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Israels Blick auf Trump 2.0

Rückendeckung mit Nebenwirkungen

Obwohl die USA ihre militärische Unterstützung für Israel erheblich ausbauen, deutet die wachsende Dominanz unilateraler Schritte darauf hin, dass die bisherige Balance zwischen gemeinsamer strategischer Planung und nationaler Interessenpolitik schwindet, was die regionale Sicherheitsarchitektur nachhaltig verändern könnte. Kann unter diesen Vorzeichen eine verlässliche Allianz zwischen den USA und Israel bestehen bleiben?

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Auf einen Blick
  • Donald Trumps zweite Amtszeit markiert eine Rückkehr zu einer klar israelfreundlichen, zugleich unilateralen Nahostpolitik. Von Beginn an setzte Trump deutliche Signale: Die Militärhilfe für Israel wurde ausgeweitet, Hilfen für die Palästinensische Autonomiebehörde eingefroren. Mit Premierminister Netanjahu demonstrierte er enge politische Verbundenheit, was in Israel als strategischer Gewinn, international jedoch als destabilisierend wahrgenommen wurde.
  • Der sicherheitspolitische Schulterschluss zeigte sich besonders im gemeinsamen Vorgehen gegen den Iran und erreichte im Juni 2025 mit koordinierten Militärschlägen einen Höhepunkt, offenbarte jedoch Differenzen bei der Gazapolitik und multilateralen Prozessen. Trumps zunehmend unilateral agierende Außenpolitik ließ Israel teils außen vor.
  • Zwar bleibt Israel zentraler Partner der USA, doch die strategische Entkopplung wächst. Trumps Fokus auf bilaterale Deals mit arabischen Staaten verdeutlicht den Vorrang US-amerikanischer Eigeninteressen.
  • Innerhalb Israels polarisiert Trump: Rechte Kräfte feiern ihn als historischen Verbündeten, während Zentristen und Linke seine Politik als eigennützig bewerten. Zugleich wächst die Sorge, Israels Abhängigkeit von einer parteipolitisch geprägten US-Unterstützung könne seine außenpolitische Handlungsfähigkeit langfristig schwächen.
 

Hohe Erwartungen und realpolitische Signale

Mit Donald Trumps Rückkehr ins Weiße Haus im Januar 2025 waren in Israel hohe Erwartungen verbunden. Schon während des Wahlkampfs hatte Trump mehrfach betont, die strategische Partnerschaft mit Israel ausbauen zu wollen. In Jerusalem wurde dies als einmalige Chance begriffen, zur engagierten Nahostpolitik seiner ersten Amtszeit zurückzukehren – verglichen mit der in Israel als zurückhaltend bis kritisch wahrgenommenen Biden-Administration. Auf der Jahreskonferenz der Republican Jewish Coalition machte Trump während des Wahlkampfs große Versprechungen: „Ich werde mit Ihnen zusammenarbeiten, um sicherzustellen, dass Israel für Tausende von Jahren bei uns ist.“1 Dabei bezog er klar Stellung zum Gazakrieg und kündigte Maßnahmen gegen Antisemitismus an US-Universitäten an.

Schon zu seinem Amtsantritt sendete Präsident Trump eine Vielzahl zunächst deutlicher Signale. Am 20. Januar 2025 unterzeichnete er die Executive Order 14169, die sämtliche US-Entwicklungshilfe für 90 Tage aussetzte – mit Ausnahme der Militärhilfe für Israel.2 Am folgenden Tag verhängte er Sanktionen gegen den Internationalen Strafgerichtshof und hob Sanktionen gegen gewalttätige israelische Siedler auf. Trump stellte sich damit demonstrativ gegen internationale Kritik an Israels Siedlungspolitik und Militäreinsätzen. Gleichzeitig froren die USA die finanzielle Unterstützung für die Palästinensische Autonomiebehörde faktisch ein.

 

Rascher Washington-Besuch: Symbolik und Substanz

Am 4. Februar 2025 empfing Trump Premierminister Benjamin Netanjahu als ersten ausländischen Gast seiner zweiten Amtszeit und setzte damit ein diplomatisches Zeichen. Das mehrstündige Treffen wurde als „Zeitenwende“ in den bilateralen Beziehungen gewertet. In der anschließenden Pressekonferenz betonte Trump die Unverbrüchlichkeit der bilateralen Beziehungen und Netanjahu revanchierte sich mit der Aussage: „Sie sind der größte Freund, den Israel je im Weißen Haus hatte.“3

Für besondere Aufmerksamkeit sorgte Trumps Vorschlag zum Gazastreifen. In einer höchst umstrittenen Kombination aus wirtschaftlichem Entwicklungsplan und geopolitischem Paradigmenwechsel schlug er vor, die USA könnten den Gazastreifen „übernehmen“ und wieder aufbauen – mit dem Ziel, daraus „die Riviera des Nahen Ostens“ zu machen. Netanjahu lobte Trumps unkonventionelles Denken.

