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Reportajes internacionales

Lesson learned? Isländischer Premier stolpert über verdeckten Interessenskonflikt

de Elisabeth Bauer, Nadja Cornelius-Pieplow

Die "Panama Papers" reißen alte Wunden in der Bevölkerung auf

Sigmundur Davíð Gunnlaugsson (Fortschrittspartei) ist einer der weltweiten Spitzenpolitiker, der im Zuge der „Panama Papers“ belastet wird. Nur zwei Tage nach dem Bekanntwerden seiner Briefkastenfirma auf den Jungferninseln, verkündete seine Partei seinen Rücktritt als Vorsitzenden. Der isländische Ministerpräsident selbst informierte daraufhin in einer Mail die internationale Presse, dass er seine Ämter nicht niederlegen, sondern lediglich eine unbestimmte Auszeit nehmen wolle. Ihm wird Vertrauensbruch vorgeworfen.

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Seine Anteile an der Offshore-Firma verkaufte er 2009 an seine Frau, für einen Dollar. Der Verdacht steht im Raum, dass er seine Position als Ministerpräsident zugunsten seiner privaten Interessen als Anleihegläubiger gegenüber den isländischen Banken ausgenutzt hat. Er selbst weist eine Schuld von sich.

Zum Lachen ist dem isländischen Noch-Ministerpräsidenten Sigmundur Davíð Gunnlaugsson (Fortschrittspartei) dieser Tage sicher nicht zumute. Seit Anfang April bekannt wurde, dass er mit einer Briefkastenfirma auf den britischen Jungferninseln Beträge in Millionenhöhe außer Landes geschafft haben soll, steht der Mitte-Rechts-Politiker stark unter Druck. Zwei Tage nach den Enthüllungen verkündete der Vizevorsitzende der Fortschrittspartei, Sigurður Ingi Jóhannsson, der Ministerpräsident werde von seinem Amt zurücktreten. Doch Gunnlaugsson schrieb anschließend in einer offiziellen E-Mail an die internationale Presse, er wolle lediglich „einen Schritt zur Seite treten“. Nach einem Treffen der beiden Koalitionspartner Fortschrittspartei und Unabhängigkeitspartei wurde jedoch am 7. April verkündet, dass die Regierung nun doch ohne Gunnlaugsson weitermachen wolle und Neuwahlen für den Herbst angesetzt seien. Jóhannsson werde zum neuen Ministerpräsidenten Islands. Die Opposition hingegen hält an ihrem Vorhaben eines Misstrauensvotums fest.

Sollte es tatsächlich zu Neuwahlen kommen, hätte die 2012 gegründete Piratenpartei gute Aussichten: Laut einer Umfrage im Januar 2016, noch vor den „Panama Papers“, würden rund 42 Prozent der Befragten für sie stimmen. Die regierenden Parteien lagen weit dahinter.

Hat Gunnlaugsson das Vertrauen der Isländer missbraucht?

Medien aus mehr als 80 Ländern, unter anderem die Süddeutsche Zeitung, lancierten am 3. April koordiniert Enthüllungen zu Inhabern von Offshore-Firmen aus aller Welt. Eine davon ist Wintris Inc., die Firma gehört Gunnlaugssons Frau Anna Sigurrlaug Pálsdóttir. Grundlage für die Behauptungen sind die Inhalte von internen Dokumenten von der in Panama angesiedelten Anwaltskanzlei Mossack Fonseca. Insgesamt wurden ca. 11 Millionen vertrauliche Dokumente dieser Kanzlei „geleakt“. Wer hinter dem massiven Datendiebstahl steht, ist unklar. Mosack Fonseca ist einer der weltweit größten Anbieter von Briefkastenfirmen in Steueroasen.

Aus den Dokumenten gehe laut Zeitungsberichten hervor, dass Gunnlaugsson im Dezember 2007 eine Kapitalgesellschaft namens Wintris Inc. zusammen mit seiner heutigen Ehefrau über eine luxemburgische Niederlassung der isländischen Landesbanki gegründet habe. Sitz der Firma: die britischen Jungferninseln. Den „Panama Papers“ zufolge, hält Wintris Inc. heute umfangreiche Forderungen gegen die drei großen isländischen Geschäftsbanken, diese waren im Zuge der Bankenkrise 2008 pleitegegangen. Wintris Forderungen belaufen sich laut „Süddeutscher Zeitung“ auf rund vier Millionen Dollar.

