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Trump: "Wir sind nicht dabei zu gewinnen, wir verlieren"

autori Matthias Riesenkampff

Wann kommt die neue Strategie der Trump-Administration für Afghanistan?

Laut einem Bericht des amerikanischen Nachrichtensenders NBC News vom 02. August 2017 hat US-Präsident Trump in einer Sitzung im Weißen Haus am 19. Juli 2017 seinem Ärger über die militärische Lage in Afghanistan deutlich Ausdruck verliehen. Er wurde mit den Worten zitiert „Wir sind nicht dabei zu gewinnen, wir verlieren.“ Dabei soll er sogar die Ablösung des kommandierenden Befehlshabers der Mission Resolute Support, des amerikanischen Vier-Sterne-Generals John W. Nicholson Jr. gefordert haben (den er selbst nie persönlich getroffen hat).

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Befehlshaber der NATO-Mission Resolute Support, General John W. Nicholson Jr. (links), und US-Verteidigungsminister James N. Mattis | © US-Verteidigungsministerium / Flickr / CC BY 2.0 © US-Verteidigungsministerium / Flickr / CC BY 2.0
Befehlshaber der NATO-Mission Resolute Support, General John W. Nicholson Jr. (links), und US-Verteidigungsminister James N. Mattis | © US-Verteidigungsministerium / Flickr / CC BY 2.0

Das Pentagon hingegen will die Einsatzzeit von General Nicholson als Befehlshaber von Resolute Support verlängern. Seit mehreren Monaten versuchen die amerikanischen Sicherheitsberater, Präsident Trump eine neue Afghanistan-Strategie zu unterbreiten, die dieser befürwortet. Während des Treffens soll der Präsident auch die Qualität der Ratschläge seiner Berater massiv in Frage gestellt und diese brüskiert haben. Im Anschluss soll es sogar zu einer lautstarken Auseinandersetzung zwischen dem bisherigen Chefstrategen des Präsidenten, Steve Bannon, und dem Nationalen Sicherheitsberater, Generalleutnant H. R. McMaster gekommen sein. Offensichtlich scheint es in der Trump-Administration heftige Richtungskämpfe um die richtige Strategie für Afghanistan, immerhin dem längsten Krieg an dem die Vereinigten Staaten jemals beteiligt waren, zu geben. Momentan ist unklar, welches Lager die Oberhand gewinnen und somit wie eine neue Strategie – und diese könnte im Extremfall auch einen Truppenabzug beinhalten – aussehen wird. In der Zwischenzeit hat sich die Lage in Afghanistan weiterhin verschlechtert.

Der Krieg in Afghanistan: Kein Thema im US-Präsidentschaftswahlkampf 2016!

Am 22. Januar diesen Jahres wurde Donald Trump als 45. Präsident der Vereinigten Staaten von Amerika vereidigt. Im amerikanischen Wahlkampf hatte Afghanistan, immerhin der längste und dazu auch noch andauernde Krieg in der Geschichte der Vereinigten Staaten, bei beiden Kandidaten so gut wie keine Rolle gespielt. Es gab kaum Äußerungen der Kandidaten zu dem Afghanistan-Krieg, so dass die Öffentlichkeit auch nicht erfuhr, welche Strategie bzw. Politik sie nach ihrem Amtsantritt in Bezug auf Afghanistan anzuwenden gedachten. Schon sprachen amerikanische Kommentatoren vom „Vergessenen Krieg“.

