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Reportajes internacionales

Die Regierung Pastrana drei Jahre nach Amtsantritt

de Ulrich Laute
Am 7. August 2001 jährte sich der Amtsantritt von Kolumbiens Staatspräsident Andrés Pastrana Arango zum dritten Mal. Von Medien und politischer Öffentlichkeit wurde dieses Datum zum Anlass für eine Zwischenbilanz der bisherigen Regierungszeit und einen Ausblick auf das letzte Amtsjahr des konservativen Staatspräsidenten genutzt, der sich nach der kolumbianischen Verfassung nicht um eine Wiederwahl bewerben kann.

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Während die Umfragewerte der Regierung - bedingt durch die Verschärfung des bewaffneten Konflikts und die anhaltende Wirtschaftskrise - weiterhin auf einem sehr niedrigen Niveau verharren, fällt das Urteil der meisten politischen Beobachter wesentlich differenzierter aus. Bei aller Kritik im einzelnen gestehen auch politische Gegner Pastranas zu, dass der Präsident u.a. mit der Aufnahme des Friedensprozesses mit den FARC, der Wiederherstellung der internationalen Beziehungen Kolumbiens und den von ihm eingeleiteten wirtschaftlichen Strukturreformen strategische Grundentscheidungen getroffen hat, die über seine Amtszeit hinaus Bestand haben werden.

Die Bilanz des Friedensprozesses

Von Anfang an hat Pastrana die Suche nach einer dauerhaften Lösung des seit mehr als vier Jahrzehnten währenden bewaffneten Konflikts in den Mittelpunkt seiner Präsidentschaft gestellt. Mit großem persönlichen Einsatz und unter weit reichenden einseitigen Zugeständnissen der Regierung gelang es ihm, einen Friedensprozess mit der größten Guerrilla des Landes, den "Revolutionären Streitkräften Kolumbiens" (FARC) einzuleiten, dessen Ergebnisse allerdings aufgrund der mangelnden Kompromissbereitschaft der Guerrilla unbefriedigend sind. Zwar konnten sich Regierung und FARC im Januar 2000 auf einen Verhandlungsmechanismus einigen, doch kamen die inhaltlichen Gespräche seitdem kaum voran.

Enttäuscht wurden auch die Hoffnungen auf Fortschritte bei der Beachtung der Menschenrechte und des Humanitären Völkerrechts. Entgegen den Vorschlägen der Regierung bestanden die FARC auf "Verhandlungen inmitten des Krieges". So setzte die Guerrilla ihre terroristischen Aktivitäten unvermindert fort und beging schwerste Verletzungen der Menschenrechte und des Humanitären Völkerrechts, darunter Entführungen, Vertreibungen, Massaker an der Zivilbevölkerung und die massive Zwangsrekrutierung Minderjähriger.

Einziges konkretes Ergebnis der Friedensgespräche in diesem Bereich war der Anfang Juni 2001 vereinbarte "humanitäre Gefangenenaustausch", der zur Freilassung von mehr als 300 Soldaten und Polizisten führte, die sich zum Teil seit Jahren in der Gewalt der Guerrilla befanden. Das Verhalten der FARC in den folgenden Wochen, insbesondere die verstärkten Gewaltaktionen gegen die Zivilbevölkerung, geben allerdings wenig Anhaltspunkte für deren Bereitschaft zu weiter reichenden Zugeständnissen in humanitären Fragen.

Enttäuschend verliefen auch die Gespräche mit der zweitgrößten Guerrillaorganisation ELN, die Anfang August an der mangelnden Kompromissbereitschaft der Guerrilla scheiterten. Haupthindernis war die Forderung der ELN nach der Schaffung einer entmilitarisierten Zone im mittleren Magdalenatal, die sich aufgrund des Widerstands der anderen Konfliktparteien - vor allem der paramilitärischen Gruppen - wie auch der betroffenen Gemeinden als nicht realisierbar erwies. Es ist zu befürchten, dass die ELN auf den Abbruch der Gespräche mit einer Eskalation des Terrors gegen die Zivilbevölkerung antworten wird. Erster Hinweis hierauf ist ein am 9. August von der ELN verübter Sprengstoffanschlag in San Francisco (Departement Antioquia), bei dem drei Kinder getötet und weitere 35 Menschen verletzt wurden.

