angedauert. Bei den damaligen Unterhauswahlen hatte Premierminister Trudeau jedoch seine 2015 errungene, absolute Mandatsmehrheit verloren und war gezwungen, seitdem einer Minderheitsregierung vorzustehen . Nun sind Minderheitsregierungen in Kanada nichts Ungewöhnliches: seit Beginn der kanadischen Konföderation haben zehn Premierminister unterschiedlicher politischer Couleur zum Teil mehr als einmal und gelegentlich auch über Jahre ohne Parlamentsmehrheit regiert, zuletzt Justin Trudeaus Vorgänger, der Konservative Stephen Harper, aber auch sein Vater Pierre Elliott Trudeau. Auch auf Provinzebene gehört die Minderheitsregierung zur politischen Normalität; lediglich Alberta verfügt nicht über diese Erfahrung.

Justin Trudeau allerdings sah sich mit seiner Minderheitsregierung besonderen Herausforderungen gegenüber. Im Sommer 2021 übte er scharfe Kritik an den Oppositionsparteien im Unterhaus, denen er prozedurale Verzögerungstaktiken bei wichtigen Gesetzgebungsvorhaben der Regierung vorwarf. „"Wir haben ein Maß an Obstruktionismus und Giftigkeit in diesem Haus erlebt, das wirklich besorgniserregend ist", sagte Trudeau vor der parlamentarischen Sommerpause und nährte damit bereits Spekulationen über einen vorzeitigen Urnengang. Die Angegriffenen ließen das nicht auf sich sitzen und konterten. Der Vorsitzende der Neuen Demokraten, Jagmeet Singh, wies die Anschuldigungen zurück und sagte: "Wenn der Premierminister zur Wahl geht, dann nicht, weil das Parlament nicht funktioniert, sondern weil es ein Spiel ist, um mehr Macht zu erlangen." Singh war es auch, der Generalgouverneurin Simon einen Brief schrieb, worin er sie aufrief, jede Aufforderung von Justin Trudeau zur Einberufung von Neuwahlen abzulehnen, weil die liberale Minderheitsregierung alle Vertrauensabstimmungen gewonnen hatte. Dies jedoch war kaum mehr als politische Effekthascherei, denn die kanadische Verfassungspraxis besagt, dass der Generalgouverneur dem Rat des Premierministers folgt.

 

Politische Ausgangslage und Kernprogrammpunkte der wichtigsten Parteien

Zu Beginn des Wahlkampfs stellte sich die Ausgangslage der wichtigsten politischen Parteien hinsichtlich ihrer programmatischen Visionskraft und Kampagnenfähigkeit höchst unterschiedlich dar. An dieser Stelle können aus Platzgründen nur ausgewählte zentrale Programmpunkte jeder Partei beschrieben werden.

Liberale

Die (sozial-)Liberalen als Regierungspartei können sich auf ein breites Netzwerk aus Mandats- und Amtsträgern sowie Unterstützern in Medien und Zivilgesellschaft in fast allen Regionen des Landes stützen, mit Ausnahme des Mittleren Westens, wo die Konservativen dominieren. Beispielhaft dafür sind die aggressiven Wahlwerbespots der Gewerkschaften gegen den konservativen Herausforderer Trudeaus, Oppositionsführer Erin O’Toole. Die Regierungspartei wirkt aber keineswegs wie ein Quell programmatischer Kreativität, sondern eher wie eine zwar durchaus gut geölte Wahlkampfmaschine, die aber lediglich die Dynamik eines Premierministerwahlvereins aufweist. Zu ihren größten Problemen im Wahlkampf zählt die Konkurrenz um die Stimmen derselben Wählergruppen mit der sozialdemokratischen NDP. Enttäuschte Wechselwähler dürfte sie auch an die Konservativen verlieren.

 

Konservative

Die bis 2015 fast ein Jahrzehnt regierenden Konservativen haben sich mit der Oppositionsrolle schwergetan. Schon 2019 scheiterte der damalige Parteivorsitzende Andrew Scheer bei dem Versuch, neuer Regierungschef zu werden. Die Partei ist strukturell von sozialkonservativen Mitgliedern in den Provinzen des Mittleren Westens beherrscht. Daher mangelt es ihr an Glaubwürdigkeit, wenn sie bei unabhängigen und Wechselwählern mit moderneren Standpunkten Boden gewinnen will. Das gilt besonders in den mandatsreichen Provinzen Quebec und Ontario und dort vor allem für das Ballungszentrum „Greater Toronto Area“ (GTA), wo sie überdurchschnittliche Mandatsgewinne erzielen müsste, um national siegreich zu sein. Der seit 2020 amtierende Parteivorsitzende und Oppositionsführer Erin O’Toole, ein Parlamentsveteran mit kurzer Ministererfahrung unter Stephen Harper, konnte lange weder seinen nationalen Bekanntheitsgrad signifikant erhöhen noch wirkte er sympathisch, sondern eher staatsanwaltlich in seinen Attacken gegen den Premierminister. Seine zahlreichen Dilemmata, die er als Parteichef zu überwinden hat, kommen beispielhaft in der Weigerung des jüngsten Parteitages zum Ausdruck, den Zusatz, dass der Klimawandel real sei, ins Parteiprogramm aufzunehmen. Nicht nur deshalb wird die Aufgabe, in diesem Wahlkampf den regierenden Liberalen Stimmen abzujagen, nicht automatisch von Erfolg gekrönt sein.

