Die Hauptbotschaft auf der Kieler Sicherheitskonferenz 2025 war: Europa muss geeint, widerstandsfähig und proaktiv bleiben. „Die Gnade der Vereinigten Staaten wird nicht immer bestehen bleiben. Europa muss auf eigenen Füßen stehen“, zitierte Professor Norbert Lammert (KAS) in seiner Eröffnungsrede den Altkanzler. Und wie es der deutsche Außenminister Dr. Johann Wadephul formulierte: „Wir müssen stark bleiben, wenn wir herausgefordert werden. Auf absehbare Zeit müssen wir unsere Sicherheit gegen Russland organisieren, nicht mit Russland.“
Vor dem Hintergrund des andauernden russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine und der zunehmenden strategischen Zusammenarbeit autoritärer Mächte versammelten sich auf der Konferenz hochrangige politische und militärische Entscheidungsträger sowie Sicherheitsexperten, um das sich entwickelnde Sicherheitsumfeld im Ostseeraum und seine globalen Auswirkungen zu untersuchen. Im Mittelpunkt der Diskussionen stand die Frage, wie die regionale Sicherheit angesichts dieser Herausforderungen gestärkt werden kann.
Strategische Bedeutung der Ostsee-Region
Wadephul hob die strategische Bedeutung der Region hervor: „Die Ostsee steht für Weite, Freiheit und Verbundenheit – Heute ist sie ein gefährlicher geopolitischer Hotspot“. Er bekräftigte die Verpflichtung Deutschlands, jeden Quadratzentimeter des NATO-Gebiets zu verteidigen, und forderte eine einheitliche Strategie zur Bekämpfung hybrider Bedrohungen: zur Stärkung der gesellschaftlichen Widerstandsfähigkeit und zur Aufrechterhaltung einer starken und beweglichen militärischen Präsenz in der Region.
Aufbau der Energieunabhängigkeit
„Es gibt keinen Wohlstand ohne Sicherheit“, betonte die lettische Außenministerin Baiba Braze. Sie wies auf die beträchtlichen Verteidigungsausgaben Lettlands hin, die fast 5 % des BIP ausmachen, und nannte als wichtigste Prioritäten den Aufbau der Energieunabhängigkeit, die Stärkung internationaler Partnerschaften und die Aufrechterhaltung der unerschütterlichen Unterstützung für die Ukraine. „Russland ist nicht nur ein Problem“, warnte sie: „Russland ist eine systemische Bedrohung für die internationale Ordnung.“
Die Expertinnen und Experten befassten sich mit den europäischen Verteidigungskapazitäten, den Strategien gegen die russische Aggression und den weiteren Auswirkungen der sich abzeichnenden „Achse des Umbruchs“ – woran Russland, China, Iran und Nordkorea beteiligt sind. General Carsten Breuer, der deutsche Generalstabschef, bot ein überzeugendes Bild: „Die Ostsee ist geografisch begrenzt, aber in ihrer Bedeutung grenzenlos – Sie ist in ihrer Dimension unendlich“. Er forderte ein verbessertes Situationsbewusstsein und eine nahtlose Integration nachrichtendienstlicher und operativer Daten: „Wir müssen in der Lage sein, die Punkte miteinander zu verbinden.“
Angesichts des NATO-Gipfels 2025 in Den Haag, der als „einer der folgenreichsten Gipfel in der Geschichte des Bündnisses“ bezeichnet wurde, bot das KSC ein rechtzeitiges und strategisches Forum, um die Agenda und die Richtung der euro-atlantischen Sicherheitszusammenarbeit mitzugestalten.
Die Europäische Zeitenwende vollziehen
Im ersten Panel, moderiert von Dr. Christina Krause, Leiterin der Abteilung Internationale und Sicherheitsfragen der Konrad-Adenauer-Stiftung, bewerteten der finnische Botschafter Kai Sauer, Maciej Bukowski, Leiter des Energie- und Resilienzprogramms der polnischen Casimir-Pulaski-Stiftung, und Brigadier Jonathan Sear, Verteidigungsattaché an der Botschaft des Vereinigten Königreichs in Deutschland, den Stand der europäischen Verteidigungsfähigkeiten.