Vor diesem Hintergrund kann es nicht überraschen, dass der Friedensprozess insgesamt in der Öffentlichkeit erheblich an Glaubwürdigkeit verloren hat. In Meinungsumfragen unterstützt nur noch eine Minderheit der Befragten eine Fortsetzung der Friedensgespräche mit den FARC in ihrer bisherigen Form. Gleichzeitig gewinnen Forderungen nach einem massiven militärischen Vorgehen gegen die Guerrilla zunehmend an Boden. Es zeichnet sich eine Polarisierung zwischen den Befürwortern einer politischen Konfliktlösung und den Wortführern einer "Politik der harten Hand" ab, die nicht ohne Risiken für die weitere innenpolitische Entwicklung ist.

Gleichwohl ist die bloße Tatsache, dass es gelungen ist, die Friedensgespräche mit den FARC zu institutionalisieren, als Erfolg zu werten. Zum einen wurde damit ein Mechanismus geschaffen, der zumindest mittelfristig zu einer politischen Lösung des Konflikts beitragen kann. Zum anderen setzen die Friedensgespräche die Guerrilla unter einen bisher nicht gekannten Legitimationszwang. Die politische Unterstützung für die FARC - wie auch für die ELN - ist zumindest in der städtischen Bevölkerung auf ein Minimum gesunken. Dieser Verlust an politischer Legitimität könnte auf Dauer mit dazu beitragen, die Guerrilla zu einer konzilianteren Verhandlungsposition zu bewegen.

Ein wesentliches Verdienst der Regierung Pastrana besteht ferner darin, erstmals die internationale Gemeinschaft in die Bemühungen um eine Friedenslösung eingebunden und die während der Regierungszeit seines Vorgängers Ernesto Samper verlorene Glaubwürdigkeit Kolumbiens auf internationaler Ebene wiedergestellt zu haben. Es wird als Erfolg dieser "Diplomatie für den Frieden" gewertet, dass sowohl die USA als auch die Europäische Union für eine Unterstützung des kolumbianischen Friedensprozesses gewonnen werden konnten.

Die anfangs auch in Kolumbien umstrittene Hilfe der USA bei der militärischen Bekämpfung des Drogenhandels wird inzwischen von einem breiten innenpolitischen Konsens getragen - auch wenn bestimmte Elemente dieser Strategie wie die systematische Besprühung der Drogenanbauflächen vor allem in den betroffenen Regionen auf heftigen Widerstand stoßen.

Mit Nachdruck hat sich die Regierung auch für eine Einbeziehung der internationalen Gemeinschaft in den Verhandlungsprozess selbst eingesetzt. Obwohl die mit den FARC vereinbarten Mechanismen von einer Verifikation noch weit entfernt sind, ist doch unverkennbar, dass die verstärkte internationale Öffentlichkeit dazu beiträgt, in Menschenrechtsfragen den Druck auf die Guerrilla zu erhöhen.

Große Beachtung fand in diesem Zusammenhang ein Anfang Juli 2001 vorgestellter Bericht der Menschenrechtsorganisation Human Rihts Watch, in dem die Menschenrechtsverletzungen und die Verstöße der FARC gegen das Humanitäre Völkerrecht umfassend dokumentiert werden. Es bleibt zu hoffen, dass sich der verstärkte internationale Druck auf Dauer positiv auf die Verhandlungsposition der Guerrilla auswirkt.

