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Alisdare Hickson / fickr / CC BY-NC-SA 2.0 / creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/
Zwischenruf

Antisemitismus bei der postkolonialen Linken und der völkischen Rechten

von Andreas Büttner

Ein Zwischenruf

Es ist Zeit, den Schleier der Verharmlosung zu zerreißen. Antisemitismus ist keine Einbahnstraße, kein Randphänomen, kein längst vergangenes Problem. Er lebt – bei der extremen Rechten in widerwärtiger Offenheit, und bei Teilen der postkolonialen Linken in erschreckend intellektualisierter Tarnung. Wer heute ernsthaft den Kampf gegen Antisemitismus führen will, muss den Mut haben, ihn auf beiden Seiten zu benennen – klar, deutlich, kompromisslos.

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Die rechte Fratze – alt, gefährlich, tödlich

Die extreme Rechte ist in ihrer Judenfeindschaft brutal und unmissverständlich. Sie stilisiert Jüdinnen und Juden als Drahtzieher im Hintergrund, als „Globalisten“, „Finanzeliten“, als Feindbild einer völkischen Ideologie, die nur „das Eigene“ gelten lässt. Die Blut-und-Boden-Rhetorik ist zurück: in Parlamenten, auf Demonstrationen, auf Telegram-Kanälen. Halle, Hamburg, Berlin, Paris – die Tatorte rechten Hasses nehmen kein Ende. Und immer wieder stehen Synagogen im Zentrum dieser Gewalt.

 

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Dieser Antisemitismus ist mörderisch. Und er ist anschlussfähig – auch für Menschen, die sich gar nicht als rechtsextrem sehen. Wer etwa bei Querdenken- oder AfD-Demos mitläuft und Verschwörungstheorien nachplappert, wird Teil eines Klimas, in dem jüdisches Leben nicht mehr sicher ist. Das ist keine Debatte. Das ist eine Gefahr.
 

Die postkoloniale Linke – moralische Selbstüberhöhung und zynische Doppelmoral

Doch mindestens ebenso gefährlich ist der Antisemitismus, der sich im akademischen Duktus, in Konferenzräumen und in vermeintlich progressiven Bewegungen einnistet. Die postkoloniale Linke, vor allem ihr akademisch-radikaler Teil, hat ein Problem mit Jüdinnen und Juden – nicht trotz, sondern gerade wegen ihrer eigenen Fixierung auf Macht, Privilegien und Opferstatus.

In ihrer Welt ist Israel kein Zufluchtsort für Überlebende des Holocausts, sondern ein „Siedlerkolonialstaat“. Zionismus wird nicht als legitime Selbstbestimmung eines über Jahrhunderte verfolgten Volkes verstanden, sondern als Ausdruck weißer Vorherrschaft. Wer so argumentiert, hat nichts verstanden – weder von Geschichte noch von Gegenwart. Und schlimmer noch: Er instrumentalisiert die Shoah, relativiert sie und benutzt sie, um neue Schuldzuweisungen zu konstruieren.

Wer Israel dämonisiert, wer den jüdischen Staat an den Pranger stellt, ohne das Existenzrecht je anzuerkennen, wer „Free Palestine from the river to the sea“ ruft, sagt in Wahrheit: „Schafft Israel ab“. Und das ist kein „Akt der Solidarität“, sondern ein Angriff auf jüdisches Leben – in Israel wie in Europa.

„Pro-palästinensische” Demonstranten bei einer Demonstration in London am 25. Juni 2024. Die rot gefärbten Hände sollen das "Blut an den Händen Großbritanniens" durch Beteiligung am vermeintlichen "Genozid in Gaza" symbolisieren, erinnern aber an ein ikonisches Foto nach einem Lynchmord an zwei Israelis im Jahr 2000: Damals hatte einer der palästinensischen Mörder seine blutigen Hände der jubelnden Menge vor einem Polizeirevier triumphierend entgegengestreckt. Alisdare Hickson / fickr / CC BY-NC-SA 2.0 / creativecommons.org/licenses/by-nc-sa/2.0/
„Pro-palästinensische” Demonstranten bei einer Demonstration in London am 25. Juni 2024. Die rot gefärbten Hände sollen das "Blut an den Händen Großbritanniens" durch Beteiligung am vermeintlichen "Genozid in Gaza" symbolisieren, erinnern aber an ein ikonisches Foto nach einem Lynchmord an zwei Israelis im Jahr 2000: Damals hatte einer der palästinensischen Mörder seine blutigen Hände der jubelnden Menge vor einem Polizeirevier triumphierend entgegengestreckt.

Es ist eine perfide Strategie: Die Täterpose wird mit der Opferrolle verwechselt. Der Holocaust wird aus der Erinnerung gedrängt und ersetzt durch eine angeblich „globale koloniale Matrix“, in der Jüdinnen und Juden plötzlich zu „Teilhabern“ an Machtstrukturen erklärt werden – und damit zur Zielscheibe.
 

Antisemitismus ist keine Meinung – er ist ein Angriff auf unsere Grundordnung

Es gibt in Deutschland keine legitime Form von Antisemitismus. Nicht im Namen der Nation, nicht im Namen der Religion, nicht im Namen der Gerechtigkeit. Es ist unerträglich, wenn sich politische Kreise, die sonst bei jedem Hauch von Diskriminierung aufschreien, in Schweigen hüllen, sobald Jüdinnen und Juden bedroht, beleidigt oder ausgeschlossen werden – sei es auf der Straße oder auf Podien, an Universitäten oder in Redaktionen.

Wer den Antisemitismus der Rechten lautstark verurteilt, aber schweigt, wenn Israel-Fahnen verbrannt werden, macht sich mitschuldig. Wer gegen Rassismus kämpft, aber jüdische Stimmen systematisch diffamiert, verliert jede Glaubwürdigkeit. Und wer das Existenzrecht Israels in Frage stellt, der stellt sich außerhalb unseres demokratischen Grundkonsenses.
 

Schluss mit der Scheinheiligkeit

Wir brauchen keine Debatte darüber, ob es Antisemitismus in linken, postkolonialen, muslimischen oder rechten Milieus gibt. Die Fakten liegen auf dem Tisch. Was wir brauchen, ist eine klare Haltung: Wer sich gegen Antisemitismus stellt, muss das universell tun – ohne Doppelmoral, ohne Angst vor Twitter-Stürmen oder intellektueller Repression durch vermeintliche „Diskurshüter“.

Es darf kein „Aber“ mehr geben: Kein „Ich bin gegen Antisemitismus, aber…“ Kein „Israel ist ja auch nicht ohne…“ Kein „Das muss man aus einer postkolonialen Perspektive sehen…“ Schluss damit. Antisemitismus ist keine Interpretationsfrage. Er ist eine Realität. Und es ist unsere Pflicht, ihn zu bekämpfen – überall, wo er auftritt.


Andreas Büttner ist seit Juni 2024 Beauftragter zur Bekämpfung des Antisemitismus im Land Brandenburg.

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