Das war bei vorhergehenden US-Präsidentschaftswahlen ganz anders gewesen. Noch als Senator hatte der spätere US-Präsident Barack Obama 2008 im Wahlkampf erklärt, dass für ihn die Bekämpfung von Al Qaida sowie der Taliban eine höchste Priorität darstellen, und dieser Krieg gewonnen werden müsse. Diesen Ankündigungen ließ er auch Taten folgen. In seine Amtszeit fiel dann auch die sogenannte „Surge“, nämlich die Erhöhung der internationalen Truppenstärke, um die damals wieder erstarkenden Taliban effektiver und vor allem im ganzen Land zu bekämpfen zu können. Allerdings war die Truppenerhöhung von vornherein zeitlich begrenzt worden, da die Regierung Obama versprochen hatte, sowohl den Irak- als auch den Afghanistan-Krieg zu beenden. Das Ende der „Surge“ sowie auch der internationale Truppenabzug bis Ende 2014 richteten sich also nach politischen Erwägungen, und eben nicht nach der militärischen Lage. Kritiker haben dies von Beginn an als Schwachpunkt der Strategie bemängelt, die es den Taliban ermöglichen würde, die Zeit bis zum Truppenabzug auszusitzen um sich dann auf die auf sich allein gestellten afghanischen Sicherheitskräfte konzentrieren zu können. 2015 wurde dann auch das bisher erfolgreichste Jahr für die Taliban. Zeitweise wurde sogar der Zusammenbruch der afghanischen Sicherheitskräfte aufgrund der hohen Verlustzahlen befürchtet. Präsident Obama reagierte auf die verschlechterte Lage, indem er den bis Ende 2016 geplanten, völligen Truppenabzug stoppte und die Luftunterstützung der afghanischen Truppen vereinfachte bzw. verstärkte. Somit hielt er seinem potentiellen Nachfolger alle Möglichkeiten für eine neue Afghanistan-Strategie offen.

Die damalige Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton stellte sich hinter die Truppenabzugspläne von Präsident Obama und erklärte, dass Afghanistan mehr Verantwortung für seine Sicherheit übernehmen sollte, auch im Hinblick auf die Präsenz des Islamischen Staates. Nähere Details bzw. konkrete Pläne in Bezug auf Afghanistan äußerte sie jedoch nicht.

Vom damaligen Kandidaten Trump gab es widersprüchliche Aussagen, nämlich erst in der Form, dass sowohl der Irak- als auch der Afghanistan-Krieg schreckliche Fehler gewesen seien, die Geld verschwendet und nur zu Chaos geführt hätten. Aus dem Jahr 2013 sind Äußerungen bekannt, dass er einen Abzug aus Afghanistan befürwortete , allerdings war er zu diesem Zeitpunkt noch nicht Präsidentschaftskandidat. Im Oktober 2015 äußerte er hingegen, dass die USA wahrscheinlich in Afghanistan bleiben müsse, „da sonst zwei Sekunden nach einem Abzug alles kollabieren würde“.

Seit der Inauguration des neuen US-Präsidenten Donald Trump ist mittlerweile mehr als ein halbes Jahr vergangen. Daher stellt sich jetzt die drängende Frage: Wann kommt eine neue US-Strategie für Afghanistan, und wie wird diese aussehen?

Diese Strategie wird für die Zukunft Afghanistans entscheidend sein. Aller Wahrscheinlichkeit nach, jedoch mindestens für die nächsten Jahre, vermutlich aber deutlich länger, wird Afghanistan hauptsächlich von internationalen Geldern und von amerikanischer Militärunterstützung abhängig sein.

Der Oberbefehlshaber der Mission Resolute Support, US-General John W. Nicholson Jr.

Wer ist der amerikanische General und Befehlshaber der Mission Resolute Support, den Präsident Trump angeblich seines Postens entheben wollte, weil „er den Krieg nicht gewinnt“?