Auch die Schwächung des Iran wurde bereits hier als gemeinsames strategisches Anliegen betont. Netanjahu erklärte: „Sie [das iranische Regime] haben versucht, Sie zu töten, Herr Präsident – und sie haben versucht [...] mich zu töten. Wir sind beide entschlossen, die iranische Aggression in der Region zurückzudrängen und sicherzustellen, dass der Iran niemals eine Atomwaffe entwickelt.“4 Trump machte deutlich, dass die „maximale Druckkampagne“ gegen Teheran fortgesetzt oder verschärft werden würde. Zum Westjordanland äußerte sich Trump eher zurückhaltend. Auf die Frage möglicher US-Unterstützung für Annexionsszenarien bezog er keine eindeutige Position, zeigte aber, dass das Thema zunächst ergebnisoffen auf der US-Agenda stand.

Der sicherheitspolitische Schulterschluss zwischen den USA und Israel hat auch in finanzieller und operativer Hinsicht neue Intensität erreicht. Verglichen mit der Biden-Administration fiel dabei nicht nur der Ton markanter aus, sondern auch die Praxis: Während die Unterstützung unter Präsident Biden von politischer Zurückhaltung, konditionaler Rüstungshilfe und menschenrechtlichen Erwägungen geprägt war, ist Trumps Ansatz kompromisslos, gelegentlich sogar bedingungslos – vor allem hinsichtlich des Iran –, aber als Ausdruck des zuweilen erratischen Politikstils Trumps auch durchaus unilateral.

Ein Vergleich der Rüstungshilfen unterstreicht den Paradigmenwechsel: Auch wenn die Biden-Administration in der Zeit zwischen dem 7. Oktober 2023 und Oktober 2024 rund 17,9 Milliarden US-Dollar an Militärhilfe für Israel bereitstellte5 – darunter moderne Kampfflugzeuge, Artilleriesysteme und Präzisionsmunition –, war diese Hilfe teilweise an politische Bedingungen geknüpft. Lieferstopps, Bedarfsprüfungen und menschenrechtsbasierte Auflagen gehörten zu den Kriterien.

Demgegenüber hat die Trump-Administration innerhalb von zwei Monaten nach Amtsantritt Rüstungsgüter im Wert von mehr als 12 Milliarden US-Dollar genehmigt6 – worauf viele weitere folgten. Auflagen, Transparenzpflicht gegenüber dem Kongress, Berichtspflichten wurden weitestgehend umgangen oder gar ignoriert. Diese Linie ist eine klare und unmissverständliche Untermauerung von Trumps Nahostpolitik.7

Schon die ersten Wochen der zweiten Trump-Präsidentschaft zeigten eine konsequente Rückkehr zur israelzentrierten Nahostpolitik früherer Trump-Jahre. Der Präsident setzt weiterhin auf symbolische Stärke, politische Nähe zu Netanjahu und ein radikales Infragestellen bisheriger diplomatischer Standards. Für Jerusalem stellt dies eine massive politische Rückendeckung dar. Für viele andere Staaten birgt diese Konstellation ein zunehmendes Dilemma – hin- und hergerissen zwischen der politischen und wirtschaftlichen Verbindung zu den USA und für manche auch mit Blick auf ihre Loyalität zu Israel einerseits, und der Sorge um eine wachsende regionale Instabilität andererseits.

Im sicherheitspolitischen Tagesgeschäft zeigen sich Risse in der Koordinierung zwischen Israel und den USA.
 

Gemeinsame Kriegsführung: Der Iran als Gradmesser

Der bisherige Höhepunkt der sicherheitspolitischen Koordination zwischen Washington und Jerusalem war der zwölftägige Krieg mit dem Iran im Juni 2025. Nach gezielten israelischen Luftschlägen auf iranische Nuklearanlagen und Luftabwehrsysteme sowie Angriffen auf die militärische Führung des iranischen Regimes und leitende Nuklearforscher beteiligten sich die USA durch direkte militärische Schläge gegen die bestgeschützten iranischen Atomanlagen. Trump begrüßte die israelischen Angriffe als „ausgezeichnet“ und lobte die Zusammenarbeit: „Wir haben als Team zusammengearbeitet, wie vielleicht noch nie zuvor ein Team zusammengearbeitet hat.“8 Auch in Europa stieß das Vorgehen weitgehend auf Verständnis. Frankreich, Deutschland und Großbritannien riefen Iran und Israel zur Deeskalation auf, betonten aber gleichzeitig die Wichtigkeit „sicherzustellen, dass Iran niemals eine Nuklearwaffe erlangt, beziehungsweise erwirbt“.9

