Es war ein Abend der leisen Töne und zugleich ein Abend voller Unruhe, jener produktiven, erinnernden Unruhe, die Jürgen Fuchs selbst in seinen Texten stets ausgelöst hat. Es war ein Abend, der in seiner Stimmung zwischen Dankbarkeit und tiefer Melancholie schwebte. Ein Abend, der Jürgen Fuchs nicht nur erinnerte, sondern ihn noch einmal spürbar machte – als Stimme, als Gewissen, als einer, der „sagte, was ist“. Am 3. Dezember 2025 versammelten sich Weggefährten, Freunde, Leserinnen und Leser sowie politisch Interessierte in der Akademie der Konrad-Adenauer-Stiftung, um an den Schriftsteller zu erinnern, der wie kaum ein anderer dem Unrecht der SED-Diktatur seine unbestechliche Sprache entgegengesetzt hat, der der SED-Diktatur den Spiegel vorhielt und dafür mit Repression, Haft und schließlich Ausweisung bezahlt hat. Er starb viel zu jung. Und doch wirkt er weiter.
Dr. Joachim Klose, Landesbeauftragter der Konrad-Adenauer-Stiftung für Berlin, eröffnete die Veranstaltung mit einer Einführung, die den Grundton des Abends setzte. Er erinnerte daran, dass Fuchs’ literarische und politische Arbeit auch heute dringlich bleibt: ein Aufruf, sich der Wirklichkeit zu stellen, selbst dann, wenn sie unbequem ist. „Sagen, was ist“: In dieser Haltung habe Fuchs Maßstäbe gesetzt, deren Gültigkeit weit über sein viel zu kurzes Leben hinausreichen.
Herta Müller, Nobelpreisträgerin für Literatur, würdigte mit ihrer unverwechselbaren Sprachschärfe den „aufrechten Gang“, den Fuchs in einer Umgebung bewahrte, die alles tat, um ihn zu brechen. Seine Literatur, sagte Müller, sei Sprachkunst mit dem „Blick der kleinen Bahnstationen“: eine emotionale Nahaufnahme des einzelnen Lebens im Sozialismus, dokumentarische Poesie, die nicht belehrt, sondern die Augen vergrößert. Ihre Worte legten eine stille, klare Spur der Erinnerung an den jungen Mann, der genau hinsah, präzise benannte, was er sah, und gerade darin zur Gefahr wurde. Seine Erfahrungen haben sich ihn zum Autor genommen. Das Thema hat ihn gewählt, nicht umgekehrt.
Wolf Biermann, Weggefährte und Freund, ließ den Saal noch einmal jenen Atem von Lied und Widerstand spüren, der die 1970er-Jahre prägte. In seinen Erinnerungen an Fuchs lagen Wehmut und Dank zugleich. Die Wehmut darüber, wie früh Fuchs’ Lebensweg endete, und der Dank für die Unerschrockenheit, mit der er an der Seite derer stand, die für Freiheit und Wahrheit eintraten. „Ich möchte, wenn’s mich müdet, einen Wein“ – dieser Satz klang wie ein Rest innerer Wärme aus einer Zeit, die oft kalt war. Biermann gab ihm Stimme.
Der Schriftsteller Marko Martin sprach über das, was er Jürgen Fuchs verdankt: Orientierung, Maßstäbe, einen moralischen Kompass in unübersichtlichen Zeiten. Seine Worte machten deutlich, dass Fuchs nicht nur ein Chronist, sondern auch ein Lehrer im besten Sinne war, jemand, der an Freiheit glaubte, ohne sie je zu romantisieren.
Im abschließenden Gespräch wurde das Erbe von Jürgen Fuchs in den Blick genommen: seine Texte, seine Haltung, seine kompromisslose Wahrhaftigkeit. Sie bilden einen Maßstab für unsere Gegenwart, in der Wahrheit erneut umkämpft ist und mutige Stimmen gebraucht werden. Die Beiträge des Abends erinnerten daran, dass Unrecht nicht vergeht, indem man es verschweigt und dass Erinnerung nur dann lebendig bleibt, wenn sie ausgesprochen wird.
So war dieser Abend mehr als ein Rückblick. Er war ein stilles Gelöbnis: die Stimme von Jürgen Fuchs weiterklingen zu lassen, als Mahnung für Gegenwart und Zukunft und in dem Bewusstsein, dass die Pflicht, „zu sagen, was ist“, niemals endet. Ein Gedenken voller Melancholie, aber ebenso voller Dankbarkeit für ein Leben, das trotz aller Widrigkeiten hell geleuchtet hat. Jürgen Fuchs wäre am 19. Dezember 75 Jahre alt geworden. An diesem Abend war er, waren seine Worte spürbar.
Fotos: Anika Nowak
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