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Reportajes internacionales

Kaliningrad: wie geht es weiter?

In Kaliningrad wartet man auf den Rußland-EU-Gipfel am 11. November 2002 in Kopenhagen, auf dem seine Zukunft weiter diskutiert werden soll.

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30 km von Kaliningrad - dem ehemaligen Königsberg - entfernt liegt die russisch-polnische Grenze, der Grenzort heißt heute Bagrationowsk. Bei normaler Grenzabfertigung wäre man in einer Stunde in Polen und in 6-7 Stunden mit dem Auto in Berlin. Hieran ist allerdings gar nicht zu denken, denn im Oblast Kaliningrad verdienen ca. 40.000 Menschen am kleinen Grenzverkehr, dem russisch-polnischen Handel. Auf der russischen Seite erwarten den Reisenden daher endlose Schlangen von Pkw's und Lkw's, private Händler fahren nach Polen, um dort Zigaretten, Wodka und Benzin zu verkaufen. Diese Waren seien in Polen ungefähr doppelt so teuer wie in Russland. Die Wartezeit für den Grenzübertritt beträgt in der Regel 12-24 Stunden, besonders Schlaue haben daher ein zusätzliches Geschäft entdeckt: Sie verkaufen Plätze weit vorn in der Schlange für derzeit 20-25 Euro. Geschäftsreisende und Touristen nehmen dies gerne in Anspruch, da manch einem bei solch langen Wartezeiten der Geduldsfaden reißt.

Was erwartet den reisenden Händler, wenn Polen 2004 Mitglied der Europäischen Union wird?

Spätestens 2004 wird Polen Einreisevisa verlangen mit allen Formalitäten, die bei einem EU-Visum erforderlich sind. Das Visum bekäme man bei der konsularischen Vertretung Polens in Kaliningrad, die polnische Seite stellt hier viele Erleichterungen in Aussicht, von Jahresvisa bis Express-Bearbeitung. Bisher benötigt der Kaliningrader einen gültigen Reisepass für die Einreise nach Polen, braucht aber kein Visum, sondern kauft sich an der Grenze lediglich einen Voucher für 0,5 Euro. Dies vereinfacht natürlich den Grenzübertritt, hat aber chaotische Verhältnisse an der Grenze zur Folge und trägt auch nur sehr wenig zu einer stabilen Entwicklung der Region bei. Trotzdem beharren die Kaliningrader darauf, dass alles so bleibt, wie es ist, schließlich hingen so viele Arbeitsplätze davon ab.

Natürlich kommt man auch mit der Bahn und dem Flugzeug nach Polen und weiter nach Deutschland, vor allem die jungen Leute fühlen sich auch eher zu diesen Ländern hingezogen als in den anderen Teil der Russischen Föderation. So erzählte man uns in der Kaliningrader Universität, dass 60% der Studenten noch nie „in der Russischen Föderation“ waren. 1.300 km sind es von Kaliningrad nach Moskau, aber dort wird entschieden, wie die Zukunft der Enklave weiter verlaufen soll.

Um auf dem Landweg von Russland nach Russland zu kommen, muß man das Transitland Litauen durchfahren. Seit Monaten ist gerade dieser Umstand in den russischen Schlagzeilen, denn Litauen beabsichtigt mit der Mitgliedschaft in der Europäischen Union 2004 bereits ab Januar 2003 Visa auch für den Transitverkehr einzuführen. Bisher benötigte der Kaliningrader für die Einreise nach Litauen nur den Inlandspass (eine Form des Personalausweises) und ein Einlageblatt für den Stempel beim Grenzübertritt. Für die Einreise mit dem Auto hat die russische Seite in Verhandlungen mit der EU nunmehr die Ausstellung eines Visums akzeptiert, die EU hatte statt eines Visums zudem ein sogenanntes „facilitated transit document“ vorgeschlagen. Häufiger wird allerdings vom Transit mit der Bahn gesprochen, denn der überwiegende Teil der Reisenden benutzt dieses Verkehrsmittel, das noch relativ preisgünstig ist.

Seit einigen Tagen ist die Option von plombierten Waggons, die auf litauischem Gebiet nicht halten dürfen, immer öfter im Gespräch. Für den Transitweg braucht man dann kein Visum, aber die Erinnerung an den Kalten Krieg wird wieder lebendig und aus Gesprächen in Kaliningrad ist eindeutig herauszuhören, dass man sich bei dieser Lösung alles andere als wohl fühlt. Natürlich möchte man, dass alles so einfach bleibt wie bisher, die regionalen Entscheidungsträger verfolgen hier Interessen, die in Moskau durchaus gesehen und anerkannt werden.

