„Kognitive Kriegsführung zielt darauf ab, Wahrnehmungen zu beeinflussen, Vertrauen zu erschüttern und Gesellschaften von innen heraus zu destabilisieren. Das geschieht nicht nur in Regionen, die bereits von langanhaltenden Krisen geprägt sind, sondern (be)trifft auch uns – und jeden einzelnen.“ Unter dieser Prämisse eröffnete Felix Kraft die Veranstaltung, bevor Oberst i.G. Dr. Johann Schmid, Staatswissenschaftler und Offizier der Bundeswehr und zurzeit Projektbeauftragter für den Themenkomplex Hybride Kriegführung am Zentrum für Militärgeschichte und Sozial-wissenschaften der Bundeswehr (ZMSBw) sowie Lehrbeauftragter an der Professur Militärgeschichte/Kulturgeschichte der Gewalt an der Universität Potsdam, Geschichte und Ausmaß hybrider Kriegsführung erklärte.
Russland sei nicht der einzige Akteur, auch nichtstaatliche Organisationen (Islamismus) bedienten sich hybrider Kriegsmethoden und -mittel. Ein Beispiel seien die Auswirkungen des 7. Oktobers auf deutschen Straßen. Was Russland angehe, so führe es in der Ukraine seit 2014 einen hybriden Krieg. Ein Jahr zuvor habe der oberste russische Militär Gerassimov die Bedeutung nicht-militärischer Aktionen betont und damit den Beginn hybriden Denkens dort markiert. Aber schon bei Clausewitz fänden sich dahingehend Überlegungen: „Viele Nachrichten im Krieg sind widersprechend, ein noch größerer Teil ist falsch, und bei weitem der größte Teil einer ziemlichen Ungewissheit unterworfen.“ Genau diese Ungewissheit biete den Raum für kognitive Kriegsführung. Schlussendlich werde ein altes Phänomen (Trojanisches Pferd!) durch drei Katalysatoren im 21. Jahrhundert neu und wirkmächtig ertüchtigt: Globalisierung, neue Technologien, geostrategische und innergesellschaftliche Fragmentierungen. Ziele hybrider Kriegsführung seien Attacken auf Schwachpunkte kritischer Infrastruktur, Generierung von Überraschung und Geschwindigkeit (s. Krim 2014) oder eine Schattenkriegsführung mit „Salamitaktik“ (IS).
Hierbei seien drei Charaktermerkmale auszumachen: 1. Die horizontale Entgrenzung des Gefechtsfeldes mit unterschiedlichen Teilgefechtsführungen anstatt einer militärisch zentrierten Kriegsführung (Beispiel Vietnamkrieg mit plötzlicher „Heimatfront“ in der US-Gesellschaft). 2. Operationen in den Grauzonen der Schnittstellen (vertikal): Infiltration, Subversion, Destabilisierung (Schattenkrieg). 3. Unorthodoxe Kombination von Mitteln, Methoden, Taktiken, Strategien. Wie müssten entsprechende Reaktionen aussehen? Es müsse ein ganzheitliches, multidimensionales Lagebild geschaffen werden, z.B. von einem Nationalen Sicherheitsrat, für kritische Infrastruktur müssten Schnittstellenszenarien erarbeitet werden, um Grauzonen zu schließen und durch Modellbildungen/Simulationen müsse die eigene Antizipationsfähigkeit verbessert werden.
Im zweiten Teil der Veranstaltung legte Ferdinand Gehringer, Referent für Cybersicherheit bei der Adenauer-Stiftung, noch einmal den Schwerpunkt auf kognitive Kriegsführung: während Desinformation ein „kleines Gift“ sei, sei jene ein Virus, das auf Systemzerstörung aus sei. Es gehe dabei um Beeinflussung, um die Veränderung der Wahrnehmung der Realität – und: Jeder einzelne, eine ganze Gesellschaft oder Teile von ihr könnten Ziel sein. Damit sei sie die umfassendste Form der Manipulation. Entscheidend seien die psychologische Komponente einerseits, andererseits die Beherrschung des Informationsraums (Presse, Soziale Medien, Stammtisch): Was sehen, hören, denken wir und geben weiter? Narrative, Framing, Nudging sollen individuelle oder kollektive Entscheidungen beeinflussen/manipulieren.
Den dritten Teil moderierte die Journalistin Lisa-Martina Klein, bei Table.Media als Redakteurin für den Security.Table tätig, in einer Mischung aus Podiumsdiskussion und Publikumsbeteiligung, bei der die Themen vertieft wurden insbesondere mit Blick auf Deutschland: über die zunehmenden Drohnenattacken, weaponized migration, Betroffenheit und Resilienz der Bevölkerung, notwendige politische Kommunikation nach Innen und Außen, eigene Kriegstüchtigkeit.
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