Trotz der engen Abstimmung im Israel-Iran-Krieg zeigen sich im sicherheitspolitischen Tagesgeschäft Risse in der Koordinierung zwischen Israel und den USA. In Gaza etwa begleitete die Trump-Regierung unter Vermittlung des US-Sondergesandten Steve Witkoff die Verhandlungen über eine Waffenruhe – ein Prozess, der formal mit Israel abgestimmt war, in der Praxis jedoch zunehmend unilateral geführt wurde. Der sogenannte Witkoff-Plan stieß in Teilen der israelischen Regierung auf Unmut:10 Man fühlte sich übergangen, etwa bei Zusagen an Ägypten oder beim Zuschnitt der Demilitarisierungszonen.

Im Westjordanland verfolgte Washington in den ersten Monaten nach der Amtseinführung eine noch eher distanzierte Politik: Israelische Operationen werden weder offen unterstützt noch kritisiert – eine Form stiller Billigung, die Trump bereits in seiner ersten Amtszeit kultiviert hatte. In Bezug auf die anhaltenden Angriffe der Huthi im Roten Meer agierten die USA primär aus eigenem Interesse. Zwar erfolgten US-Schläge zunächst in Absprache mit Israel, doch betonte das Pentagon wiederholt die Eigenständigkeit US-amerikanischer Operationen. So erfolgte am Ende ein bilaterales Abkommen mit den Huthi ohne Berücksichtigung israelischer Sicherheitsinteressen. Diese partielle Entkopplung führte auf israelischer Seite zu Irritationen, auch wenn sie nicht öffentlich von der Regierung thematisiert wurden.

Auch diese Entwicklungen lassen erkennen, dass die Trump-Regierung außen- und sicherheitspolitisch zunehmend unilateral agiert. Obwohl sich in zentralen Fragen – etwa beim Iran – eine enge operative Zusammenarbeit mit Israel zeigt, ist ein gemeinsamer Kurs in enger Abstimmung mit anderen Staaten im Sinne des multilateralen Konsenses der Vorjahre spürbar erodiert.

 

Strategische Entkopplung ohne neue Allianzen

Trotz der betonten Solidarität mit Israel zeichnet sich im Laufe der zweiten Präsidentschaft Donald Trumps eine sukzessive strategische Entkopplung in zentralen außen- und sicherheitspolitischen Fragen ab. Was oft nach außen als Fortsetzung einer historischen Freundschaft inszeniert wird, ist bei genauerer Betrachtung ein asymmetrisches Verhältnis, das zunehmend durch Eigenlogik, Interessenpolitik und in mancher Hinsicht gelegentlich durch gegenseitige operative Exklusion geprägt ist. Die wachsenden Spannungen sind dabei nicht unbedingt das Resultat offener Brüche, sondern Ausdruck schleichender struktureller und innenpolitischer Veränderungen innerhalb der USA, die zunehmend auch von radikalen Akteuren des einflussreicheren linken Flügels der Demokraten und auf der anderen Seite von exzentrischen Vertretern der MAGA-Bewegung geprägt werden – mit weitreichenden Implikationen für Israels regionale Stellung und die langfristige Ausrichtung US-amerikanischer Nahostpolitik.

Im Zentrum von Trumps Außenpolitik stehen bilaterale Deals mit arabischen Staaten zugunsten von US-Wirtschaft und Sicherheit.

Die Vereinigten Staaten unter Trump bleiben Israels wichtigster militärischer Partner. Doch in multilateralen Prozessen und regionalen Dialogformaten ist eine wachsende Differenz der USA zu israelischen Interessen erkennbar. Ein prägnantes Beispiel liefert Trumps erste Auslandsreise im Mai 2025, die ihn nach Saudi-Arabien, Katar und in die Vereinigten Arabischen Emirate führte – Israel ließ er bewusst außen vor. Der symbolische Gehalt dieser Entscheidung blieb in Jerusalem nicht unbeachtet. Die Nichtberücksichtigung Israels bei zentralen Gesprächen über die regionale Sicherheitsarchitektur ist weder ganz neu noch überraschend, verdeutlicht aber, dass unter Trump letztlich US-amerikanische Interessenpolitik im Vordergrund steht: Israel wird zwar weiterhin unterstützt, aber weder bedingungslos noch ausschließlich.