Von Seiten der Medien werden nach der Enthüllung der „Panama Papers“ vielerorts äußerst aggressive Stimmen gegen den isländischen Ministerpräsidenten laut. Die Firma seiner Frau, an der er bei Regierungsantritt als Noch-Eigner beteiligt war, ist Gläubigerin der drei großen pleitegegangenen Geschäftsbanken. Sowohl die Existenz seiner Firma als auch deren Forderungen gegenüber den Banken hielt Gunnlaugsson indes geheim. Ihm wird vorgeworfen, den Staat betrogen und einem Interessenskonflikt erlegen zu sein, als er als Ministerpräsident entscheiden musste, in welcher Höhe Anspruchsinhaber in Verbindung mit der Bankenkrise entschädigt werden sollen. Es stellt sich somit die Frage, ob sich Gunnlaugsson als Verhandlungsführer immer voll und ganz auf Seiten des Staates engagiert hat.

Gunnlaugsson in zweifelhafter Gesellschaft

Gunnlaugsson ist nur einer von mehreren Isländern, deren Namen in den „Panama Papers“ auftauchen. Zwei seiner Amtskollegen werden ebenso in den veröffentlichten Dokumenten erwähnt – Finanzminister Bjarni Benediktssons Name erscheint ebenso wie der der Innenministerin Ólöf Nordal. Doch damit nicht genug: In den Dokumenten tauchen noch Hrolfur Ölvisson, der Geschäftsführer der Fortschrittspartei, ehemalige Spitzenbanker, einige der reichsten Männer Islands sowie mindestens ein hochrangiger Regierungsberater auf. Sie alle sollen Briefkastenfirmen der besagten Kanzlei genutzt haben, ohne dies publik gemacht zu haben.

Ein Blick auf Gunnlaugssons Karriere

Anfang 2009 wurde Gunnlaugsson Vorsitzender der Fortschrittspartei, im April wurde er ins Parlament gewählt. Zeitgleich trat ein neues Transparenzgesetz in Kraft, demzufolge Abgeordnete Firmenanteile von mehr als 25 Prozent offenlegen müssen. Dieser Forderung kam Gunnlaugsson nicht nach. Stattdessen soll er seine Anteile an Wintris Inc. am 31. Dezember 2009 an seine Frau verkauft haben. Kaufpreis sei ein US-Dollar gewesen. Die Öffentlichkeit hat nichts davon erfahren. Gunnlaugsson selbst bestreitet, damit einen Fehler oder gar Betrug begangen zu haben. Seiner Meinung nach fielen Firmen, die nicht aktiv Geschäftvorgänge tätigen, nicht unter die Meldepflicht.

Am 23. Mai 2013 wurde Gunnlaugsson Ministerpräsident. Er wurde gewählt, weil er sich in der Finanzkrise als Vertreter isländischer Interessen darstellte. Als Mitglied der Bewegung „InDefence“ (In Defence of Iceland) stellte er sich gegen die Forderung Großbritanniens, für die Einlagen der britischen Sparer zu bürgen. Ein von der damaligen Mitte-Links-Regierung versuchter Kompromiss scheiterte und in drei abgehaltenen Volksabstimmungen gewann jedes Mal „InDefence“.

Saß Gunnlaugsson auf beiden Seiten des Verhandlungstischs?

In seiner Position als Ministerpräsident war Gunnlaugsson involviert an einigen Entscheidungen, welche die Ansprüche von Gläubigern der insolventen Banken betrafen. Eine davon beinhaltete, dass Gläubiger, die ihr Geld aus Island abzogen, lediglich einen so genannten „Stabilitätsbeitrag“ aus dem verbliebenen Vermögen der verstaatlichten Banken zahlen mussten. Damit wurde die zuvor gültige Regelung ersetzt, nach der bei Abzug von Geldern eine kostenintensivere 39-prozentige „Stabilitätssteuer“ zu zahlen war. Mit dieser Entscheidung, so schätzen Experten, entgingen dem isländischen Staat zwei Milliarden Euro. Ein ansehnlicher Betrag, der stattdessen an die Gläubiger ging. Auch die Firma seiner Frau Wintris Inc. ist eine solche Gläubigerin. Gunnlaugsson wird deshalb nun ein Interessenskonflikt vorgeworfen, da er – bildlich gesprochen – an beiden Seiten des Verhandlungstischs gesessen haben soll. In einem den „Panama Papers“ vorangegangenen Fernsehinterview im März 2016 wurde er überraschend auf Wintris Inc. angesprochen. Er reagierte unwirsch und entgegnete, dass „etwas verdächtig gemacht wird, was nicht verdächtig ist“. Er sei unter falschen Voraussetzungen ins Studio gelockt worden. Wenig später verließ er den Raum. Das Video ging am Tag der Enthüllungen der „Panama Papers“ am, 3. April, online und kann noch immer abgerufen werden.