Neben der "Internationalisierung des Friedensprozesses" wird die Reform der Streitkräfte von zahlreichen Beobachtern als einer der wichtigsten Erfolge der Regierung Pastrana gesehen. In der Tat hat das traditionell schwache und schlecht ausgebildete kolumbianische Militär inzwischen erheblich an Professionalität gewonnen. Gleichzeitig ist die Zahl der Menschenrechtsverletzungen, die Angehörigen der Streitkräfte zur Last gelegt werden, kontinuierlich zurückgegangen.

Die Modernisierung des Militärs ist in zweierlei Hinsicht von Bedeutung: Zum einen sind Fortschritte bei den Friedensgesprächen nach den bisherigen Erfahrungen nur vorstellbar, wenn die Guerrilla auch militärisch unter Druck gerät. Zum anderen aber ist die Stärkung von Militär und Polizei unverzichtbare Voraussetzung dafür, dass der Staat auf Dauer einen wirksamen Schutz der Zivilbevölkerung gewährleisten kann. Nur auf diesem Wege erscheint es auch möglich, den Einfluss der ultrarechten paramilitärischen Gruppen zurückzudrängen, deren explosionsartige Zunahme in den vergangenen Jahren wesentlich zur Verschärfung des Konflikts beigetragen hat.

Die wirtschaftlichen Strukturreformen

Im Jahre 1999 geriet Kolumbien nach jahrzehntelang stabilen Wachstumsraten in die schwerste Wirtschaftskrise seit Anfang der 50er Jahre. In der Folge kam es zu einer Zunahme der Armut, einem Kaufkraftverlust der Mittelschichten und einem beträchtlichen Anstieg der Arbeitslosigkeit. Zu den Ursachen der Krise gehörten - neben der politischen Instabilität und der Verschlechterung der Sicherheitslage - ein starker Anstieg der öffentlichen Verschuldung und eine damit verbundene konjunkturelle Überhitzung.

Als Reaktion auf die Krise schloss die Regierung eine Übereinkunft mit dem Internationalen Währungsfonds, in der sie sich zu einer strikten Konsolidierungspolitik verpflichtete. Ziel der Finanzpolitik der Regierung war es, durch eine Rückführung der öffentlichen Haushaltsdefizite den finanziellen Handlungsspielraum des Staates wiederzustellen. Neben einer strikten Ausgabendisziplin sollte dieses Ziel auch durch eine Reihe wirtschaftlicher Strukturreformen erreicht werden, zu denen u.a. eine Steuerreform, die Reform des Rentensystems sowie die Begrenzung der Transferzahlungen an die regionalen Gebietskörperschaften gehören sollten.

Bei der Konsolidierung der öffentlichen Haushalte konnten wichtige Erfolge erzielt werden. So ging die öffentliche Verschuldung Kolumbiens zwischen 1998 und 2001 von 5,6% auf 2,8% des BIP zurück, auch der Anteil der Auslandsverschuldung konnte entsprechend gesenkt werden. Als wichtiger Beitrag zur strukturellen Konsolidierung der öffentlichen Haushalte ist insbesondere die im Juni 2001 vom Kongress gebilligte Begrenzung der Transferzahlungen an Departements und Kommunen zu sehen. Wesentlich kritischer wird von Experten dagegen die Steuerreform betrachtet, deren Substanz durch politische Kompromisse mit der Kongressmehrheit erheblich verwässert wurde.

Die gesamtwirtschaftliche Entwicklung zeigt ebenfalls Anzeichen der Erholung, die vor allem auf eine beträchtliche Steigerung der Exporte zurückzuführen sind. Allerdings führt die Abschwächung der US-Konjunktur auch in Kolumbien zu einer spürbaren Beeinträchtigung der Wachstumsraten für das laufende Jahr, so dass eine positive Tendenz auf dem Arbeitsmarkt weiterhin nicht absehbar ist. Mit derzeit 18,6% weist Kolumbien nach offiziellen Angaben weiterhin die höchste Arbeitslosenquote Lateinamerikas auf. Die Schaffung geeigneter Rahmenbedingungen für die Verbesserung der Beschäftigungssituation wird daher zu den wichtigsten Prioritäten der Wirtschaftspolitik der kommenden Jahre gehören müssen.