Der amerikanische Vier-Sterne-General John W. „Mick“ Nicholson Jr. hat am 02. März 2016 das Kommando über die Mission Resolute Support von seinem Vorgänger, General John F. Campbell, übernommen. Letzterer hatte am 26. August 2014 noch das Kommando über die Kampf-Mission ISAF angetreten, auf die ab 01.01.2015 die Ausbildungs-, Beratungs- und Unterstützungsmission Resolute Support folgte. Als General Campbell die Mission Resolute Support übernahm, hatte ISAF noch eine Stärke von ca. 35.000 Soldaten, bei der Übernahme durch General Nicholson umfasste Resolute Support noch ca. 13.000 Soldaten. General Nicholson ist derjenige amerikanische General, der über die meiste Afghanistan-Erfahrung verfügt, Befehlshaber der Mission Resolute Support ist bereits seine vierte Verwendung in dem Land. Zuvor diente er bereits 2006 sechzehn Monate als Brigadekommandeur in RC East. Die von ihm geführte Task Force Spartan war die einzige amerikanische Einheit, die dort Counter-Insurgency-Operationen durchführte. Von 2008 bis 2009 diente er ein Jahr lang als Stellv. Befehlshaber des RC South, und später über ein Jahr lang bis Januar 2012 als DCOS OPS (Deputy Chief of Staff Operations) im HQ ISAF, eine der wichtigsten Positionen überhaupt. Außerdem war General Nicholson von 2009 bis 2010 Direktor der Pakistan Afghanistan Coordination Cell of the Joint Staff, was bedeutet, dass ihm auch die politischen Dimensionen der Region eng vertraut sind. Vor seiner Übernahme von Resolute Support war er Kommandierender General des NATO Allied Land Command in Izmir, er verfügt also auch über die entsprechende NATO-Erfahrung. Insgesamt hat General Nicholson vor Übernahme von Resolute Support bereits dreieinhalb Jahre in Afghanistan gedient, so viel wie kein anderer Kommandeur vor ihm.

General Nicholson gilt daher auch international unbestritten als ein überaus erfahrener und fähiger General und wird besonders von afghanischer Seite hoch geschätzt. Da im Moment kein ständiger US-Botschafter für Afghanistan ernannt ist, nimmt General Nicholson auch diplomatische Aufgaben mit wahr. Gemeinsam mit Präsident Ashraf Ghani hat er an einem Vier-Jahres-Plan zur Unterstützung der afghanischen Sicherheitskräfte gearbeitet. Entsprechend gut ist sein Verhältnis zum afghanischen Präsidenten. Daher soll das Pentagon bereits beschlossen haben, seine Einsatzzeit als Kommandeur von Resolute Support zu verlängern. Allerdings verfügt er aufgrund der Ausrichtung der Mission Resolute Support auf „Train, Advice and Assist“ und die damit einhergehende Truppenstärke von ca. 13.450 Soldaten schlichtweg nicht über die Mittel, um dem Krieg in Afghanistan die gewünschte Wende zu geben. Bei einer Anhörung vor dem Armed Service Committee des amerikanischen Senats am 09. Februar diesen Jahres beantragte General Nicholson eine Erhöhung der Truppenanzahl in Afghanistan um mehrere Tausend (es werden Zahlen von ca. 4.000 bis 5.000 Solda-ten genannt). Die Truppen könnten sowohl von den USA als auch von den Verbündeten gestellt werden. Die Erhöhung sei notwendig, um die Ausbildung der afghanischen Sicherheitskräfte zu verstärken. Auch in 2016 hätten die Taliban weitere Geländegewinne erzielen können, so dass momentan eine Patt-Situation herrsche. Dieser Forderung hat sich auch der Befehlshaber des für Afghanistan zuständigen CENTCOM (US Central Command in Tampa/ Florida, eines der sechs amerikanischen Regionalkommandos), General Joseph L. Votel, angeschlossen.

Sowohl der amerikanische Verteidigungsminister Mattis, als auch der Nationale Sicherheitsberater McMasters und der republikanische Senator Lindsey Graham haben sich gegen eventuelle Ablösungsforderungen von General Nicholson ausgesprochen. Dennoch dürfte seine Zukunft als Kommandeur der Mission Resolute Support vorerst ungewiss bleiben. Hinzu kommt die Frage, welches Vertrauen die afghanische Seite noch in Verhandlungen mit General Nicholson haben kann, wenn nicht klar ist, ob er überhaupt noch das Vertrauen seines eigenen Präsidenten genießt, und wie lange er noch Befehlshaber sein wird.