Im Vordergrund der Diskussionen um Kaliningrad steht ganz eindeutig die Visumsfrage, die Chancen, die eine EU-Erweiterung vor allem wirtschaftlich für das Gebiet bringen könnte, werden kaum mehr diskutiert. So macht auch Moskau seine beträchtlichen Fördermittel (3 Milliarden US$), die für den Ausbau der Infrastruktur in der Region bis 2010 aus dem Haushalt vorgesehen sind, von der Transitfrage und der Einigung hierzu mit der EU abhängig. Es fließt daher kaum Geld aus Moskau und das neue Gesetz über die Weiterführung der Sonderwirtschaftszone Kaliningrad liegt ebenfalls auf Eis.

Bedenklich ist in diesem Zusammenhang, dass in der Bevölkerung immer mehr Stimmung gegen die Europäische Union aufkommt und die anfängliche Euphorie über die Chancen der europäischen Integration einer nüchternen bis negativen Sicht weicht. So ist der Vertreter des russischen Außenministeriums in Kaliningrad sogar der Ansicht, dass die Einschränkung der Bewegungsfreiheit mit Einführung der Visapflicht eine Menschenrechtsverletzung darstelle, die am Europäischen Gerichtshof einzuklagen sei und auf die eine Entschädigung zu folgen hätte. Opfer dieser Entwicklung wird nicht zuletzt die liberale, Europa-orientierte Reformpolitik des Oblast, die mit ihrem engagierten Gouverneur Jegorow und einem starken Mitte-Rechts-Bündnis in der Gebietsduma (von 27 Abgeordneten gehören 14 der Fraktion „Einheitliches Russland“ und 8 der „Union der Rechten Kräfte“ an) an Unterstützung in der Bevölkerung verliert.

Der Oblast Kaliningrad ist wirtschaftlich stark in der Papier-, Fleisch- und Pelzverarbeitung, insgesamt steigt die Industrieproduktion, aber es fehlen Investitionen vor allem aus dem Ausland. So steht z.B. Deutschland an fünfter Stelle der Länder mit den meisten Direktinvestitionen in Kaliningrad, und das sind lt. Angaben der deutschen Handelsvertretung von Kaliningrad gerade einmal 153.000 Euro im laufenden Jahr gewesen. 50% der Wirtschaft ist der Schattenwirtschaft zuzurechnen, hierüber wird offen gesprochen, man möchte nicht, dass durch die Einführung von Visa die Händler und Kleinstunternehmer arbeitslos und somit zu einem sozialen Problem werden. Alternative Beschäftigungsmöglichkeiten fehlen bisher aufgrund unzureichender Investitionen. Der Durchschnittslohn im Oblast liegt bei 70 US$/Monat, insgesamt beträgt der Lebensstandard Kaliningrads ungefähr 70% des gesamtrussischen Lebensstandards. 50% aller im Oblast erforderlichen Waren werden aus dem Ausland eingeführt.

Im Jahre 2005 begeht Kaliningrad sein 750-jähriges Bestehen, die Vorbereitungen zur bevorstehenden Feier sind bereits im Gange. Insbesondere an der Staatlichen Kaliningrader Universität hört man in dem Zusammenhang, dass die Bevölkerung Kaliningrads gerade in den letzten Jahren verstärkt nach einer eigenen Identität sucht und man daher mittlerweile wohlwollend und bewahrend mit der ostpreußischen Vergangenheit umgeht. Auf Vorbehalte gegenüber Deutschen trifft man sehr selten, deutsche Ortsnamen werden im gleichen Atemzug mit den russischen Namen genannt, an einen Mythos der Germanisierung glaubt man dagegen nicht. Bis heute ist der Oblast eine Umsiedlerregion, nur 45% der derzeitigen Bevölkerung ist in Kaliningrad geboren, noch in den 90-er Jahren kamen sehr viele aus den Staaten Zentralasiens nach Kaliningrad.

Eine traditionelle Landbevölkerung fehlte seit Ende des Zweiten Weltkrieges, daher der überall sichtbare Verfall gerade auch in den ländlichen Regionen.

Die Probleme des Oblast Kaliningrad liegen vor allem im Detail. Es geht um Visa- und Transitprobleme, den reibungslosen Güterverkehr von Russland nach Russland, die Energieanlieferungen über Litauen und den Ausbau des Kaliningrader Ostseehafens. Die Entwicklung eines stabilen Mittelstandes in der Region ist eine der vordringlichsten Aufgaben. Ohne die zugesagten Fördermittel aus Moskau und die Aufbauhilfe der EU gerät Kaliningrad immer stärker ins Abseits, umringt von Ländern, deren Wohlstand stetig wächst.

In Kaliningrad hat es im letzten Jahrzehnt viel politische Rhetorik gegeben, aber wenig greifbare Ergebnisse. Aus dem vielversprechenden „Hongkong an der Ostsee“ ist nichts geworden, jetzt wartet man auf den Rußland-EU-Gipfel am 11. November 2002 in Kopenhagen, auf dem die Zukunft Kaliningrads weiter diskutiert werden soll.

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Claudia Crawford

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