Das Scheitern der "politischen Reform"

Eines ihrer zentralen Reformvorhaben konnte die Regierung Pastrana nicht durchsetzen: die Reform der politischen Institutionen. Diese verfolgte das Ziel, durch eine Reform von Wahl- und Parteienrecht geeignete Rahmenbedingungen für eine Modernisierung der politischen Parteien sowie eine Verbesserung der Repräsentativität des Kongresses zu schaffen. Obwohl die Notwendigkeit einer solchen Reform in weiten Teilen der politischen Öffentlichkeit unbestritten ist, erwiesen sich die Gegenkräfte im Kongress als stärker: Nach zwei vergeblichen früheren Versuchen scheiterte nunmehr auch der dritte Anlauf, die "politische Reform" über die parlamentarischen Hürden zu bringen.

Das Scheitern der "politischen Reform" macht auch deutlich, in welcher Weise der politische Handlungsspielraum der Regierung derzeit durch die Mehrheitsverhältnisse im Kongress eingeschränkt wird. Die Allianz aus Konservativen und Teilen der Liberalen Partei, auf die sich Pastrana in der ersten Hälfte seiner Amtszeit stützen konnte, zerbrach im Frühjahr 2000 auf dem Höhepunkt einer innenpolitischen Machtprobe zwischen Regierung und Kongress.

Der Präsident hatte einen schweren Korruptionsskandal im Kongress zum Anlass genommen, die "politische Reform" zum Gegenstand eines Referendums zu machen, das u.a. die vorzeitige Auflösung des Kongresses vorsah. Der massive Widerstand der Liberalen zwang Pastrana zum Einlenken und dazu, den politischen Konsens mit der Opposition zu suchen. Obwohl es der Regierung gelang, ihre politische Handlungsfähigkeit - u.a. durch Einbindung führender Liberaler in das Kabinett - wiederzugewinnen, muss sie seitdem ohne eigene parlamentarische Mehrheit regieren.

Zusätzlich wird die politische Handlungsfähigkeit des kolumbianischen Präsidenten durch das Verbot der unmittelbaren Wiederwahl und die im lateinamerikanischen Vergleich kurze Amtszeit von vier Jahren beschränkt. So wird das verbleibende letzte Amtsjahr von Präsident Pastrana ganz im Zeichen des Wahlkampfs stehen, was den Spielraum für politische Richtungsentscheidungen von vorn herein vermindert. Neben der Fortsetzung der wirtschaftlichen Konsolidierungspolitik wird sich die Regierung daher vor allem auf ein Ziel konzentrieren: den Friedensprozess unumkehrbar zu machen. Viel wird dabei davon abhängen, ob es in den Friedensgesprächen mit den FARC zu Fortschritten in humanitären Fragen kommt. Sollte dies der Fall sein, könnte das auch den Ausgang der Präsidentschaftswahlen wesentlich beeinflussen.

Sicherlich wäre es verfrüht, aus heutiger Sicht eine abschließende Bewertung der Amtszeit von Andrés Pastrana vornehmen zu wollen. Es besteht aber Grund zu der Annahme, dass das Urteil im historischen Rückblick günstiger ausfallen wird als es das gegenwärtige Stimmungsbild zum Ausdruck bringt. Konsequent und ohne Rücksicht auf seine persönliche Popularität verfolgt der Präsident das Ziel einer politischen Lösung des seit mehr als 40 Jahren dauernden bewaffneten Konflikts. Erst die kommenden Jahre werden erweisen, ob der von ihm eingeschlagene Kurs erfolgreich sein wird.

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