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Länderberichte

Präsidentschaftswahl 2023 in Liberia

von Dr. Stefanie Brinkel, Anastasia Rentzing

Friedlicher Machtwechsel und Hoffnung auf Fortschritt.

Oppositionskandidat Joseph Boakai löst den amtierenden Präsidenten George Weah im Amt ab und wird neues Staatsoberhaupt der Republik Liberia. Die Hoffnungen in die neue Regierung sind dabei groß.

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Am 17. November 2023 wurde Joseph Boakai in einer Stichwahl zum neuen Präsidenten des westafrikanischen Staates am Golf von Guinea gewählt. Der 78-jährige folgt auf den 2017 gewählten ehemaligen Fußballprofi George Weah. 20 Jahre nach dem Ende des Bürgerkriegs ist Liberia ist aufgrund seiner friedlichen Machtwechsel ein Vorbild in der Region und hat in den vergangenen Jahren große Fortschritte in seiner demokratischen Entwicklung gemacht. Auf dem Weg zu Frieden und Versöhnung sowie wirtschaftlicher Entwicklung gibt es dennoch mannigfaltige Herausforderungen, deren Bewältigung Aufgabe des neuen Präsidenten sein wird.

 

Zum Hintergrund

Die Republik Liberia wurde von befreiten Sklaven aus den USA gegründet und erklärte im Jahr 1847 seine Unabhängigkeit. Das Land ist die älteste Republik Afrikas und gehört zu den wenigen afrikanischen Staaten, die nicht kolonialisiert wurden. Unter der Herrschaft von William S. Tubmann, der das Land von 1944 bis 1971 regierte, florierte die liberianische Wirtschaft. Der Wohlstand kam jedoch vor allem der Oberschicht zugute. Tiefgreifende Spannungen folgten. Zwischen 1989 und 2003 tobte in Liberia ein blutiger Bürgerkrieg, der von ethnischen Konflikten und Kämpfen um politische Macht und Rohstoffe geprägt war. Bis zu 250.000 Menschen verloren ihr Leben, die Hälfte der Bevölkerung wurde vertrieben. Unter dem wachsenden Druck der internationalen Gemeinschaft trat der damalige Präsident Charles Taylor im August 2003 zurück. Im Anschluss wurde ein Friedensabkommen unterzeichnet und die Vereinten Nationen entsandten die Friedensmission „United Nations Mission in Liberia“ (UNMIL). Im Jahr 2005 wurde Ellen Johnson Sirleaf in den ersten freien und demokratischen Wahlen Liberias nach dem Ende des Bürgerkrieges zur ersten weiblichen Staatschefin Afrikas gewählt. Im Jahr 2011 erhielt sie den Friedensnobelpreis. Trotz der Bemühungen um Stabilität und Friedenskonsolidierung bleiben die großen Herausforderungen nach dem Bürgerkrieg, wie unter anderem eine schleppende wirtschaftliche Entwicklung und hohe Jugendarbeitslosigkeit, virulent. Die Folgen der Ebola-Epidemie (2014-2016) belasten Liberia zusätzlich. Das Land gehört nach wie vor zu den ärmsten Ländern der Welt. Viele Menschen haben keinen Zugang zu grundlegender Infrastruktur oder sozialen Dienstleistungen. Über die Hälfte der 5,2 Millionen Einwohner leben in ländlichen Gebieten, viele sind von Ernährungsunsicherheit betroffen. Laut des Welternährungsprogramms (WFP) leben über 83 % der Liberianerinnen und Liberianer von weniger als 1,25$ am Tag. Liberia verfügt über einen großen Schatz an natürlichen Ressourcen, fruchtbaren Böden sowie ein für die Landwirtschaft günstiges Klima. In Plantagen wird Kautschuk, Kakao, Kaffee, Palmöl und Zuckerrohr angebaut. Es gibt jedoch unzureichende Investitionen, um diese Potenziale gewinnbringend zu nutzen. Liberia bezieht außerdem etwa 60 % seiner Grundnahrungsmittel aus dem Ausland. Die Weltbank meldete einen Rückgang des Bruttoinlandprodukt-Wachstums von 5,0 % im Jahr 2021 auf 4,0 % im Jahr 2022. Zurückzuführen sei dieses partiell auf den russischen Angriffskrieg in der Ukraine, der zu einem enormen Anstieg der Rohstoffpreise führte und die finanzielle Flexibilität im Land stark einschränkte.

