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Reportajes internacionales

Parteiübertritte in Südafrika

Dominanz des ANC weiter ausgebaut

Die Ereignisse am Persischen Golf haben die Öffentlichkeit kaum wahrnehmen lassen, wie sich das Parteiensystem Südafrikas in den letzten zwei Wochen verändert hat.

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Durch Parteiübertritte ist die Machtbasis der Regierungspartei ANC (African National Congress) weiter angewachsen, während die sich als legitime Opposition bezeichnende DA (Democratic Alliance) beachtliche Gewinne verzeichnen konnte.

Bei den anderen Parteien werden die Verschiebungen langfristige Auswirkungen haben, die zwar keinen Abgesang an das junge Mehrparteiensystem Südafrikas einstimmen, dennoch die oppositionellen Kräfte vor weitere entscheidende Herausforderungen stellen werden.

De jure und de facto

Die Verfassung Südafrikas aus dem Jahre 1993 enthielt zunächst eine Anti-Defection Clause (Klausel gegen Abtrünnigkeit). Darin war vorgesehen, dass Abgeordnete ihren Sitz im jeweiligen Parlament verlieren, wenn sie die Partei verlassen, über deren Liste sie in das Parlament eingezogen sind. Durch diesen Passus sollte die proportionale Repräsentation sichergesellt werden, die sich vor allem auch im Wahlgesetz Südafrikas wieder spiegelt. In der neuen Verfassung aus dem Jahre 1996 wird diese Passage ergänzt. Da der Zusatzartikel in der neuen Verfassung unter die Übergangsregelungen fällt, ist festgelegt, dass das Parlament diese Regelung ändern und es den Abgeordneten dadurch ermöglichen kann, auch nach Verlassen ihrer Partei ihr Mandat zu erhalten.

Die politischen Entwicklungen Ende 2001 verlangen Handlungs- und Klärungsbedarf. Durch den Bruch der DA (Democratic Alliance) entsteht das sogenannte DA-Problem. Die DA war ein Zusammenschluss der Democratic Party (DP), der New National Party (NNP) und der Federal Alliance (FA). Bei den Kommunalwahlen im Jahr 2000 war die DA mit nur einer Liste angetreten, so dass in den Stadt- und Gemeinderäten nicht mehr zwischen DP-Abgeordneten und NNP-Abgeordneten zu unterscheiden ist.

Gleichzeitig mit ihrem Rückzug aus der DA schließt die NNP einen Kooperationspakt mit dem ANC; die Wiederauflage einer Zusammenarbeit, die 1996 gescheitert war. Um die Pläne einer ANC-NNP-Kooperation auch umsetzen zu können, bedarf es einer Lösung des DA-Problems dahingehend, dass die DA-Abgeordneten, die von Seiten der NNP gestellt worden waren, zur NNP zurück kehren können. Ein solcher Akt widerspricht jedoch dem Anti-Defection Clause. Die erste Gesetzesvorlage Mitte November 2001 sieht daher folgende Regelung vor: Der Präsident kann in Absprache mit den Parteiführern und den Ministerpräsidenten der Provinzen einen Zeitraum (14 Tage) festlegen, innerhalb dessen Parteiübertritte erlaubt sein sollen.

Parteiübertritte auf lokaler Ebene

Die nächsten Monate sind geprägt von politischer Kontroverse über die Beratung der Gesetze. Um politischen Opportunismus zu minimieren, wird eine Zehn-Prozent-Hürde aufgenommen. Nach zweiter und letzter Lesung der Gesetzentwürfe in der Nationalversammlung stimmen ANC, NNP und DA mit positivem Votum ab. Die anderen Parteien stimmen dagegen: das United Democratic Movement (UDM) reicht wenige Tage später Klage vor dem Verfassungsgericht ein. Am 4. Oktober 2002 entscheidet das Gericht über die Zulässigkeit des Gesetzespakets: jedoch mit Einschränkungen. Parteiübertritte sind auf lokaler Ebene erlaubt, auf Provinz- und Nationalebene bedarf es weiterer Verfassungsänderungen.