Auf einer Veranstaltung zu Ehren der toten und verwundeten afghanischen und internationalen Soldaten in Kabul am 12. August bekräftigte General Nicholson seine Einschätzung, dass die NATO den Krieg in Afghanistan gegen die Aufständischen gewinnen müsse, da sonst islamistische Gruppen in den westlichen Ländern weiteren Auftrieb bekämen.

Die Suche nach einer neuen Strategie: Truppenerhöhung oder Truppenabzug?

Die große Dringlichkeit einer neuen Strategie für Afghanistan - gerade vor dem Hintergrund der sich seit Ende 2014 stetig verschlechternden Sicherheitslage - dürfte im Weißen Haus bekannt sein. Dass es eine solche - sieben Monate nach dem Amtsantritt von Präsident Trump - immer noch nicht gibt, kann als Zeichen für die Uneinigkeit über eine Strategie gewertet werden. Es hat den Anschein, dass sich hier zwei Lager innerhalb der Regierung gegenüberstehen, die sehr unterschiedliche, unter Umständen sogar gegensätzliche Ansätze verfolgen und bisher keinen gemeinsamen Nenner gefunden haben.

Auf der einen Seite stehen der Verteidigungsminister Mattis, ein ehemaliger Vier-Sterne-General, und der Nationale Sicherheitsberater McMaster, ein Drei-Sterne-General, beide mit Afghanistan-Erfahrung. Sie unterstützen die Forderung von General Nicholson für eine Truppenerhöhung um ca. 4.000 bis 5.000 Soldaten. Diese Lösung wurde von einer Gruppe um den bisherigen Chefstrategen des Präsidenten, Mr. Steve Bannon, vehement abgelehnt. Nach 16 Jahren amerikanischen Engagements in Afghanistan mit einem gewaltigen finanziellen und militärischen Aufwand und trotz vieler Fortschritte ist das Ergebnis deutlich hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Daher hat diese Gruppierung die Befürchtung, in einen teuren Krieg ohne absehbares Ende verwickelt zu sein. Tatsächlich stellen sich jetzt Präsident Trump die gleichen Fragen in Bezug auf Afghanistan, mit denen schon sein Vorgänger Barack Obama konfrontiert war. Wann und vor allem wie wird das amerikanische Engagement dort enden? Welches sind die Perspektiven? Wird eine Truppenerhöhung den gewünschten Erfolg bringen, oder wird es das sprichwörtliche Fass ohne Boden sein? Daher erwägt diese Gruppe auch Alternativlösungen wie zum Beispiel einen Truppenabzug oder eine sogenannte „Privatisierung“ des Krieges durch amerikanische Sicherheits- und Militär-unternehmen.

Die sogenannte Blackwater-Option: „Private Contractors“ statt US-Soldaten und eine „Privatisierung“ des Krieges?

Presseberichten zufolge wird auch eine weitere Option geprüft, die als „Privatisierung des Afghanistan-Konflikts“ bezeichnet wurde. Anfang Juli sollen sich auf Vermittlung des bisherigen Chefstrategen Steve Bannon und des Chefberaters des Präsidenten, Jared Kushner die beiden Geschäftsleute Erik D. Prince und Stephen A. Feinberg mit Verteidigungsminister Jim Mattis getroffen haben. Mr. Prince ist bekannt als Gründer des privaten Sicherheits- und Militärunternehmens Blackwater (heute Academi), und Mr. Feinberg ist der Besitzer von DynCorp, einem Unternehmen der gleichen Branche und größter amerikanischer „Contractor“ in Afghanistan. Gemeinsam sollen beide dem Verteidigungsminister ihren Vorschlag unterbreitet haben, den Krieg in Afghanistan mit sogenannten „Private Contractors“ anstatt mit US-Truppen fortzuführen. Der Vorschlag basiert auf dem sogenannten „MacArthur Model“ , das Mr. Prince bereits am 31. Mai in einem Artikel im renommierten Wall Street Journal vorgestellt hat. In einem Interview mit der Financial Times erklärte Prince, dass er nicht Soldaten durch „Contractors“ ersetzen wolle, sondern letztere dazu dienen sollten, die Ausbildungsmission für die afghanischen Sicherheitskräfte personell zu verstärken. Sein Zwei-Jahres-Plan sieht vor, ca. 5.000 „Private Contractors“ und 100 Luftfahrzeuge für 10 Milliarden US-Dollar einzusetzen. Dies sei kostengünstiger und militärisch effektiver als der bisherige reguläre Einsatz.