 

George Weahs hoffnungsvoller Sieg 2017 und Wiederantritt

Bereits 2017 standen viele dieser zentralen Themen im Mittelpunkt des Präsidentschaftswahlkampfes von George Weah als Kandidat der Partei „Congress for Democratic Change“ (CDC). Er gewann die Wahl im zweiten Wahlgang mit einer Mehrheit von über 60 % der abgegebenen Stimmen gegen Joseph Boakai, den Kandidaten der Unity Party" (UP). George Weah war der zweite liberianische Präsident, der einer indigenen Volksgruppe angehörte. In seinen Sieg wurden große Hoffnungen gesetzt, unter anderem aufgrund seines entwicklungsorientierten Regierungsprogrammes und seiner Pläne, gezielt gegen Korruption vorzugehen und ein Tribunal zur Aufarbeitung der Kriegsverbrechen des Bürgerkriegs aufzubauen. Im Jahr 2023 stellte er sich erneut zur Wahl. Aufgrund nicht eingehaltener Wahlversprechen und wachsender Unzufriedenheit in der Bevölkerung stand Weahs Präsidentschaft jedoch bereits vor seiner erneuten Kandidatur in der Kritik seiner Gegner.  

 

Gleiche Konkurrenten, neues Ergebnis: die diesjährigen Wahlen

Die diesjährige Präsidentschaftswahl war die erste nach dem Ende der UN-Friedensmission UNMIL. Der Wahlprozess erinnerte viele Liberianer an das Geschehen bei den letzten Wahlen 2017. Unter 20 Kandidatinnen und Kandidaten erzielten der amtierende Präsident George Weah und sein Konkurrent Joseph Boakai im ersten Wahlgang erneut die meisten Stimmen.

Kandidaten

Joseph Boakai

George Weah

Parteizugehörigkeit UP CDC

Ergebnisse 1. Wahlgang vom 10. Oktober 2023

43,44 %

43,83 %

Ergebnisse Stichwahl vom 14. November 2023

50,64 %

49,36 %

Abbildung 1: Ergebnisse der Präsidentschaftswahl in Liberia 2023 (Daten: results.necliberia.org)

Da im ersten Wahlgang am 10. Oktober 2023 mit jeweils rund 44 % keine Kandidatin und kein Kandidat die Mehrheit erreichte, fand am 14. November 2023 gemäß Verfassung ein zweiter Wahlgang statt. In der knappsten Stichwahl in der Geschichte Liberias setzte sich Joseph Boakai mit 50,64 % der Stimmen gegen George Weah durch. Am Abend des 17. November erkannte George Weah seine Niederlage gegen seinen Herausforderer an und rief seine Anhänger auf, das Ergebnis zu akzeptieren. Joseph Boakai wird nun für eine Amtszeit von sechs Jahren neuer Präsident der Republik Liberia.

Das knappe Ergebnis zeigt die tiefe Spaltung des Landes. Die Gräben der liberianischen Gesellschaft zu schließen, wird Joseph Boakais große Aufgabe als neuer Präsident sein. Hierzu gehört unter anderem die längst fällige Aufarbeitung der Kriegsverbrechen des 2003 beendeten Bürgerkriegs durch ein bereits durch Weah angekündigtes Tribunal. Dies ist besonders entscheidend, um die Versöhnungskultur in Liberia voranzubringen und eine sozio-politisch stabile Entwicklung zu ermöglichen. Trotz Spannungen zwischen den beiden Wahlgängen ermöglichte das faire Verhalten der politischen Akteure den dritten demokratischen und friedlichen politischen Machtwechsel in Liberia seit dem Ende des Krie ges. Dies ist besonders bemerkenswert vor dem Hintergrund, dass in der Region Westafrika in den letzten drei Jahren sieben Militärputsche stattgefunden haben.

 

Joseph Boakai – kein Unbekannter in der Politik Liberias

Joseph Boakai ist ein erfahrener Akteur in der liberianischen Politik. Er war von 2006 bis 2018 Vizepräsident unter Ellen Johnson Sirleaf und bekleidete zahlreiche Ämter in der Regierung sowie im Privatsektor. In seinem Wahlkampf versprach er den Liberianerinnen und Liberianern unter anderem, Arbeitsplätze zu schaffen, die Infrastruktur auszubauen, Investoren anzulocken, das Gesundheitssystem zu erneuern, den Tourismus weiterzuentwickeln und die allgemeinen Lebensbedingungen der Gesellschaft zu verbessern. Sein Ziel ist es, den lang ersehnten wirtschaftlichen Aufschwung in Liberia zu fördern.

