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Ein Mann des Ausgleichs - Wilfried Martens (1936-2013)

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Der Belgier Wilfried Martens war einer der bedeutendsten Politiker seines Landes und ein herausragender Europapolitiker. In seinen langen Amtszeiten als Premierminister Belgiens (1979-1992) und als Vorsitzender der Europäischen Volkspartei (1990-2013) gelang es Martens, unterschiedliche Vorstellungen zu integrieren und Spannungen zu lösen.

Herkunft und Ausbildung

Geboren wurde Martens am 19. April 1936 als Sohn eines Kleinbauern im flämischen Sleidinge, einem Dorf in der Nähe von Gent. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Eeklo (1949-1955) und dem Studium der Rechte an der Universität Löwen (1955-1959) promovierte er 1968, erwarb im gleichen Jahr die Notariatslizenz und das Baccalaureat der thomistischen Philosophie.

Ab 1960 war Martens als Rechtsanwalt am Berufungsgericht von Gent tätig. 1965 wurde er zum Berater im Kabinett des Premierministers Pierre Harmel und 1966 als Berater ins Kabinett von Premierminister Paul Vanden Boeynants berufen. 1968 wurde er Sonderbeauftragter im Kabinett von Minister Leo Tindemans, der für Gemeinschaftsangelegenheiten zuständig war.

Politische Tätigkeit

Der Christlichen Volkspartei (CVP) Belgiens trat Martens 1962 bei, von 1967 bis 1971 war er Vorsitzender der Jugendorganisation (Junge CVP) und von 1972 bis 1979 Vorsitzender der Partei. Er war von 1974 bis 1991 Abgeordneter im belgischen Parlament und von 1991 bis 1994 Senator. Als Premierminister von 1979 bis März 1992, mit einer achtmonatigen Unterbrechung im Jahr 1981, stand Martens insgesamt zehn Regierungen vor, eine große Leistung, wenn man bedenkt, dass Belgien immer als schwer regierbar galt. Das lag nicht nur an der prekären Wirtschaftslage des Landes, sondern insbesondere daran, dass bei den ausschließlich Mehrparteienkoalitionen die Konsensbildung besonders zwischen Sozialisten und Konservativen schwierig war und wegen der latenten Spannungen zwischen der flämischen Mehrheit und der französischsprachigen Minderheit.

Als geschickter Diplomat erwies sich Martens im Sprachenstreit zwischen den Flamen und den Wallonen, der immer wieder die belgische Innenpolitik überschattete, und wuchs in die Rolle einer Integrationsfigur. Noch als Student hatte er sich in der Flämischen Studentenbewegung engagiert. Der Wandel zum Gemäßigten vollzog sich mit der wachsenden politischen Verantwortung. Martens bewies starken Willen und Geduld, in den zentralen innenpolitischen und wirtschaftspolitischen Aufgaben einen nationalen Konsens zu finden.

Im Kampf gegen die Spannungen zwischen Flamen und Wallonen und in der Überzeugung, dass Belgien in Europa nur als föderaler Staat existieren könne, trieb Martens die Dezentralisierung seines Landes hin zum Bundesstaat voran. 1978 war er Vorsitzender der belgischen Parlamentskommission für die föderalistische Reform des Staates. Die Regionen Flandern, Wallonien und die Hauptstadt Brüssel erhielten mehr Selbständigkeit.

Martens schaffte es, im ganzen Land Vertrauen zu gewinnen. Selbst bei den Wallonen stieg er zu einem der beliebtesten Politiker auf. Selbst seine rigorose Sparpolitik zum Abbau der Milliardenschulden tat seiner Popularität keinen Abbruch. Er gewann Wahlen nicht mit Versprechungen, sondern sagte den Belgiern offen, dass sie den Gürtel enger schnallen müssten, wenn das Land aus seinen wirtschaftlichen und finanziellen Schwierigkeiten herauskommen wollte. Auch die „einfachen“ Leute konnten sich mit ihm, der aus ärmlichen Verhältnissen stammte und wie viele seiner Landsleute ein begeisterter Radsportler war, identifizieren.

Der Europäer

Funktionen

Seit 1974 arbeitete Martens eng mit Leo Tindemans an der Vorbereitung zum Aufbau der „Europäischen Volkspartei“ (EVP). Er war 1976 Mitgründer der EVP, von 1976 bis 1977 Vorsitzender der "Programm-Kommission" und ab 1990 Präsident der Partei. Den Vorsitz übertrug er fünf Tage vor seinem Tod am 9. Oktober 2013 an Joseph Daul, den Vorsitzenden der EVP-Fraktion im Europäischen Parlament.

Martens war außerdem von 1993 bis 1996 Präsident der Europäischen Union Christlicher Demokraten (EUCD), von 1994 bis 1999 Mitglied des Europäischen Parlaments und Vorsitzender der EVP-Fraktion sowie von 2000 bis 2001 Präsident der Internationalen der Christdemokraten und Volksparteien (CDI).

Politik

Sein politisches Programm hinsichtlich Europa fasste Martens in seiner Antrittsrede als neuer Präsident der EVP am 10. Mai 1990 zusammen: die Fortentwicklung der Europäischen Gemeinschaft zur Politischen Union, die Stärkung der Gemeinschaft angesichts der Veränderungen in Mittel- und Osteuropa, die Wirtschafts- und Währungsunion der Gemeinschaft sowie einen stärkeren Zusammenschluss in der Außenpolitik.

Die ersten Jahre der EVP-Präsidentschaft waren gekennzeichnet von bedeutenden Veränderungen in Mittel- und Osteuropa, die neue Gestaltungsmöglichkeiten für die europäische Einigung eröffneten. Martens war mit Bundeskanzler Helmut Kohl und dem französischen Staatspräsidenten François Mitterrand einer der Architekten des Maastrichter Vertrages. Seit 1990 setzte er sich für die Osterweiterung der EU ein.

Seit 1992 und nach seinem Wirken als belgischer Premierminister konnte sich Martens voll auf die Tätigkeit als EVP-Präsident konzentrieren. Die lange Amtszeit von mehr als 23 Jahren an der Spitze der EVP mit den Wiederwahlen im Abstand von drei Jahren kann als ein großer Vertrauensbeweis gelten und ist sicher auch damit begründet, dass sich Martens, wie in seinem Heimatland, um den Ausgleich der Interessen verdient machte. Die wahrscheinlich größte Integrationsleistung, die Martens innerhalb der EVP-Familie vollbrachte, war im Zusammenhang der Aufnahme der EUCD und EDU die Durchsetzung der umstrittenen „Strategie der Öffnung“ der EVP gegenüber konservativen Parteien ohne christlich-demokratische Tradition.

Der Mensch und Politiker Wilfried Martens

Nach außen hin wirkte Martens bescheiden, unauffällig, ruhig, zuweilen etwas verschlossen. Er war kein reiner Machtpolitiker, trotz seines Ehrgeizes und trotz seiner Fähigkeit, mit konträren Partei- und Machtinteressen zu jonglieren. Martens war ein Meister des Kompromisses und beharrlich in politischen Verhandlungen.

Reinhard Schreiner

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