Der außenpolitische Kurs Trumps ist vom Grundprinzip getragen: „Make America Great Again!“ Im Zentrum stehen bilaterale Deals mit arabischen Staaten, die primär ökonomische und sicherheitspolitische Vorteile für die USA sichern sollen. Obgleich Trump sich immer wieder auf die Abraham-Abkommen zur diplomatischen Normalisierung zwischen Israel und den Vereinigten Arabischen Emiraten beziehungsweise Bahrain beruft und deren Erfolg für die regionale Sicherheit unterstreicht, ist das israelisch-arabische Normalisierungsprojekt seit dem 7. Oktober 2023 ins Stocken geraten. Insbesondere Saudi-Arabien hat weitere Fortschritte an die Bedingungen geknüpft, dass der Krieg in Gaza zum Ende kommt und ein palästinensischer Staat auf der Agenda bleibt – ein Punkt, den nicht nur die aktuelle israelische Regierung vehement ablehnt, da Schritte in Richtung eines palästinensischen Staates zum jetzigen Zeitpunkt als „Erfolg“ der Terrororganisation Hamas betrachtet würden. In Riad versuchte Trump noch, Bewegung zu inszenieren. Parallel liefen Verhandlungen mit Syrien, Oman, Katar und sogar mit der Hamas und den Huthi, sehr oft ohne israelische Beteiligung oder Vorabinformation. Besonders brisant waren indirekte Gespräche mit der Hamas über eine Waffenruhe und Geiselfreilassungen im Rahmen des Witkoff-Plans unter US-Führung.

Während Netanjahu Trump Anfang Juli 2025 medienwirksam für den Friedensnobelpreis nominierte, nahm die Kritik innerhalb der US-Regierung an Israels Vorgehen deutlich zu: Hintergrund waren mit den USA nicht abgestimmte Luftschläge Israels in Syrien und die Eskalation der Militäroperationen im Gazastreifen, die aus Sicht mancher US-Repräsentanten diplomatische Prozesse torpedierten. Nicht nur sein Umfeld, sondern auch Trump selbst reagierte zuweilen gereizt. Im Falle des versehentlichen Beschusses einer Kirche in Gaza forderte er von Netanjahu persönlich eine Aufklärung und beklagte intern das eskalierende Verhalten. Solche Aussagen werfen ein Schlaglicht auf die wachsende Frustration in Washington gegenüber israelischen Alleingängen.

Gleichzeitig agiert die US-Regierung ebenfalls zunehmend unabhängig. Trump bleibt seinem pragmatischen Verständnis von Außenpolitik treu. Seine Entscheidungen dienen messbaren, oftmals kurzfristigen Interessen, die auch stark vom isolationistischen Flügel der MAGA-Bewegung beeinflusst werden. Dies betrifft beispielsweise die Beziehungen zu den Golf-Staaten, mit denen er umfassende Investitions- und Sicherheitsabkommen abschließt. Oder auch in Bezug auf den Iran, als die Trump-Administration verdeckte Gespräche in Oman führte – mit dem Ziel einer temporären Deeskalation ohne vorherige israelische Einbindung. Die israelische Regierung, traditionell stark an der Eskalationskontrolle gegenüber Teheran interessiert, wurde dadurch vor vollendete Tatsachen gestellt – kein vollständiger Bruch, aber ein Zeichen schleichender Entkopplung in der oft betonten synchronisierten Entscheidungsfindung mit der Trump-Administration.

 

Das Verhältnis zwischen Trump und Netanjahu

Die persönliche Beziehung zwischen Trump und Netanjahu ist einer der ambivalentesten Faktoren in den aktuellen bilateralen Beziehungen. Sie bewegt sich zwischen politischer Instrumentalisierung und persönlicher Frustration. Die Dynamik zwischen beiden Regierungschefs ist nicht nur Ausdruck individueller Eitelkeiten, sondern hat konkrete Auswirkungen auf das bilaterale Verhältnis und politische Klima in beiden Staaten.

Bereits während Trumps erster Amtszeit (2017 bis 2021) galt das Verhältnis zu Netanjahu als außergewöhnlich eng. Die Verlegung der US-Botschaft nach Jerusalem, der Rückzug aus dem Atom-Abkommen mit dem Iran sowie die Unterstützung israelischer Positionen in multilateralen Foren waren politische Geschenke an den israelischen Premier, der Trump dafür regelmäßig öffentlich lobte. Doch die Ernüchterung folgte unmittelbar nach Trumps Abwahl. Im Interview mit dem israelischen Journalisten Barak Ravid äußerte sich Trump ungewöhnlich scharf über Netanjahu und beschimpfte ihn wegen seiner Gratulation an Joe Biden zur gewonnenen Wahl.11

