Publicador de contenidos

Reportajes internacionales

ETA tötet zwei Tage vor der Wahl.

de Michael Däumer, Sebastian Grundberger, Malte Kähler

Nach Mord an ehemaligen sozialistischem Stadtrat beenden alle Parteien vorzeitig den Wahlkampf

Unmittelbar vor den spanischen Parlamentswahlen am 9. März hat sich die ETA blutig zurückgemeldet. Terroristen erschossen am Freitagmittag einen ausgeschiedenen Stadtrat der PSOE vor den Augen seiner Frau und seiner Tochter. Damit sind die schlimmsten Befürchtungen des spanischen Innenministeriums wahr geworden. Alle Parteien verurteilten umgehend den Anschlag und einigten sich, die für den Abend geplanten Abschluss-kundgebungen abzusagen. Auch die Antiterrorverbände wollen auf Demonstrationen vor den Wahlen verzichten. Die ETA dürfe nicht das „demokratische Leben“ der Spanier bestimmen.

Publicador de contenidos

Spanien steht wieder unter Schock. Wie bereits unmittelbar vor den Wahlen im Jahr 2004 ist auch in diesem Jahr der Terrorismus in den Wahlkampf eingebrochen. Der 42jährige ehemalige sozialistische Stadtrat von Mondragón in der baskischen Provinz Guipuzcoa, Isaías Carrasco, verstarb am 7. März um 14.50 Uhr im Krankenhaus an seinen schweren Schussverletzungen. Carrasco hatte um 13.30 Uhr gerade sein Wohnhaus verlassen, als ein Unbekannter mehrere Schüsse auf ihn abfeuerte. Von diesen trafen ihn zwei in den Hals und den Kopf. Eine benachbarte Zeugin gab im Fernsehen einen dramatischen Zeugenbericht: „Ich war in meinem Zimmer und hörte drei Schüsse. Darauf habe ich aus dem Fenster geblickt und sah die Frau und die Tochter Carrascos schreien ‚Mörder, Sie haben ihn umgebracht’. Der Mann hatte die ganze Brust voller Blut“. Eine Freundin der Tochter des Ermordeten berichtete, diese habe ihrem Vater vor dessen Tod noch mit den Worten „Du wirst es schon schaffen“ Mut zugesprochen.

Carrasco hatte sich bereits aus dem aktiven politischen Leben verabschiedet und hatte sich deshalb entschieden, auf Bodyguards zu verzichten. Die Straße, in der er lebte, war nicht sehr zentral gelegen, weshalb die Polizei meinte, die ETA hätte sich das „leichteste“ Ziel ausgewählt. Der Ermordete hinterlässt seine Frau und zwei Töchter (20 und 17 Jahre alt) sowie einen vierjährigen kleinen Sohn.

Wie die Presseagentur „Europa Press“ berichtete, war der Attentäter vermummt und trug Spekulationen zufolge einen falschen Bart. Er schaffte es, mit einem Wagen zu entfliehen, in dem möglicherweise ein Komplize auf ihn wartete.

Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero wurde über das Attentat informiert, als er sich gerade auf einer Wahlkampfveranstaltung in Málaga befand. Als ihm vor laufender Kamera die Nachricht ins Ohr geflüstert wurde, versteinerte sich seine Miene. Er winkte noch kurz in die Menge, versuchte noch einmal zu lächeln und verließ dann zügig die Veranstaltung, um sofort in seinen Madrider Amtssitz „La Moncloa“ zurückzukehren. Dort verlas Zapatero um 17 Uhr eine Erklärung, in der er das „abscheuliche“ Attentat aufs schärfste verurteilte. Die Terroristen hätten sich in die „friedlichen Ausdruck des Volkswillens an den Urnen“ einmischen wollen. Zapatero versicherte jedoch, die spanische Demokratie erlaube keine Angriffe gegen ihre Grundprinzipien. Der ETA stehe „kein anderes Schicksal als ihr Verschwinden“ bevor und ihren Mitgliedern keine andere Zukunft als das Gefängnis.

Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba erklärte: „Heute ist die ETA dazu zurückgekehrt, einen Menschen zu töten und eine Familie zu zerstören. Diejenigen, die das getan haben, können sich einer Sache sicher sein, nämlich dass sie vor den Gerichten und schließlich hinter Gittern landen werden.“

Oppositionsführer Mariano Rajoy brachte im Namen seiner Partei seine „größtmögliche Verurteilung“ des Anschlags zum Ausdruck: „Heute ist ein Tag der Trauer und wir alle sollten bei der Familie von Isaías Carrasco sein. Wir müssen uns alle gegen die ETA vereinen. Die Schuldigen dieses Verbrechens sind die Terroristen, die Mörder der ETA. Unsere einzige Option besteht darin, die ETA mit dem Gesetz, mit den Instrumenten des Rechtsstaates, den Sicherheitskräften und dem unbestechlichen Einsatz der 45 Millionen Spanier, die wir diese große Nation formen, die sich Spanien nennt, zu besiegen. Keiner solle irgendwelche Zweifel daran hegen, dass ETA „besiegt“ würde und „diese Schlacht“ nicht gewinnen könne.

Nur wenige Minuten nach dem ETA-Anschlag telefonierten beide Präsidentschaftskandidaten umgehend miteinander und vereinbarten, mit sofortiger Wirkung jeglichen Wahlkampf einzustellen und die Ergebnisse des Urnengangs am Sonntag abzuwarten. Die für Freitagabend angesetzten Wahlkampfabschlusskundgebungen wurden abgesagt. Zapatero, Rajoy und die Repräsentanten der übrigen Parteien wurden stattdessen um 18.00 Uhr in das spanische Parlament einberufen, um eine gemeinsame Erklärung abzugeben.

