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Länderberichte

Der Globale Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration

von Andrea Ellen Ostheimer

Nach der Unterzeichnung des Migrationspakts müssen auch konkrete Schritte der Umsetzung folgen

Angesichts der starken Migrations- und Flüchtlingsbewegungen 2015 und 2016 kamen die 193 Staaten der Generalversammlung der Vereinten Nationen im September 2016 einstimmig zur Übereinkunft, dass aufgrund der Komplexität und Globalität der Phänomene Flucht und Migration internationale Vereinbarungen notwendig sind, die zum einen die Schwächen der Genfer Flüchtlingskonvention im Bereich des Flüchtlingsschutzes adressieren und zum anderen für den weitaus umfassenderen Bereich der Migration einen Rahmen für internationales Migrationsmanagement setzen.

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Dieser New Yorker Erklärung (A/Res/71/1) stimmten alle in den Vereinten Nationen vertretenen Staaten zu. Darunter befanden sich auch jene Staaten, die heute gegen den Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration Stimmung machen und die mit Ausnahme der USA bis zur Verabschiedung der Endversion des Dokuments am 13. Juli 2018 an der Ausarbeitung des Dokuments mitwirkten.

Der Global Compact for Migration[1] ist die erste zwischenstaatlich, unter der Schirmherrschaft der Vereinten Nationen verhandelte Vereinbarung („cooperative framework“), die in umfassender Weise die diversen Aspekte des globalen Migrationsmanagements aufgreift und der Tatsache Rechnung trägt, dass Migrationsbewegungen nicht mehr allein national gesteuert werden können. Das Dokument als solches ist rechtlich nicht bindend, hat aber wie auch andere multilaterale Initiativen eine Symbolkraft, die unterstreicht, dass aktuelle Probleme aufgrund ihrer globalen Dimension und Komplexität nur in einem multinationalen Kontext und gemeinschaftlicher Solidarität lösbar sind.

Der Globale Pakt für Migration versteht sich als Auftakt zu einem kontinuierlichen Dialogprozess, begleitet von einer regelmäßigen Überprüfung des Erreichten („…periodic and effective follow-up and review mechanism, ensuring that words [….] translate into concrete actions…“, p. 3/4).

Der Pakt adressiert die Herausforderungen der Migration sowohl für Herkunfts-, Transit- und Zielländer, betont dabei aber stets den Gedanken staatlicher Souveränität, der geteilten Verantwortlichkeiten, der Nicht-Diskriminierung und der Achtung der Menschenrechte.

Herausforderungen für Herkunfts-, Transit- und Zielländer

Insbesondere das Ziel 2 „Minimize the adverse drivers and structural factors that compel people to leave their country of origin“ versucht, die Ursachen der Migration zu adressieren und erinnert die Staaten an ihre Verpflichtungen unter der Agenda 2030. Der Brain-Drain als Problem wird dabei ebenso adressiert, wie der bislang kaum vorhandene Schutz für klimabedingte Migration und Flucht.

Der Pakt verpflichtet sich aber auch, dafür Sorge zu tragen, dass die Datenlage zu Migrationsbewegungen verbessert (Ziel 1), der Informationsfluss erhöht wird (Ziel 3), und auch die Identitäten der Migranten und ihre Herkunftsländer feststellbar werden (Ziel 4).

Im Geiste geteilter Verantwortlichkeiten von Herkunfts- Transit- und Zielländern versucht die Vereinbarung einen Ordnungsrahmen für Migration zu schaffen. Er kann weder Migration verhindern, noch beabsichtigt er Migration zu befördern.

Garantie der staatlichen Souveränität

An diversen Stellen unterstreicht der Migrations-Pakt die staatliche Souveränität, sieht diese aber nicht als losgelöst von bestehenden Verpflichtungen und Verantwortlichkeiten der Staaten unter internationalem Recht. Die unterzeichnenden Staaten bleiben im Kontext des Paktes nach wie vor Herr und Entscheidungsträger der jeweiligen nationalen Einwanderungspolitik. Der Pakt versucht lediglich, die Möglichkeiten der legalen Migration zu erhöhen durch die frühzeitige Identifizierung von Fachkräftemangel, durch eine Vereinfachung von Visa-Regimen insbesondere im Kontext von Regionalorganisationen, sowie durch die Anerkennung von beruflichen Qualifikationen (Ziel 5: „Enhance availability and flexibility of pathways for regular migration).

Nicht-Diskriminierung und Achtung der Menschenrechte

Der Migrations-Pakt betont den Schutz der Menschenrechte in Bezug auf Migranten, unterscheidet aber ganz klar diesen vom speziellen Schutzstatus eines Flüchtlings („only refugees are entitled to the specific international protection as defined by international refugee law“, Point 4, p.2).

Der Pakt schreibt keinesfalls ein Menschenrecht auf Migration fest, wie dies häufig in der populistischen Rhetorik unterstellt wird.

Unterscheidung zwischen legalen und illegalen Migranten

Aufbauend auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass eine sichere, geregelte und legale Migration im Interesse aller Beteiligten sein kann (Fachkräftemangel, demografischer Wandel sowie die Bedeutung von Rücküberweisungen – „remittances“ – der Diaspora in die Heimatländer) versucht der Pakt den legalen Migrationsmöglichkeiten einen Rahmen zu geben und Standards zu setzen. Insbesondere die Ziele 6 („Facilitate fair and ethical recruitment and safeguard conditions that ensure decent work“) und 7 („Address and reduce vulnerabilities in migration“) versuchen hier Standards für Wanderarbeiter zu setzen. Man verweist auch ganz gezielt auf den Aspekt der Integration und der sozialen Kohäsion in den Aufnahmeländern („We must empower migrants to become full members of our societies, highlight their positive contributions, and promote inclusion and social cohesion“; Ziel 16).