Verteidigungsminister Mattis soll den Vorschlag abgelehnt haben. General Nicholson soll sich einem Treffen mit Mr. Prince verweigert haben, in dem es um die Unterstützung der afghanischen Luftwaffe durch eine Flotte privater Kampfflugzeuge, Helikopter und sogar Drohnen ging. Somit könnten die bestehenden, erheblichen Fähigkeitslücken in Bezug auf Luftnahunterstützung, Truppen- und Verwundetentransport sowie Aufklärung bei der Afghanischen Luftwaffe schnell überbrückt werden. Die Besatzungen wären US-Contractors, aber die Befehlsgewalt, zum Beispiel bei einem Waffeneinsatz, würde den Afghanen obliegen. Der ehemalige US-Botschafter in Afghanistan, Mr. Ronald E. Neumann, hat bereits erklärt, dass Präsident Ashraf Ghani eine derartige Lösung ablehnt, und diese für Afghanen generell unakzeptabel sei. Dieser Vorgang zeigt, dass die Trump-Administration verschiedene und vor allem auch neue Optionen prüft. „Private Contractors“ sind von amerikanischer Seite in großem Ausmaß sowohl im Irak als auch in Afghanistan eingesetzt worden, allerdings bisher nicht in offizieller Kampfmission, sondern hauptsächlich in den Bereichen Logistik und Intelligence.

Fazit

Die anscheinend sogar bis in Richtungskämpfe gehende Uneinigkeit innerhalb der Trump-Administration über eine neue amerikanische Strategie für Afghanistan, kommt zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Die Lage innerhalb Afghanistans hat sich seit dem Ende der ISAF-Mission und dem damit verbundenen Abzug des Großteils der internationalen Truppen erheblich verschlechtert. Sowohl in 2015 als auch in 2016 haben die Taliban Geländegewinne erzielen können. Gleichzeitig erleiden die afghanischen Sicherheitskräfte Verluste in einer Höhe, die sie auf Dauer nicht tragen können, und die im s chlimmsten Fall zu einem Kollaps der Kräfte führen würden. Welche Meinung sich über die zukünftige Afghanistan-Strategie innerhalb der Trump-Administration durchsetzen wird, und hier scheinen von einer Truppenverstärkung bis hin zu einem Komplettabzug alle Möglichkeiten offen zu sein , ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar. Von afghanischer Seite wird befürchtet, dass die Taliban diese Situation zu ihren Gunsten nutzen, indem sie die Diskussion über einen möglichen Truppenabzug durch weitere spektakuläre Großanschläge, wie dem Anschlag direkt vor der Deutschen Botschaft am 31. Mai, anheizen könnten. Am afghanischen Unabhängigkeitstag, dem 19. August, haben die Taliban in einem offiziellen Statement – wenig erstaunlich – vor einer Erhöhung der Truppenstärke gewarnt. Sie warnten, dass eine Erhöhung nur zu einer weiteren Gewaltspirale führen würde und wiesen darauf hin, dass die Koalition selbst mit 150.000 Soldaten nicht in der Lage war, das Land zu befrieden und die Taliban zu besiegen. Des Weiteren verlangten sie einen Komplettabzug der ausländischen Truppen und erklärten, der Machtübernahme im Land näher zu sein als je zuvor. Der afghanische Außenminister Salahuddin Rabbani hatte hingegen bereits im März erklärt, dass eine Erhöhung der westlichen Truppenpräsenz die Sicherheitslage deutlich verbessern würde. Die afghanische Regierung würde eine Erhöhung begrüßen, während der ehemalige Warlord Gulbuddin Hekmatyar als Führer von Hizb-e-Islami eine solche kategorisch ablehnt.