 

Neue Demokratische Partei

Jagmeet Singh, der Parteivorsitzende der NDP, war der erste nichtweiße Chef einer der etablierten Parteien. Die NDP hatte, als er 2017 deren Vorsitz übernahm, ihre „goldene Zeit“ als offizielle Opposition im Unterhaus bereits hinter sich und rutschte unter seiner Verantwortung 2019 auf den vierten Platz, gemessen an der Fraktionsstärke, ab. Gleichwohl gilt der in Englisch und Französisch gleichermaßen eloquente Turbanträger indischer Herkunft als vor allem bei Jüngeren beliebter Politiker, der sich vornehmlich durch eine pointiert vorgetragene sozialpolitische Agenda viel Sympathie verschafft hat. Die NDP leidet an der spannungsreichen Geschichte der Zusammenarbeit zwischen Liberalen und ihr in der Vergangenheit, welche nach 2019 zwar punktuelle Kooperation in einzelnen Sachfragen ermöglicht hat, nicht jedoch eine förmliche Koalition, für die beide Parteien eine komfortable Mehrheit im Unterhaus gehabt hätten.

 

Bloc Québécois

Diese Regionalpartei, die aus der früheren Unabhängigkeitsbewegung der frankophonen Provinz Quebec hervorging, symbolisiert das Paradox, nicht an der Macht in ganz Kanada interessiert zu sein, aber gleichwohl mitzuentscheiden, wer diese ausübt. Ihre besten Zeiten, als sie offizielle Opposition war, liegen freilich lange zurück. Ihre Hauptaufgabe sieht sie darin, den von ihr geforderten Status Quebecs als „Nation“ im Unterhaus politisch abzusichern und dort auch die als solche wahrgenommenen, besonderen Werte Quebecs zu verteidigen, die beispielsweise in Provinzgesetzen zum Ausdruck kommen, die Beamten das Tragen religiöser Symbole im Dienst verbieten und deshalb auch national politisch und verfassungsrechtlich umstritten sind. Obwohl es keine bedeutende Unabhängigkeitsbewegung in Quebec mehr gibt, gibt der Bloc denjenigen Gesicht und Stimme, die die Interessen der französisch sprechenden Bevölkerungsminderheit Kanadas gefährdet sehen. Zuletzt geschah dies nach der Berufung der neuen Generalgouverneurin Mary Simon, die im Unterschied zu ihren Amtsvorgänger/innen kein Französisch spricht, weshalb es in den sozialen Medien zu teilweise harscher Kritik an dem nominellen Staatsoberhaupt kam, die von Vertretern des Bloc kanalisiert wurde. Da Quebec ein weitgehend selbstbestimmtes politisches Leben führen kann und viele Menschen dort auch nichtnationalistische Haltungen haben, könnte der Bloc bei dieser Wahl im Unterhaus auf den vierten Platz nach Fraktionsstärke absinken.

 

Grüne

Kanada dürfte das einzige G7-Land sein, in dem die Themen Klimawandel und Energie von der Bevölkerung als ebenso zukunftsrelevant angesehen werden wie andernorts, die korrespondierende politische Kraft aber nahezu bedeutungslos ist. Aus der Sicht von Umweltaktivisten war mit drei von insgesamt 338 Mandaten das grüne Wahlergebnis schon 2019 erschütternd schlecht, was seinerzeit eher dem Mehrheitswahlrecht zuzuschreiben war, während Umfragen zur Wahlabsicht die Grünen damals bei sieben bis neun Prozent sahen. Wenn die Wahl 2021 ein noch schlechteres Ergebnis erbringen sollte, liegt dies vor allem an schweren internen Querelen der Umweltpartei. Sie begannen mit der Wahl der derzeitigen Vorsitzenden Annamie Paul 2020, die als erste Schwarze und erste Jüdin zugleich Vorsitzende einer im Unterhaus vertretenen Partei wurde. Sie ist gleichzeitig die einzige nationale Parteiführerin ohne Parlamentsmandat, da ihre entsprechenden Versuche bei Nachwahlen scheiterten. 2021 geriet sie in schwere, parteiinterne Kritik, nachdem infolge einer Auseinandersetzung zwischen ihr und einer der drei grünen Unterhausabgeordneten um die Israel-Politik der Partei letztere die Grünen verließ und mit ihrem Mandat zu den Liberalen übertrat. Die nachfolgenden internen Machtkämpfe kosteten Paul zwar (noch) nicht ihr Amt, was nach der diesjährigen Parlamentswahl aber nicht mehr ausgeschlossen scheint. Sie selbst beschreibt sich im laufenden Wahlkampf als „nicht unbedingt hilfreich“ für jede/n grüne/n Kandidaten/in.
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People’s Party