Mit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus 2025 erfuhr die Beziehung eine neue Wendung. In der Phase wachsender Spannungen mit dem Iran, insbesondere im Kontext der koordinierten Militärschläge auf iranische Nuklearanlagen, inszenierte sich Trump erneut als enger Verbündeter Netanjahus. Er sprach von einer beispiellosen Zusammenarbeit und lobte sowohl die israelische Armee als auch Netanjahu persönlich. Dennoch bleibt die Beziehung nicht spannungsfrei. Interne Aussagen aus dem Weißen Haus belegen die wachsende Irritation über Netanjahus unzureichend abgestimmte militärische Operationen nicht nur in Gaza oder Syrien, sondern zuletzt vor allem gegen die politische Hamas-Führung in Katar. Beschimpfungen aus dem Umfeld der Trump-Administration lassen erkennen, dass der israelische Premier zwar öffentlich gefeiert, intern jedoch zunehmend als Risiko wahrgenommen wird. Einige Beobachter werten die öffentlich ausgetragenen Differenzen als Teil einer strategischen Rollenverteilung zwischen Washington und Jerusalem. Ob das zutrifft, bleibt jedoch fraglich – zu offensichtlich sind die internen Spannungen und Israels zunehmend eigenmächtiges Vorgehen.

Einen besonderen Höhepunkt erreichten die persönlichen Beziehungen, als Trump sich im Juni 2025 in den israelischen Justizprozess gegen Netanjahu einmischte. In mehreren Beiträgen auf seiner Plattform Truth Social bezeichnete er das Verfahren als politische Verfolgung und forderte ein Ende des Prozesses.12 Diese Äußerungen, die er in seiner Rede in der Knesset am 13. Oktober 2025 zur Vorstellung seines Friedensplans für die Region wiederholte,13 zeigen nicht nur Trumps Bereitschaft zur Einmischung in die inneren Angelegenheiten Israels, sondern auch seine Tendenz, politische Loyalität in bedingungslose persönliche Unterstützung zu übersetzen, wenn er das für seine Politik als nützlich erachtet – ungeachtet institutioneller oder juristischer Prinzipien.

Die zweite Amtszeit Donald Trumps stößt gesellschaftlich in Israel auf eine gespaltene, aber überwiegend wohlwollende Resonanz.

Die Beziehung zwischen Trump und Netanjahu bleibt in ihren Grundzügen konstant, ist aber auch von hoher politischer Volatilität geprägt. Die wechselseitige Instrumentalisierung ihrer Nähe – sei es zur politischen Selbstinszenierung, zur außenpolitischen Positionierung oder zur Delegitimierung von Kritik – zeigt Chancen, aber auch Risiken personalisierter Außenpolitik auf. Für die mittel- und langfristigen bilateralen Beziehungen birgt diese gegenwärtige Abhängigkeit von zwei politisch hochgradig polarisierenden Persönlichkeiten erhebliche Unsicherheiten.

 

Blick der israelischen Gesellschaft auf Trump

Die zweite Amtszeit Donald Trumps stößt auch gesellschaftlich in Israel auf eine gespaltene, aber überwiegend wohlwollende Resonanz. Sowohl die Regierung und ihre Befürworter als auch einige Teile der Opposition und vor allem die Familien der israelischen Geiseln richteten ihre Hoffnungen zur Lösung des Konflikts auf Trump. Obwohl die israelische Öffentlichkeit dabei Trumps zentrale Rolle bei der Lösung aktueller Krisen anerkennt, wächst das Bewusstsein für die Volatilität des US-Präsidenten und die strukturelle Unsicherheit durch die Abhängigkeit von Washington.

Umfragen zeichnen ein differenziertes, aber tendenziell positives Bild. Eine Erhebung des Israel Democracy Institute aus dem Januar 2025 zeigt, dass 74 Prozent der jüdischen und 64 Prozent der arabischen Israelis Trump eine entscheidende Rolle bei der im Januar erreichten Waffenruhe und dem Geisel-Gefangenenaustausch zuschrieben.14 Daten des Pew Research Centers vom Juni 2025 bestätigen ein stabiles, teilweise wachsendes Ansehen der USA unter Trump: 83 Prozent der Israelis äußerten eine positive Meinung von den Vereinigten Staaten, ein Anstieg von sechs Prozentpunkten im Vergleich zum Vorjahr. Allerdings zeigen sich ideologische Brüche: Während 93 Prozent der rechtsgerichteten Israelis Trumps Nahostpolitik unterstützen, liegt die Zustimmung unter linksgerichteten Befragten bei nur 21 Prozent.15 Eine Umfrage des Institute for National Security Studies (INSS) aus demselben Zeitraum veranschaulicht die ambivalente Sichtweise auf Trump: 29 Prozent denken, dass er Israels Interessen in den Mittelpunkt seiner Außenpolitik stellt. Die Mehrheit sieht seine Unterstützung als konditional und eigennützig. Gleichzeitig sinkt die Zahl derjenigen, die Trump für unberechenbar und unzuverlässig halten (18 Prozent, zuvor 23 Prozent).16