 

George Weahs Partei CDC bleibt stärkste Kraft im Repräsentantenhaus und gewinnt auch im Senat Stimmen

Neben dem Präsidenten wurden im Rahmen der diesjährigen Wahlen auch 73 Abgeordnete für 6 Jahre sowie die Hälfte der 30 Senatoren neu gewählt. Trotz des Verlustes des Präsidentenamtes gewann die Partei von George Weah (CDC) in der Parlamentswahl die meisten – nämlich 25 – Mandate und bleibt somit stärkste Partei im Repräsentantenhaus.

Ergebnisse der Parlamentswahl (Repräsentantenhaus)

Abbildung 2: eigene Darstellung (Daten: results.necliberia.org)

Im Senat wurden in der diesjährigen Wahl 15 der insgesamt 30 Sitze neu besetzt. Die CDC hat sechs Sitze gewonnen und ist nun insgesamt mit neun von 30 Sitzen im Senat vertreten. Die UP hat lediglich einen Sitz gewonnen. Es sind zudem sechs unabhängige Kandidaten in den Senat eingezogen, so dass diese Gruppe mittlerweile insgesamt 10 Senatoren stellt. Die Partei „Movement for Democracy and Reconstruction“ (MDR) hat einen Sitz gewonnen und ist nun insgesamt mit zwei Sitzen Teil des Senats. Neu im Senat ist die Partei „Liberian Restoration Party“ (LRP) mit einem Sitz.

 

Potenziale für eine gestärkte Partnerschaft

Nach dem Bürgerkrieg nahm die deutsche Botschaft ihre Arbeit in der Hauptstadt Monrovia 2005 wieder auf. In den Folgejahren intensivierten sich die bilateralen Beziehungen zwischen den beiden Ländern. Liberia ist Partnerland der deutschen Entwicklungszusammenarbeit, die sich in der westafrikanischen Republik vor allem auf den Bereich der Infrastrukturförderung konzentriert. Die deutsche Privatwirtschaft war bis zum Ausbruch des Bürgerkriegs Ende 1989 stark im Land vertreten. Heute sind jedoch nur noch wenige deutsche Unternehmen in Liberia aktiv. Mit Blick auf die Diversifizierung von Lieferketten bietet Liberia jedoch erhebliche Potenziale. Bedeutende Exportprodukte sind Eisenerz, Kautschuk, Gold, Diamanten, Holz und Kakao. Liberia verfügt dabei über eine der größten Kautschukplantagen der Welt. Kautschuk hat in Deutschland eine hohe wirtschaftliche Bedeutung. Die Europäische Kommission hat im September 2017 Naturkautschuk in die Liste kritischer Rohstoffe für die EU aufgenommen. Naturkautschuk wird neben dem Hauptanwendungsbereich der Reifenherstellung unter anderem für Latexprodukte wie Hygiene- und Tauchartikel, für Bau- und Brückenlager, als Schäume für Matratzen, als Bindemittel oder für Klebstoffe verwendet. Hier bietet sich das Potenzial Schnittmengen für beide Länder zu identifizieren, die sowohl der sozioökonomischen Entwicklung Liberias als auch Deutschlands dienen können. Eine allgemeinwohlorientierte Nutzung von Bodenschätzen setzt zwei Bedingungen voraus: Einerseits Investoren, die Umwelt- und Sozialstandards beachten, sowie zweitens, eine Regierung, die transparente Institutionen, eine diversifizierte Wirtschaftsstruktur und den Schutz der Menschenrechte und Lebensgrundlagen der Bevölkerung gewährleistet. Die Verantwortung liegt auf beiden Seiten. Den Beweis, dass friedliche Machtwechsel in der Region Westafrika möglich sind, und zwar auch in einem Land, das unter den Folgen eines brutalen Bürgerkrieges und einer verheerenden Ebola-Epidemie leiden musste, hat Liberia erbracht. Darauf gilt es aufzubauen.

 

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Kontakt

Dr. Stefanie Brinkel

Dr. rer. pol

Leiterin des Regionalprogramms Politischer Dialog Westafrika (PDWA)

stefanie.brinkel@kas.de +225 27 22 48 1800

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Über diese Reihe

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