Botschafter Sauer stellte fest, dass sich die militärische Haltung Finnlands seit dem NATO-Beitritt nicht wesentlich verändert habe. Als direkter Nachbar Russlands habe Finnland immer Wert auf Wehrfähigkeit gelegt. Die NATO-Mitgliedschaft habe jedoch zu einer intensiveren regionalen Zusammenarbeit geführt. Laut Sauer liege die wesentlichere Veränderung für Finnland seit dem 24. Februar 2022 – neben dem NATO-Beitritt – im normativen Bereich: Nach dem Einmarsch Russlands in der Ukraine sehe sich Finnland gezwungen, gesetzgeberische Maßnahmen zu ergreifen wie den Austritt aus dem Ottawa-Übereinkommen über Antipersonenminen. Als Reaktion auf die Instrumentalisierung irregulärer Migration durch Russland habe das Land außerdem strengere Grenzkontrollen eingeführt. Zudem führte Finnland eine Genehmigungspflicht für Immobilienkäufe durch Nicht-EU-Bürger ein. Sauer betonte, dass Finnland zwar weiterhin der regelbasierten internationalen Ordnung verpflichtet ist, dass aber Pragmatismus im heutigen strategischen Umfeld unerlässlich sei.
Maciej Bukowsky betonte, dass Polen seit dem russischen Einmarsch in der Ukraine seine Verteidigungsausgaben von zwei auf vier Prozent des BIP verdoppelt habe. Ein Großteil der polnischen Militärausrüstung wurde der Ukraine übergeben und seitdem durch Neuanschaffungen, vor allem aus den Vereinigten Staaten und Südkorea, ersetzt. Bukowsky räumte jedoch ein, dass noch große Herausforderungen bestünden, insbesondere bei der Stärkung der polnischen Verteidigungsindustrie. Ein weiterer wichtiger Bereich, der der Aufmerksamkeit bedürfe, sei die Rekrutierung und Bindung von militärischem Personal. Bukowsky wies auf anhaltende Lücken im Personalbestand hin, die behoben werden müssen, um Polens Verteidigungsambitionen zu erreichen.
Brigadegeneral Jonathan Sear verwies auf die Anfang Juni veröffentlichte „Strategic Review“ des Vereinigten Königreichs, in dem Russland als unmittelbare Bedrohung eingestuft werde. Er stellte fest, dass diese Klarheit in Bezug auf Russland konstant sei. Das Vereinigte Königreich habe jedoch einen bedeutenden Wandel in der Verteidigungspolitik vollzogen – vor allem unter der derzeitigen Regierung. Unter der Überschrift „Making Britain Safer: Sicher im eigenen Land, stark im Ausland“ liege der Schwerpunkt der neuen Strategie auf der Bereitschaft zur Kriegsführung und dem Aufbau einer schlagkräftigen, integrierten Streitkraft. Im Jahr 2025 werde das Vereinigte Königreich voraussichtlich 2,6 % seines BIP für die Verteidigung ausgeben. Sear betonte jedoch, dass die Mittel besser eingesetzt werden müssten. Der Schwerpunkt solle auf Effizienz und Effektivität liegen. Die Verteidigungsinvestitionen könnten darüber hinaus Arbeitsplätze und Wohlstand fördern. Er betonte auch die Notwendigkeit eines neuen Beschaffungsmodells und argumentierte, dass eine einfache Reform des bestehenden Systems nicht ausreichen würde.
Kriegsbereitschaft erreichen
In der anschließenden Diskussion waren sich die Teilnehmer einig, dass die gesellschaftliche Resilienz in ganz Europa dringend verbessert werden müsse. Finnland wurde als Best-Practice-Beispiel hervorgehoben. Es habe den Wehrdienst nie pausiert, was ein wichtiger Faktor für die Förderung von Bereitschaft und Widerstandsfähigkeit sei.