Demgegenüber ist der Blick der israelischen Bevölkerung auf Netanjahu deutlich durchwachsener. Nach der Freilassung der letzten lebenden Geiseln im Oktober 2025 hatten sich seine eigenen Zustimmungswerte und die seiner Partei Likud erheblich verbessert. Dennoch geben ihm viele weiter eine Mitverantwortung dafür, dass der Krieg so lange dauerte und die Geiseln nicht früher freikamen. Die Reihung ranghoher Besuche aus den USA nach der Ankündigung von Trumps Friedensplan für die Region, die manche Beobachter despektierlich als „Bibi-Sitting“ bezeichneten, zeigte die Skepsis auch der US-Administration gegenüber den politischen Absichten von Netanjahu.17

Repräsentanten der Siedlerbewegung begrüßten Trumps Wahlsieg im November 2024 euphorisch.
 

Die israelische Regierung und das (extrem) rechte Lager: Trump als historische Gelegenheit

Für die amtierende israelische Regierung unter Premierminister Netanjahu ist Donald Trump vor allem ein geopolitischer Ermöglicher. Seine wiederholte Unterstützung in einer Reihe multilateraler Gremien, sein Widerstand gegenüber internationalen Ermittlungen gegen Israel und seine grundsätzliche Zustimmung für die Offensiven in Gaza, aber auch die Rücknahme von Sanktionen gegen radikale Siedler eröffnen politischen Spielraum – gerade vor dem Hintergrund einer zunehmenden internationalen Isolation Israels.

Repräsentanten der Siedlerbewegung begrüßten Trumps Wahlsieg im November 2024 euphorisch. Israel Ganz vom Yesha Council sprach von einer einmaligen Gelegenheit, um Souveränität im Westjordanland auszubauen.18 Shai Alon, Regionalratsvorsitzender einer Siedlung, verkündete „ein goldenes Zeitalter für die Siedlungen“19 und auch Sicherheitsminister Ben Gvir, Vorsitzender der rechtsextremen Partei Otzma Yehudit, äußerte sich ähnlich in der Knesset. Trump bietet mit seiner Politik eine Rückendeckung für national-religiöse Agenden, was in Teilen der israelischen Rechten als Einladung zu weitreichenden territorialen und legislativen Maßnahmen interpretiert wurde – getragen nicht nur von ideologischen Gründen, sondern auch als Antwort auf die Anerkennung eines palästinensischen Staates durch eine Reihe europäischer Länder. Die öffentlichkeitswirksame Absage Trumps an die Annexionspläne und auch sein Ende September in Anwesenheit von Netanjahu angekündigter Plan zur Befriedung der Region stießen nicht bei allen Mitgliedern der israelischen Regierung auf Begeisterung.

Zentristische und linksgerichtete Oppositionskräfte hingegen nehmen Trump differenzierter wahr. Oppositionsführer Yair Lapid betont in Interviews, dass Trump eindeutig pro-israelisch sei, aber zugleich ungeduldig, transaktional und nicht an Netanjahus innenpolitischen, umstrittenen Vorhaben interessiert. Für ihn sei das US-Israel-Bündnis zwar strategisch unverzichtbar, aber unter Netanjahu so schlecht wie nie.20 Lapid kritisierte die fehlende Einbindung Israels in zentrale Entscheidungen der Trump-Administration: die Waffenruhe mit den Huthi oder die Verhandlungen mit dem Iran und Syrien – alles ohne enge Abstimmung mit Israel. In der Knesset warf er Netanjahu vor: „Du hast Trump verloren.“21 Besonders kritisch wurde in der Opposition auch Trumps Einmischung in Netanjahus laufenden Korruptionsprozess gesehen. Solche Spannungen verschärfen auch die innenpolitische Polarisierung Israels im Umgang mit den USA.

