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Reportajes internacionales

Eine neue politische Eiszeit in Weißrussland

Die Ereignisse der letzten Wochen haben gezeigt: Belarus ist so weit wie noch nie von Europa entfernt, die Basis für Gespräche mit dem Regime ist geschwunden. Nach dem beinahe Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Washington hat eine neue Eiszeit begonnen.

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Die politische Entwicklung in Belarus in den ersten vier Monaten 2008 hat deutlich gemacht, dass offizielle Kontakte mit Minsk nicht der Weg sind, eine demokratische Veränderung im Land anzustoßen. Lukaschenko ist zu einem konstruktiven Dialog mit Europa, der die Themen Demokratie und Menschenrechte einschließt, nicht bereit. Indem die EU-Botschafter Ende April der jährlichen Ansprache Lukaschenkos an die Nation geschlossen fernblieben, zeigten sie, dass sich die EU zukünftig noch stärker an den Taten des Regimes orientieren und den verbalen Stellungnahmen von Lukaschenko oder von Vertretern des Staatsapparates kein größeres Gewicht mehr beimessen wird.

Das Jahr 2008 begann mit widersprüchlichen Signalen: Überraschend wurden politische Gefangene freigelassen, wobei Lukaschenko die Freilassungen expressis verbis nicht aus Überzeugung, sondern als ein Zugeständnis an die EU verfügte. Gleichzeitig gab es jedoch bei Protestkundgebungen von klein- und mittelständischen Unternehmern im Januar die rituellen hohen Geldstrafen und kurzzeitige Inhaftierungen von zahlreichen Demonstranten. Zudem blieb Alexander Kosulin, ein Präsidentschaftskandidat der Opposition von 2006, in Haft. Und Luka-schenko zeigte nach dem Tod von Irina Kosulina, als Alexander Kosulin erst nach massivem internationalen Druck erlaubt wurde, am Begräbnis seiner Frau teilzunehmen, dass er keine Gelegenheit auslassen würde, seine politischen Opponenten auf zynische Art und Weise zu erniedrigen.

Es folgten – ebenfalls überraschend in der Härte – die Auflösung der friedlichen Kundgebung am 25. März, dem inoffiziellen Unabhängigkeitstag von Belarus sowie die Ereignisse vom 27./28. März, als der KGB bei landesweiten Hausdurchsuchungen zahlreiche Computer von unabhängigen Journalisten konfiszierte, die überwiegend für europäische Radio- und Fernsehsender arbeite-ten. Schließlich wurden am 23.04 zehn Jugendliche, die an den Protesten der Unternehmer im Januar teilgenommen hatten, zu Gefängnis- und zu hohen Geldstrafen verurteilt in einem Prozess, der rechtsstaatlichen Standards offen Hohn sprach und deutlich machte, dass es für demokratische Akteure in Belarus absolut keine Rechtssicherheit mehr gibt. In seiner jährlichen Ansprache vor dem Parlament am 29.04. bewies Lukaschenko dann noch einmal, dass Europa keine Hoffnungen in einen Dialog mit ihm setzen darf. Zu grundverschieden sind of-fenbar die Wahrnehmungsmuster und vor allem das politische Verständnis von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit bzw. der Achtung von Menschenrechten, die ein integraler Bestandteil der europäischen Politik sind. Als pars pro toto fungiert hier die Frage nach den politischen Gefangenen, bei der Lukaschenko die europäische Position wie folgt kommentierte: „Dann versuchen sie (gemeint ist der Westen, SM) auch noch, gewöhnliche Rowdys als Helden darzustellen – und sie haben für sie sogar einen Namen erfunden: politische Häftlinge, von denen es angeblich sechs in unserem Land gibt.“