Im Hinblick auf die europäische Verteidigungszusammenarbeit unterstrich die Diskussion die dringende Notwendigkeit von Standardisierung, Geschwindigkeit und Größenordnung, um eine echte Kriegsbereitschaft zu erreichen.
Der Bedrohung durch Russland entgegentreten
Die Ostsee ist ein lebenswichtiges Gebiet. Russland stockt seine Kapazitäten und sein Personal auf. Es bedroht die NATO- und EU-Länder. Um dieser Bedrohung zu begegnen, müssen Strategie, Sprache und Handeln klar sein. Der NATO-Gipfel in Den Haag ist von historischer Bedeutung: das 5-Prozent-Ziel wird beschlossen, die Fähigkeiten werden priorisiert. General Ingo Gerhartz, Befehlshaber des NATO Allied Joint Force Command Brunssum, erklärte: „Der Plan zur Verteidigung Europas muss durchführbar sein!“
Ivana Klympush-Tsintsadze, Mitglied der Werchowna Rada der Ukraine (ukrainisches Parlament), erklärte: "Die Ukraine hält die europäische Front. Sie wird nicht kapitulieren, aber sie könnte fallen." Sie rechnet mit einem Völkermord, falls die Ukraine verlieren sollte. Die einzige Option sei es, mit der Ukraine stark zu sein und auf eine strategische Niederlage Russlands hinzuarbeiten: „Entweder wir gewinnen gemeinsam oder wir fallen gemeinsam!“ Die Unterstützung durch die USA habedeutlich abgenommen. Europa sollte der Lieferung von Waffen zum Schutz der Ukrainer Vorrang einräumen.
Konteradmiral Johan Norlén, Chef der schwedischen Marine, erklärte, Schweden habe wegen der Bedrohung durch Russland seine 200-jährige Neutralität aufgegeben. Seit der groß angelegten Invasion der Ukraine werde Schweden auf die Probe gestellt – im Cyberspace, zu Lande, in der Luft und auf See: „Russlands Schattenflotte ist militarisiert worden. Sie stellt ein mehrfaches Risiko dar. Sie muss gestoppt und die Sanktionen müssen durchgesetzt werden. Präsenz und hohe Bereitschaft sind notwendig, um die Kontrolle über den maritimen Raum zu behalten. Kriegsführungsfähigkeiten sind erforderlich.“
Reaktion auf die „Achse des Umbruchs“ – Kooperation, Abschreckung und Resilienz
Alle Experten waren sich einig, dass die aktuellen Krisen und Kriege eng miteinander verbunden und inszeniert sind. Das Recht der Macht stelle die Macht des Rechts mehr und mehr in Frage. Die Antwort auf die wachsende Bedrohung und Vernetzung seien Kooperation, Abschreckung und Resilienz. Wenn die Gegner kooperieren, würden ihre Kapazitäten (in der Anzahl) und Kompetenzen (in der Qualität) wachsen, sie würden an Einfluss und Informationen gewinnen und könnten Ablenkungen und Störungen verursachen, die rund um den Globus spürbar wären. Die Grenzen zwischen den Regionen würden verschwinden. Um der engen Zusammenarbeit zwischen Russland, China, Iran und Nordkorea entgegenzuwirken, sollten sich die NATO- und EU-Staaten auf enge Kommunikationslinien, die Zusammenführung von Informationen, den technologischen Austausch, gemeinsames Engagement und Vertrauen konzentrieren. Unbemannte Technologien sollten in militärische Operationen integriert und ihr Einsatz häufig trainiert werden. Darüber hinaus sollten Kapazitäten für Abwehrraketen und Langstrecken-Präzisionswaffen aufgebaut und gemeinsame Produktionslinien durch öffentlich-private Kooperationen erweitert werden.
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