 

Strategische Selbstvergewisserung und internationale Abhängigkeit

Parallel zur politischen Auseinandersetzung diskutiert Israel über strategische Eigenständigkeit. Der wachsende Eindruck, dass die Trump-Regierung Entscheidungen über Israel hinweg trifft – teils aus Kalkül, teils aus Unberechenbarkeit – führt zu Diskussionen, wie sich Israel künftig aufstellen soll. Das INSS weist in einem policy paper vom Januar 2025 auf die Gefahr hin, dass die Unterstützung der USA unter Trump zunehmend parteipolitisch kontaminiert sei. Israel riskiere, in den Vereinigten Staaten als „Republikaner-Angelegenheit“ wahrgenommen zu werden – ein Zustand, der die langfristige Tragfähigkeit der Allianz untergräbt, zumal auch in Teilen der MAGA-Bewegung die Unterstützung für Israel bröckelt.22 Diese Wahrnehmung wird von einer aktuellen Umfrage des Chicago Council on Global Affairs untermauert, wonach eine republikanische Mehrheit den Krieg Israels gegen Hamas zwar weiterhin unterstützt, eine wachsende Zahl von US-Amerikanern aber denkt, die Hilfe für Israel im Gazakrieg gehe zu weit.23

Hinzu kommt, dass im Vergleich zur Wahrnehmung in Israel die internationale Einschätzung Trumps deutlich kritischer ist. In Deutschland etwa gaben Anfang März 2025 fast 80 Prozent der Befragten an, ihre Haltung zu Trump sei negativ – darunter 48 Prozent, bei denen sich das Bild seit seinem zweiten Amtsantritt sogar verschlechterte.24 Auch solche Tendenzen verdeutlichen die wachsende Entfremdung zwischen Israel und Teilen Europas, die vor allem mit der scharfen Kritik vieler europäischer Staaten gegenüber Israel mit Blick auf die Kampfhandlungen im Gazastreifen nach den Terrorangriffen vom 7. Oktober 2023 verbunden ist.

Die Erkenntnis aus diesen Tendenzen mündet in Israel in unterschiedliche praktische Erwägungen: Der Ausbau der eigenen Verteidigungsindustrie, stärkere Diversifizierung der diplomatischen Allianzen und verstärkte Zusammenarbeit auch mit europäischen Staaten bekommen mehr Aufmerksamkeit. So gibt es die Hoffnung, dass mit der Fortsetzung der Waffenruhe im Gazastreifen und einer weiteren Umsetzung des Trump-Plans eine Anpassung europäischer Betrachtung der israelischen Politik zumindest teilweise vorgenommen und somit der internationalen Isolierung Israels entgegengewirkt werden könnte.

 

Ausblick

Israel ist zu einer politischen Gratwanderung gezwungen – außen- wie auch innenpolitisch. Die enge Zusammenarbeit mit den USA unter Trump sichert kurzfristige militärische Handlungsfreiheit, ist aber politisch und strategisch nicht ohne Risiko. Die hohe Zustimmung für die Handlungen Trumps in Teilen der israelischen Bevölkerung darf dabei nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich das Verhältnis zu den USA auf einem schmalen Grat zwischen politischer Zweckgemeinschaft und struktureller Abhängigkeit bewegt. In beiden Ländern ist der Ausgang dieser Entwicklungen aktuell noch ungewiss. Sollte sich die Lage im Nahen Osten trotz der großen Anstrengungen und des damit verbundenen Friedensplans von Trump nicht beruhigen und sich das politische Klima in Washington oder Jerusalem verschieben – was aufgrund der für nächstes Jahr vorgesehenen Wahlen zum US-Repräsentantenhaus und zur israelischen Knesset zumindest nicht ausgeschlossen ist –, könnte es sein, dass dieses Bündnis und seine gegenwärtige enge Ausprägung in vielerlei Hinsicht infrage gestellt werden.

 

 

Die Arbeit an diesem Beitrag wurde am 28. November 2025 abgeschlossen.

 

 

Dr. Michael Rimmel ist Leiter des Auslandsbüros Israel der Konrad-Adenauer-Stiftung.

 