Die innenpolitischen Ereignisse wurden in den letzten Wochen begleitet von einem es-kalierenden diplomatischen Konflikt zwischen Belarus und den USA: Im Februar hatten die Amerikaner auf Grund der Menschenrechtssituation in Belarus ihre im November 2007 verkündeten Wirtschaftssanktionen gegen Belneftechim, einen der größten belarussischen Konzerne, konkret definiert, entsprechende Konten eingefroren und dadurch eine scharfe Reaktion von Minsk provoziert: Über mehrere Etappen wurden die USA zur Abberufung ihrer Botschafterin aus Belarus und zur schrittweisen Reduzierung des diplomatischen Personals an der Botschaft in Minsk gezwungen, an der, nachdem Ende April 10 Mitarbeiter zu personae non grata erklärt wurden, seit dem 03. Mai nur noch vier Diplomaten arbeiten. Auch ein vollständiger Abbruch der diplomatischen Beziehungen zwischen Belarus und den USA ist nun nicht mehr auszuschließen.

Die amerikanische Konkretisierung der Wirtschaftssanktionen kam sicherlich zu einem unglücklichen Zeitpunkt, als nämlich über die Freilassung der politischen Gefangenen verhandelt wurde. Auch hilft den USA die quasi Schließung ihrer Botschaft in Minsk nicht dabei, die demokratischen Kräfte im Land weiter aktiv zu unterstützen. Gleichwohl zeigt die gereizte Reaktion der belarussischen Regierung, dass mit den Sanktionen ein wunder Punkt getroffen wurde. Deshalb ist auch die Solidarisierung der EU mit den USA, die von der slowenischen Ratspräsdentschaft am 07. Mai offiziell erklärt wurde, ein immens wichtiges Signal an die Führung in Minsk: Dieses Mal gelingt es Lukaschenko nicht, einen Keil zwischen die amerikanische und europäische Politik gegenüber Belarus zu treiben. Dass er genau das intendiert hatte, scheint offensichtlich: Der erzwungene Abzug von ingesamt 30 amerikanischen Diplomaten aus Belarus verlief parallel zur Vorbereitung der Eröffnung einer EU-Delegation in Minsk.

Es ist ermutigend, dass sich Europa nicht von den Taschenspielertricks Lukaschenkos täuschen lässt und sich offenbar auf eine noch entschiedenere Politik gegenüber Minsk vorbereitet. Ein nächster Schritt wäre denkbar die Konkretisierung der 12 Punkte aus dem Strategiepapier „What the EU could bring to Belarus“, in dem Ende 2006 Angebote an Belarus formuliert wurden für den Fall, dass das Land einen Demokratisierungsprozess einleitet: So könnte für die belarussische Bevölkerung viel präziser formuliert werden, was sie bei einer demokratischen Entwicklung in Belarus an Vorteilen durch verbesserte Beziehungen mit Europa gewinnt. Zudem sollte sich auch das Regime vollkommen darüber im Klaren sein, welche konkreten Schritte von ihm erwartet werden, wenn sich die EU auf Belarus zubewegen soll.

Bleibt die Frage nach den Akteuren im Land, die Träger eines demokratischen Wandels sein könnten. Die erschreckend geringe Beteilung am Tschernobyl Marsch der Opposition Ende April hat gezeigt, dass die etablierten demokratischen Kräften den Kontakt zur Bevölkerung vollends verloren haben. Weder ist in den letzten beiden Jahren eine personelle Alternative zu Lukaschenko aufgebaut worden, noch gibt es ein nennenswertes politisches Programm für demokratische Reformen im Land. Auch die schleppende Vorbereitung auf die Parlamentswahlen im September zeigt, dass die Opposition keine Anstalten macht, sich aus der eigenen Bedeutungslosigkeit herauszubewegen. Anstatt dieses konzept- und ideenlose Lavieren weiter zu unterstützen, scheint es notwendiger denn je, konkrete Beratungsangebote von außen an die demokratischen Kräfte in Belarus zu entwickeln und die führenden Politiker nachdrücklich dazu aufzufordern, sich nicht nur deklarativ, sondern auch inhaltlich auf die Situation in Belarus nach Lukaschenko vorzubereiten.

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