Am 8. Oktober 2002 beginnt das erste Zeitfenster von 14 Tagen, in denen Mitgliedern von Stadt- und Gemeinderäten Parteiübertritte möglich sind, und endet am 22. Oktober 2002. Die Independent Electoral Commission (IEC) gibt folgende Ergebnisse bekannt: Insgesamt 555 Ratsmitglieder wechseln die Partei. In 21 Städten und Gemeinden verändern sich die Mehrheiten. Folgend die Gewinne und Verluste der großen Parteien:

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Beschuldigen sich in den nächsten Wochen Gewinner und Verlierer gegenseitig, wird bereits fieberhaft an dem Gesetzespaket für die Parteiübertritte auf Provinz- und Nationalebene gearbeitet, und die vom Verfassungsgericht beanstandeten Passagen werde angepasst. Der ANC macht hierbei ein Zugeständnis an die IFP (Inkatha Freedom Party), den Koalitionspartner auf nationaler Ebene: 5 Abgeordnete aus KwaZulu-Natal, die vor dem offiziellen Übertrittzeitraum ihre Absicht offiziell bekundet haben, verlieren ihr Mandat. Dies war zunächst nicht so geplant und wird in den Gesetzestext aufgenommen.

Neue Mehrheiten

Am 21. März 2003 beginnt die Periode für Parteiübertritte in den Provinzparlamenten und der Nationalversammlung (NA). Bis zum Ablauf des Zeitraums am 04. April 2003 sieht die Bilanz der Veränderungen in der Nationalversammlung wie folgt aus:

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Der ANC erhält die Zweidrittel-Mehrheit in der NA und kann nunmehr Verfassungsänderungen theoretisch beschließen. Die DA behauptet sich als stärkste Oppositionskraft, NNP, IFP und UDM (United Democratic Movement) verlieren Mandate; die Einbrüche sind bei UDM und NNP am größten. War die UDM noch während der letzten Wahlen zu den Provinzparlamenten und der NA als zukunftsträchtige multiethnische Parteineugründung gefeiert worden, so dürften die Aussichten heute weniger positiv sein. Auch die NNP wird Mühe haben, den negativen Trend aufzuhalten, verfügte sie doch bei den Parlamentswahlen 1994 noch über 82 Sitze (1999: 28).

Überraschend scheint auf den ersten Blick auch die Anzahl der 5 Parteineugründungen. Ist die legislative Schwelle zur Neugründung einer Partei eindeutig zu gering und finanziell auch für manche Individuen zu lukrativ, um auf die staatlichen Zuschüsse verzichten zu wollen, muss auf die Gründe für diese Entwicklung in Zukunft stärker eingegangen werden. Kaum einer dieser neuen Parteien dürfte eine politische Zukunft vorhergesagt sein; bis vielleicht auf den von der populären Parlamentarierin Patricia de Lille gegründeten Independent Democrats (ID). Die Zahl der kleinen Parteien und Kleinstparteien in der NA erhöht sich damit auf 17. Ein Trend, der wenig zur Konsolidierung einer schlagkräftigen Opposition im nationalen Parlament beitragen dürfte und daher unter demokratietheoretischen Gesichtspunkten zumindest nachdenklich stimmen muss.

Auf Provinzebene verfügt der ANC nunmehr über die Mehrheit in allen 9 Parlamenten, wobei die Situation in KwaZulu-Natal bislang noch nicht abschließend geklärt ist. Die 80 Sitze des Provinzparlaments verteilen sich folgendermaßen: IPF (32), ANC (35), DA (6), Minority Front (2), NNP (2), neugegründete Peace and Development Party (1), UDM (1), ACDP (1). Die alte Koalitionsregierung aus IPF und DA verfügt damit nur noch über 38 Sitze, während der ANC mit seinen Koalitionspartnern MF, NNP und PDP 40 Sitze gewinnt. Keine eindeutigen Koalitionsabsichten haben UDM und ACDP bislang gemacht, und könnten bei der Beschaffung von Mehrheitsverhältnissen noch eine bedeutende Rolle spielen.

Chancen der Opposition?

Der Trend einer absoluten Dominanz des ANC im Parteiensystem Südafrikas setzt sich eindeutig fort. Ist aus normativen Gesichtspunkten das Fehlen einer starken Opposition in einer Demokratie kaum zu begrüßen, kann diese Entwicklung nicht über die realen Kräfteverhältnisse in Südafrika hinwegtäuschen. Realität ist auch die Schwäche der verschiedenen Oppositionsparteien, der es in Zukunft besonderes Augenmerk zu schenken gilt.

Die nächsten Wahlen zu den Provinzparlamenten und der Nationalversammlung werden voraussichtlich im April 2004 stattfinden. Sollte es den Oppositionskräften nicht gelingen, ihre Stimmen durch Koalitions- oder Kooperationsabkommen zu bündeln, besteht ihrerseits mittelfristig wenig Hoffnung, mit dem ANC in Wettbewerb über die Dominanz des Politischen in Südafrika zu treten.

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Moritz Sprenker

Moritz Sprenker

Trainee im Auslandsbüro Südafrika und Praktikumsbeauftragter

moritz.sprenker@kas.de +27 (11) 214 2900-202 +27 11 214 29 13/14

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Sankt Augustin Deutschland