 
  1. Magid, Jacob 2024: Vote for me or Israel will be annihilated, Trump says in pitch to Republican Jews, The Times of Israel (TOI), 06.09.2024, in: https://ogy.de/fpnf [23.09.2025]. ↩︎
  2. Office of the Federal Register, National Archives and Records Administration 2025: DCPD-202500136 - Executive Order 14169–Reevaluating and Realigning United States Foreign Aid, 20.01.2025, in: https://ogy.de/0wiw [23.09.2025]. ↩︎
  3. TOI 2025: Trump, at press conference with Netanyahu, says US ‚will take over‘ Gaza, 06.02.2025, in: https://ogy.de/xif4 [22.09.2025]. ↩︎
  4. Ebd. ↩︎
  5. Knickmeyer, Ellen 2024: US spends a record $17.9 billion on military aid to Israel since last Oct. 7, Associated Press (AP), 09.10.2024, in: https://ogy.de/p22u [22.09.2025]. ↩︎
  6. Brunnstrom, David 2025: Rubio signs declaration to expedite delivery of $4 billion in military aid to Israel, Reuters, 02.03.2025, in: https://ogy.de/dxtg [22.09.2025]. ↩︎
  7. Zum Vergleich: Die Bundesregierung hatte seit dem 7. Oktober 2023 Rüstungsexporte im Wert von knapp 485 Millionen Euro genehmigt, Anfang August 2025 jedoch einen partiellen Exportstopp für Waffen verfügt, die im Gazastreifen eingesetzt werden könnten. Siehe hierzu: Boddenberg, Sophia 2025: Deutschland genehmigte Waffenexporte an Israel für 485 Millionen Euro, DIE ZEIT, 03.06.2025, in: https://ogy.de/8xk8 [22.09.2025]. ↩︎
  8. AP 2025: Transcript of Trump’s speech on US strikes on Iran, Interview, 22.06.2025, in: https://ogy.de/z9wi [22.09.2025]. ↩︎
  9. Auswärtiges Amt 2025: Gemeinsame Erklärung der Außenminister Deutschlands, Frankreichs und des Vereinigten Königreichs sowie der Hohen Vertreterin der EU zur Eskalation der Spannungen im Nahen Osten, 20.06.2025, in: https://ogy.de/pp21 [22.09.2025]. ↩︎
  10. Marcus, Imanuel 2025: Regierung prüft Vorschlag für Waffenruhe, Jüdische Allgemeine, 20.08.2025, in: https://ogy.de/t2di [25.10.2025]. ↩︎
  11. TOI 2021: ‚F*ck him‘: Trump rages at Netanyahu, claims he saved Israel from destruction, 10.12.2021, in: https://ogy.de/fxv9 [22.09.2025]. ↩︎
  12. Shotter, James 2025: Donald Trump calls on Israel to cancel Benjamin Netanyahu’s corruption trial, The Financial Times, 26.06.2025, in: https://ogy.de/42l2 [22.09.2025]. ↩︎
  13. Deutschlandfunk 2025: Trump ruft in Knesset-Rede zur Begnadigung Netanjahus auf, 15.10.2025, in: https://ogy.de/1qwf [25.10.2025]. ↩︎
  14. Hermann, Tamar et al. 2025: Overwhelming Majority of Israelis Think President Trump Responsible for Ceasefire Deal; Think Trump will Pressure Netanyahu to Achieve Middle East Initiatives, The Israel Democracy Institute, 04.02.2025, in: https://ogy.de/rp86 [22.09.2025]. ↩︎
  15. AFP / TOI 2025: Poll finds Israelis high on Trump, while rest of world takes dim view of US leader, 12.06.2025, in: https://ogy.de/pbjw [22.09.2025]. ↩︎
  16. Deitch, Mora et al. 2025: The Israeli Public and the Campaign Against Iran: Survey Results – June 2025, Institute for National Security Studies (INSS), 22.06.2025, in: https://ogy.de/icql [22.09.2025]. ↩︎
  17. Wittenbrink, Franca 2025: Amerikaner beim Bibi-Sitting, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 24.10.2025, in: https://ogy.de/1p1e [25.10.2025]. ↩︎
  18. Sharon, Jeremy 2024: Two settlement leaders, Ben Gvir call to annex West Bank after Trump victory, TOI, 06.11.2024, in: https://ogy.de/not9 [22.09.2025]. ↩︎
  19. Ebd. ↩︎
  20. TOI 2025: Lapid: Pro-Israel Trump is ‚fed up‘ with Netanyahu, ‚wants results,‘ cut hostage deal only for US citizen, 12.05.2025, in: https://ogy.de/3oic [22.09.2025]. ↩︎
  21. Israel National News 2025: Lapid to Netanyahu: ‚You no longer understand America and lost Trump‘, 28.05.2025, in: https://ogy.de/gbzi [22.09.2025]. ↩︎
  22. Hayman, Tamir / Rakocz, Boaz / Kurz, Anat (Hrsg.) 2025: The State of Israel’s National Security. Doctrine and Policy Guidelines for 2025–2026, INSS, 01/2025, in: https://ogy.de/hwgs [22.09.2025]. ↩︎
  23. El Baz, Lama / Smeltz, Dina 2025: Republicans Favor Trump Approach to Israel-Hamas War, The Chicago Council on Global Affairs, 18.09.2025, in: https://ogy.de/3v24 [23.09.2025]. ↩︎
  24. Statista 2025: Umfrage zur Haltung zu Donald Trump seit Amtsantritt in Deutschland 2025, 07.03.2025, in: https://ogy.de/bt7s [22.09.2025]. ↩︎

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