Der Pakt ignoriert nicht das Phänomen der illegalen Migration, sondern adressiert dieses ganz gezielt durch Verpflichtungen der Staaten zur Bekämpfung von Migrationsursachen, der Kriminalisierung und Strafverfolgung des Menschenschmuggels (Ziel 9 „Strengthen the transnational response to smuggling of migrants“) sowie durch Maßnahmen des Grenzschutzes (Ziel 10 „Manage borders in an integrated, secure and coordinated manner“). Der Pakt greift auch die Problematik der Rückkehr und Rückübernahme von illegalen Migranten auf und verpflichtet die Staaten zur Zusammenarbeit (Ziel 21: „Cooperate in facilitating safe and dignified return and readmission, as well as sustainable reintegration). Gerade in diesem Bereich unterstreicht das Dokument die gemeinsame Verantwortung und nimmt die Herkunftsländer in die Pflicht.

Der Weg nach Marrakesch

Nachdem die zwischenstaatlichen Verhandlungen für den Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration unter der Federführung Mexikos und der Schweiz im Juli 2018 abgeschlossen worden sind, soll nun am 10. und 11. Dezember in Marrakesch die Unterzeichnung durch die Mitgliedstaaten der Vereinten Nationen erfolgen. Bereits heute ist jedoch schon absehbar, dass die USA, Ungarn, Österreich, möglicherweise Australien und eventuell noch weitere europäische Staaten wie Italien nicht mit dabei sein werden.

Die USA zogen sich bereits wenige Monate nach der Aufnahme der Verhandlungen im Dezember 2017 zurück mit dem Argument, dass ein solcher Pakt die nationale Souveränität und den Schutz der Grenzen untergrabe sowie die Migrationsgesetzgebung in Frage stellen würde.[2] Diese Argumente lassen sich in allen drei Punkten und wie oben dargestellt widerlegen.

Wenn allerdings das zahlenmäßig größte Einwanderungsland weltweit (ca. 46,6 Mio. der 327,16 Mio. Einwohner wurden nicht in den USA geboren) die Vereinbarung ablehnt, bleibt dies nicht ohne Folgen. Bereits eine Woche nachdem man sich in der VN-Generalversammlung auf eine Endversion des Compact geeinigt hatte, kündigte Ungarn an, das Dokument nicht zu unterzeichnen. Als Begründung gab der ungarische Außenminister an, dass der Pakt gegen den gesunden Menschenverstand verstoße und die wieder herzustellende Europäische Sicherheit gefährde.[3]

Die in der österreichischen Regierungskoalition vertretene rechtspopulistische FPÖ lehnt den Pakt ab, da man den Schutz der Menschenrechte auch auf Migranten ausdehnt. Dabei werden die völkerrechtlichen Verpflichtungen Österreichs im Kontext der Allgemeinen Menschenrechtserklärung negiert und in populistischer Manier der Menschenrechtsschutz von Migranten zum Menschenrecht auf Migration umgedichtet. Für Kanzler Sebastian Kurz unterscheide der Pakt nicht hinreichend zwischen legaler und illegaler Migration.[4] Wenn auch Polen und die Tschechische Republik sowie Italien sich aus der Vereinbarung zurückziehen werden, wird deutlich, dass der Zusammenhalt der EU auch in globalen Fragen gefährdet ist.

Angesichts der Dynamik, die die Diskussionen zum Migrations-Pakt auch in Deutschland erhalten haben, muss man sich allerdings zu recht die Frage stellen, ob man eine solche Diskussion und die öffentliche Debatte zum Abkommen nicht proaktiver von Seiten der Bundesregierung hätte gestalten müssen. Dies hätte bereits vor Monaten und im Kontext der Schlussphase der Verhandlungen erfolgen können. Für viele Bürger rückt das Abkommen, welches eigentlich als notwendiger Baustein für eine nachhaltige und wirksame Migrationspolitik auf nationaler, regionaler und internationaler Ebene zu sehen ist, erst jetzt in das Bewusstsein. Und dies nun zu einem Zeitpunkt, wo die Debatte von bewusster Desinformation bestimmt wird und man reaktiv und unter vermeintlichem Legitimationsdruck versucht, Informationshoheit zurückzugewinnen.

Dies ist bedauerlich, aber Teil politischer Realitäten. Umso wichtiger wird es, dass nach der Unterzeichnung auch konkrete Schritte der Umsetzung folgen.


[1] Global Compact for Safe, Orderly and Regular Migation: Intergouvernmentally negotiated and agreed outcome, 13.07.2018, in: https://refugeesmigrants.un.org/sites/default/files/180713_agreed_outcome_global_compact_for_migration.pdf [04.11.2018]

[2] US quits UN global compact on migration, says it'll set its own policy, in: CNN, 03.12.2017 https://www.cnn.com/2017/12/03/politics/us-global-compact-migration/index.html [04.11.2018]

[3] Hungary pulls out of UN Global Migration Agreement, in: New York Times, 18.07.2018 https://www.nytimes.com/2018/07/18/world/europe/hungary-migration-united-nations.html [04.11.2018]

[4] Austria to withdraw from UN migration treaty, in: DW, 31.10.2018, https://www.dw.com/en/austria-to-withdraw-from-un-migration-treaty/a-46097012 [04.11.2018]

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Andrea Ellen Ostheimer

Andrea Ostheimer

Leiterin des Multilateralen Dialogs Genf

andrea.ostheimer@kas.de +41 79 318 9841

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