Die People's Party of Canada (PPC) ist eine nationale politische Partei in Kanada. Sie wurde im September 2018 von Maxime Bernier gegründet, kurz nach seinem Austritt bei den Konservativen, um deren Vorsitz er sich beworben hatte und deren Kabinettsminister er war.  Bernier war von der Gründung der Partei 2018 bis zu seiner Niederlage bei den Unterhauswahlen 2019 der einzige Abgeordnete der PPC. Die Partei setzt sich u.a. für eine Begrenzung der Einwanderung auf 150.000 Personen pro Jahr, die Abschaffung des Multikulturalismusgesetzes, den Austritt aus dem Pariser Klimaabkommen und die Beendigung der Angebotssteuerung ein. Sie wird je nach Perspektive als klassisch liberal, konservativ, libertär und populistisch bezeichnet. Gewöhnlich ordnet man sie am rechten bis extrem rechten Rand des traditionellen Links-Rechts-Spektrums ein. Nach 2019 wurde sie bereits als irrelevant angesehen, erlebt aber im Wahlkampf 2021 eine Renaissance und liegt bei Umfragen zu den derzeitigen Wahlabsichten vereinzelt sogar vor den Grünen.

 

 

Wahlprognosen

Zu Beginn des Wahlkampes im August sahen die Liberalen wie der sichere Sieger dieses Urnengangs aus. Die gemessenen Wahlabsichten reflektierten einen soliden Vorsprung der Regierungspartei mit der guten Chance auf eine Parlamentsmehrheit. Allerdings gab es auch besorgniserregende Faktoren: Der positive Eindruck von Trudeau war bei den Wählern der Liberalen mit 78 Prozent kaum höher als der von O'Toole bei den Wählern der Konservativen mit 75 Prozent. Im Gegensatz dazu hatten 92 Prozent der Personen, die sagten, dass sie die NDP wählen werden, einen positiven Eindruck von Singh. Noch auffälliger war, dass die Erwartung, dass Trudeau ein guter Premierminister sein würde, bei den Anhängern der Liberalen die gleiche war wie bei den Anhängern der Konservativen die Erwartung, dass O'Toole ein guter Premierminister sein würde. Beide lagen bei 68 Prozent, d.h. jeweils ein Drittel der eigenen Anhänger hatte eine abweichende Meinung. Bei den NDP-Anhängern waren 78 Prozent der Meinung, dass Singh ein guter Premierminister wäre.

Je länger die Kampagne andauerte, desto häufiger sah sich Trudeau mit der Frage konfrontiert, warum er vor dem Hintergrund einer möglichen vierten Corona-Welle in Kanada unbedingt Wahlen ausschreiben musste. Die Medien waren sich einig, dass der Regierungschef darauf keine wirklich überzeugende Antwort hatte. Trudeau hat wiederholt darauf hingewiesen, dass die Wahlen eine Notwendigkeit seien, da die Regierung entscheiden müsse, wie sie das Ende der COVID-19-Pandemie herbeiführen will, und erklärte, dass die Kanadier "sehr klar" darüber sein sollten, "wie sie diese Pandemie beenden wollen". Dennoch hat diese Botschaft bei vielen Kanadiern, die sagen, dass sie von vornherein keine Wahlen wollten, keinen Anklang gefunden.

Verärgerung darüber kommt auch in dem wachsenden Zuspruch zur PPC zum Ausdruck. Jüngste Umfragen sehen die Volkspartei landesweit bei 9,1 Prozent (Fehlermarge: 2,8 Prozent). Die Tagesumfrage des Instituts EKOS sah die PPC am 10. September bei 11 Prozent - und 21 Prozent in Alberta -, obwohl das Meinungsforschungsinstitut IPSOS die Unterstützung in der letzten Woche auf 2 Prozent bezifferte und die Tagesumfrage von Nanos die Partei bei 5,1 Prozent sah. Ein PPC-Sprecher glaubte, dass die Unterstützung wahrscheinlich eher bei sechs Prozent liegt. Das sind aber immer noch viele Menschen, die sich zur PPC hingezogen fühlen: im Jahr 2019, als die Grünen 6,5 Prozent erhielten, vertrauten ihnen mehr als 1,1 Millionen Kanadier ihre Stimme an.

Die aus den Wahlabsichten der bei Umfragen angesprochenen Personen errechneten Mandatsprognosen (Liberale 146/2019:155; Konservative 126/119; NDP 32/24; Bloc Québécois 32/32; Grüne: 2/3; PCC: 0/1) indizieren eine Woche vor der Wahl, dass Justin Trudeau sein Wahlziel (solide Mehrheitsregierung) nicht erreichen wird. Dann wäre nicht nur sein politisches Kalkül nicht aufgegangen, sondern er hätte den Beweis dafür geliefert, was 30 Prozent der Wähler, die gefragt wurden, was sie am meisten am aktuellen Wahlkampf überrascht hat sagten, dass Trudeau "keinen Bezug zu den Anliegen der normalen Kanadier zu haben scheint" - das ist der höchste Wert, der bei 11 persönlichen Führungseigenschaften und vier Parteiführern verzeichnet wurde.

 

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Kontakt

Dr. Norbert Eschborn

Dr

Leiter des Auslandsbüros Kanada

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