Auch die Regionalparteien verurteilten einhellig das Attentat. Im Unterschied zu PP und PSOE entschloss sich die katalanische CiU jedoch, ihre Wahlkampfabschlusskundgebung durchzuführen. Allerdings soll die Kundgebung zu einem gemeinsamen Akt der Verurteilung des ETA-Terrors umgedeutet werden. Dabei wird der Christdemokrat und CiU-Spitzenkandidat Josep Antoni Duran i Lleida als einziger Kandidat auftreten. Bereits im Vorfeld der Veranstaltung betonte Duran, die ETA werde „die Schlacht gegen die Demokratie“ nicht gewinnen. Die ETA müsse wissen, dass „die Demokratie und die Menschenrechte sich gegen die Barbarei“ durchsetzen würden.

Josu Erkoreka, Fraktionsvorsitzender der Baskischen Nationalistenpartei (PNV), forderte die Bevölkerung auf, am Sonntag „massiv“ an die Wahlurnen zu gehen. Dies sei die beste Möglichkeit, den Widerstand gegen die Intoleranz und die gefährlichen Ideen der ETA auszudrücken.

Noch bevor die spanischen Parteien irgend eine Reaktion veröffentlichten, verbreitete der Verband der Terroropfer (AVT) auf seiner Homepage eine Erklärung, in der er nicht nur das neue Attentat verurteilte, sondern auch die Spanier im ganzen Land aufrief, spanische Flaggen mit schwarzem Trauerflor aus den Fenstern zu hängen. Entgegen ihren sonstigen Gepflogenheiten will die AVT jedoch auf Großdemonstrationen am Samstag verzichten. Es dürfe nicht sein, dass die ETA das „demokratische Leben der Spanier“ bestimme. Nach spanischem Gesetz ist der Samstag ein „Reflektionstag“, an dem jegliche politischen Kundgebungen und Wahlaufrufe verboten sind. Aus diesem Grund kamen die Parteien überein, jegliche Demonstrationen gegen die ETA auf den Montag zu verschieben. Diesem Vorhaben schloss sich auch die AVT an. Allerdings verknüpfte sie ihre Verurteilung des Anschlags mit politischen Forderungen. Es sei „dringend notwendig“, zu einem „Pakt der Freiheit und gegen den Terror“ zurückzukehren und dass man ohne Zugeständnisse das Parteiengesetz anwendet“, welches ETA-nahen Parteien wie der kürzlich von den Wahlen ausgeschlossenen ANV die Legalität abspricht.

Gegen den erbitterten Widerstand der PP hatte die spanische Regierung zugelassen, dass sich die linksextreme ANV zu den baskischen Kommunalwahlen im Mai 2007 antreten konnte. Dies ermöglichte der Partei, rund zwei Dutzend Bürgermeisterposten zu gewinnen. Eine der Bürgermeisterinnen der ANV, Inocencia Galparsoso, regiert ausgerechnet in Mondragón, dem Schauplatz des jüngsten ETA-Anschlags. Und ausgerechnet Galparsoso, die sich weigert, die ETA-Anschläge zu verurteilen, war die erste Amtsträgerin, die sich dem Krankenhaus näherte, um der Familie des ermordeten ehemaligen sozialistischen Politikers ihr Beileid auszudrücken. Die Familie weigerte sich jedoch nachdrücklich, die Bürgermeisterin zu empfangen, so dass sie das Krankenhaus unverrichteter Dinge verlassen musste.

Konsequenzen für die Wahl am kommenden Sonntag sind zwar nicht auszuschließen, doch gilt es als wahrscheinlich, dass die großen Volksparteien PP und PSOE weder Vor- noch Nachteile aus dem tödlichen Attentat im Baskenland ziehen werden. Der feige ETA-Mord kurz vor der Parlamentswahl ist zwar politisch bedingt, um daran zu erinnern, dass die ETA noch mit voller Kraft beliebig töten kann, doch handelte es sich bei dem Opfer um ein „weiches“ Ziel, welches zu ermorden der ETA kaum Probleme bereitete. Ein Vergleich zu den Attentaten von vor vier Jahren, als Rucksackbomben verschiedene Vorortzüge auseinander rissen und 191 Menschen in den Tod nahmen, ist nicht zu ziehen. Dafür sind Täterschaft und Art der beiden Attentate zu unterschiedlich. Und dennoch kann bis zur Wahl am Sonntag noch viel geschehen. Sollten weitere Details über den Mord herauskommen, die für die Regierung in Madrid unangenehm sein könnten, wäre eine Auswirkung auf die Wahl durchaus noch denkbar. Inzwischen aber trauert Spanien.

Compartir

Publicador de contenidos

comment-portlet

Publicador de contenidos

Publicador de contenidos

Sobre esta serie

La Fundación Konrad Adenauer está representada con oficina propia en unos 70 países en cinco continentes . Los empleados del extranjero pueden informar in situ de primera mano sobre acontecimientos actuales y desarrollos a largo plazo en su país de emplazamiento. En los "informes de países", ellos ofrecen de forma exclusiva a los usuarios de la página web de la fundación Konrad Adenauer análisis, informaciones de trasfondo y evaluaciones.

Obtener información sobre pedidos

erscheinungsort

Sankt Augustin Deutschland