Die Berichte über eine mögliche Ablösung von General Nicholson als Kommandeur Resolute Support und die Diskussion eines amerikanischen Truppenabzuges haben auf afghanischer Seite entsprechende Befürchtungen und Ängste ausgelöst. Diese Angst ist auch historisch bedingt. Im Jahr 1992 geschehen fühlten sie sich von den Großmächten allein bzw. sich selbst überlassen, was heute wie damals entweder zu einem erneuten Bürgerkrieg im Land oder einer Machtübernahme durch die Taliban führen könnte. Bei einem amerikanischen Abzug ist die Annahme nicht unbegründet, dass es dann eine neue, große Welle afghanischer Flüchtlinge auch in Richtung Europa geben wird, die beidem entkommen wollen. Die Ängste auf afghanischer Seite über einen eventuellen amerikanischen Abzug sind jedenfalls groß, und durch die bekanntgewordenen Diskussionen über die Strategie anscheinend auch substanziell. Die sich wiederholenden Aufschiebungen beim Vorstellen einer neuen Strategie und die unklare Zukunft von General Nicholson haben schon jetzt zu einem Vertrauensverlust auf afghanischer Seite geführt. Selbst der ehemalige NATO-Oberbefehlshaber, der amerikanische Admiral James Stavridis, äußerte die Ansicht, dass das permanente Aufschieben der Entscheidung über eine neue Strategie dem amerikanischen Militärengagement in Afghanistan geschadet hat, und dass diese nun dringend getroffen werden müsse. Auch der republikanische Senator von Arizona, John McCain, der seit Beginn des Einsatzes regelmäßig die US-Truppen in Afghanistan besucht und als ausgesuchter Kenner der Mission gilt, äußerte bereits im Juni harsche Kritik. „Wir haben bereits seit sechs Monaten eine neue Regierung. Aber wir haben immer noch keine Strategie für Afghanistan. Es ist hart für uns, Sie zu unterstützen, wenn wir keine Strategie haben.“ Mittlerweile sind zwei weitere Monate vergangen.

Sicher hingegen ist nur eines: Die Entscheidung, welche amerikanische Strategie gewählt wird, ist für Afghanistan von essentieller Bedeutung und wird weitreichende Bedeutung nicht nur für das Land, sondern zumindest auch für die gesamte Region, eventuell sogar auch für Europa haben. Der amerikanische Direktor der nationalen Nachrichtendienste, Mr. Dan Coats, teilte dem Geheimdienstausschuss des US-Senats im Mai seine Einschätzung mit, „dass sich die Lage in Afghanistan mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit im Jahr 2018 selbst bei einer bescheidenen Truppenerhöhung weiterhin verschlechtern wird.“

Ob der Rücktritt des Chefstrategen Steve Bannon am 18. August nun den Weg für die Befürworter einer Truppenerhöhung frei macht, ist zum jetzigen Zeitpunkt nicht absehbar, aber durchaus im Bereich des Möglichen. Am 19. August fand in Camp David ein Treffen des US-Präsidenten mit seinen Beratern statt, von dem sich ein Durchbruch erhofft wird. In der Folge könnte dann auch die Forderung der Amerikaner nach mehr Soldaten für Afghanistan an die Verbündeten, also auch Deutschland, gestellt werden. Sicher ist aber, dass die Entscheidung über die Strategie sehr schnell getroffen werden müsste. Jeder weitere Zeitverlust schwächt die internationale Koalition sowie die afghanische Regierung und stärkt die Position der Taliban! Denn die Gefahr, dass alle von 2001 bis 2014 mit ungeheurem Einsatz erreichten Fortschritte in Afghanistan wieder auf dem Spiel stehen, ist reeller denn je! Und ein Kollabieren des afghanischen Staates mit allen absehbaren und auch nicht absehbaren Folgen können sich weder die USA noch die verbündeten Länder der Allianz leisten.

Den Länderbericht inklusive Fußnoten lesen Sie im pdf.

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Afghanistan Afghanistan