Die Bankenkrise holt die Isländer wieder ein

Die Isländer sind in Rage. Gerade erst war der Schock der Finanzkrise 2008, mit einem Börsencrash von 90 Prozent und einem drastischen Rückgang des Bruttosozialprodukts (minus 10 Prozent), abgeklungen. Vorangegangen war der fast zeitgleiche Zusammenbruch der drei größten Geschäftsbanken des Landes, infolge jahrelanger Spekulationen und gegenseitiger Deals über Briefkastenfirmen. Und schon stürmt im Moment die nächste Krise auf das Land ein, und wieder geht es um Briefkastenfirmen.

Die Wähler fühlen sich von Gunnlaugsson betrogen. Schließlich wurde er 2013, im Alter von 38 Jahren, eben auch deshalb zum jüngsten Ministerpräsidenten in der isländischen Geschichte, weil er sich in der Finanzkrise an die Seite der Bürger stellte.

Bei Regierungsantritt sprach er sich gegen die Auszahlung ausländischer Investoren aus, die Staatskasse sollte geschont werden. Außerdem versprach er Eigenheimbesitzern einen Schuldenerlass und wollte die Krone wieder stärken, ohne dabei die Sparpolitik zu beenden.

Seit 2011 wächst Islands Wirtschaft wieder und die Arbeitslosigkeit liegt bei gerade einmal vier Prozent. Obwohl unter der Mitte-Rechts-Regierung eine weitere wirtschaftliche Belebung stattgefunden hat, schnitt sie in Umfragen schlecht ab. Die linke Piratenpartei hat hingegen eine stabile Anhängerschaft gefunden. Sie tritt ein für Bürgerrechte, Transparenz, Datenschutz, direkte Demokratie, ein Mindesteinkommen und auch für den Schutz von Gläubigern gegenüber den Banken.

Aus traditioneller Vetternwirtschaft wurde Korruption

Laut der isländischen Journalistin Sigrun Davíðsdóttir ist der politische Zorn der Isländer „eine komplizierte Geschichte“. Vetternwirtschaft habe in dem kleinen Island eine lange Tradition. Vor der Finanzkrise habe fast jeder jemanden gehabt, an den er sich wenden konnte. „Doch“, so Davíðsdóttir, „Vetternwirtschaft ist der nächste Nachbar der Korruption“. Und in dem Moment, als klar geworden war, dass auch die Super-Reichen des Landes untereinander Händel trieben, wodurch auch die drei größten Geschäftsbanken des Landes zu Fall gebracht worden waren, wäre aus Vetternwirtschaft Korruption geworden. „Bis zum Crash war Island die Nummer Eins im Transparency International Index“, so Davíðsdóttir gegenüber dem Prospect Magazine. Island galt vor der Krise also als weltweit korruptionsärmstes Land. Und obwohl Politiker wiederholt ein „neues Island“ versprochen haben, hätten Banken in den letzten Jahren immer wieder Anlagen hinter verschlossenen Türen unter dem Marktpreis verkauft. So habe in der Bevölkerung das ungute Gefühl von Nepotismus und „besonderen Klienten” wieder zugenommen. Die Personen sind zwar nicht dieselben wie in der Bankenkrise 2008, aber das Verhältnis zwischen Banken und Politikern fühle sich ähnlich an, so Davíðsdóttir.

22.000 Isländer fordern Gunnlaugssons Rücktritt

Vor diesem Hintergrund lässt sich vielleicht auch besser verstehen, dass sich 22.000 Männer und Frauen am 4. April, einen Tag nach Bekanntwerden der „Panama Papers“, vor dem Parlament versammelten und Gunnlaugssons Rücktritt forderten. Dies sind rund sechseinhalb Prozent der Bevölkerung der 330.000 Einwohner zählenden nordischen Vulkaninsel – eine beachtliche Quote. In einer Online-Petition forderten rund 24.000 Inselbewohner Gunnlaugssons Abgang.

Politische Situation noch verworren und unklar

Die politische Situation in Island ist derzeit verworren und unklar. Laut der isländischen Journalistin Davíðsdóttir habe es bis zum Schlussstrich dieses Berichts keine offizielle Rücktrittserklärung des Ministerpräsidenten gegeben. Sollte er sein Amt als Ministerpräsident niederlegen, alles deutet darauf hin, ist Gunnlaugsson der Erste, der durch Enthüllungen der “Panama Papers” zu Fall gebracht wurde.

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